Fisch aus Wildfang vermag den Bedarf schon lange nicht mehr zu decken. Aquakulturen sind eine Alternative. Zurzeit sind in der Schweiz diverse nachhaltige Projekte in Planung.
Überfischte Meere, belastete Gewässer, mit Antibiotika durchsetzte Fische und Schalentiere: Da könnte man meinen, dies würde den Appetit verderben. Doch weit gefehlt. Fisch und Schalentiere sind hierzulande äusserst beliebt. In den letzten Jahren stieg der Konsum stetig an. 2014 verzehrten Herr und Frau Schweizer gemäss Daten des Schweizerischen Bauernverbandes 73 122 Tonnen Fisch und Schalentiere, was einem Pro-Kopf-Konsum von 8,8 Kilogramm entspricht. 94 Prozent dieser Fische und Schalentiere stammen aus dem Ausland und nur gerade sechs Prozent aus inländischer Produktion. Süsswasserfische aus der Schweiz decken jedoch bereits 40 Prozent des Bedarfs ab, wie dies aus einer Statistik des Bundesamtes für Umwelt hervorgeht.
Doch nicht nur der Konsum ist gestiegen, sondern auch das Bewusstsein der Konsumenten. So setzen sie auch bei Fisch und Meeresfrüchten immer stärker auf Qualität, Nachhaltigkeit sowie transparente und einsehbare Produktionsprozesse. Diese Kundenbedürfnisse machen sich drei auf Fisch- und Schalentiere spezialisierte, in Planung befindende Schweizer Aquakulturen zunutze. Nicht zuletzt profitieren sie dabei auch von neuen Technologien, die es ermöglichen, Fisch- und Schalentierzuchten ökologisch sinnvoll und nachhaltig zu betreiben. Zudem pflegen alle drei Projekte eine enge Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten und Wissenschaftlern.
Das Projekt Basis 57 in Erstfeld plant den Aufbau der grössten Fischzuchtanlage der Schweiz mit einer Produktionskapazität von bis zu 1200 Tonnen Speisefisch pro Jahr. Die Produktion wird im Sinne der Nachhaltigkeit nach ökologischen Grundsätzen und den Prinzipien der artgerechten Haltung erfolgen.
Der Standort im Urner Reusstal bietet beste Voraussetzungen dafür. Einerseits wird die Aquakultur verkehrstechnisch günstig an Europas Nord-Süd-Achse angebunden sein, andererseits kann so das aus dem Nordportal des Gotthard-Basistunnels austretende, auf 14 bis 16 Grad temperierte und qualitativ einwandfreie Gotthard-Bergwasser für eine nachhaltige Fischzucht genutzt werden.
Gemäss Stefan Baumann, Geschäftsführer der Basis 57, startet die Produktion Ende 2017 mit einer Fischzuchtpilotanlage von einer Kapazität von 40 Tonnen. Ende 2018 geht es dann mit der grossen Fischzuchtanlage mit Zander und Pangasius los. Ungefähr ein Jahr später werden die Fische auf den Markt kommen. «Bei der Auswahl der Fische arbeiteten wir eng mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften zusammen. Da wir eine Indoor-Fischzuchtanlage realisieren, drängten sich Warmwasserfische auf», erklärt Stefan Baumann. Im Angebot werden dereinst Zander, Egli, Trüsche und Pangasius sein. «Mit dem Pangasius wollen wir einen nachhaltigen Fisch produzieren als Alternative zu jenen aus Vietnam beispielsweise. Und dies zu einem attraktiven Preis», so Baumann.
Die Trüsche hingegen wird voraussichtlich ein Nischenprodukt bleiben, das jedoch gerade für die Gastronomie interessant sein kann. Denn das grätenarme Fleisch und die Leber werden von Kennern als Delikatesse geschätzt. «Einige Gastronomen haben bereits Interesse an den Trüschen angemeldet, speziell auch für die Leber.» Aus ersten Trüschen aus der Laboranlage stellte ein Fischspezialitätenrestaurant vom Bodensee bereits Trüschenleberparfait her.
Die produzierten Speisefische sollen dereinst in den eigenen Räumen betäubt, geschlachtet und verarbeitet werden. Angeboten werden unterschiedliche Verarbeitungsstadien: ausgenommen, filetiert, geräuchert, getrocknet und tiefgekühlt. Eine Verarbeitung zu Convenienceprodukten ist zurzeit nicht geplant.
Für den Vertrieb beabsichtigt Basis 57, mit den bestehenden Fischhändlern und Kanälen wie etwa mit Dörig & Brandl und Bianchi zusammenzuarbeiten. «Unser Markt wird sich auf die ganze Schweiz sowie auf das anliegende Ausland erstrecken. Wir prüfen auch Lieferungen in europäische nicht zu weit entfernte Metropolen», so Stefan Baumann.
Das Projekt Swiss Shrimp hingegen setzt ganz auf, wie es der Name der Firma schon sagt, Shrimps, zu Deutsch Crevetten. Heute werden in der Schweiz jährlich rund 9000 Tonnen Shrimpsprodukte aus Wildfang und Aquakultur konsumiert. Dabei handelt es sich ausschliesslich um Importware, die tiefgefroren oder in gekochtem Zustand per Seefracht und LKW-Transport in die Schweiz geliefert wird. Die Crevetten der Swiss Shrimp AG hingegen sollen fangfrisch angeliefert werden.
Das Start-up Swiss Shrimp basiert auf einer Idee von Thomas Tschirren. 2008 wurde er über einen Fernsehbericht auf ein niederländisches Shrimpsprojekt namens Happy Shrimp aufmerksam. Die Idee, Shrimps lokal auf möglichst nachhaltige Art und Weise zu produzieren, liess ihn nicht mehr los. Zumal ihm von Reisen in den fernen Osten die Bilder der dortigen ausbeuterischen Shrimpsfar-ming-Praktiken nicht mehr aus dem Kopf gingen. So nahm das Projekt seinen Lauf. Thomas Tschirren konnte weitere Personen für seine Idee gewinnen. Die Gruppe begann mit Recherchearbeiten, klärte das Marktpotenzial ab und überprüfte die Machbarkeit eines Shrimpsfarming-Projektes in der Schweiz.
Nachdem die Initianten zu Beginn einen Standort in Luterbach/SO ins Auge gefasst hatten, wird die Shrimpszuchtanlage nun in Riburg in Rheinfelden im Fricktal realisiert. Denn 2014 wandte sich der CEO der Schweizer Salinen AG Urs Hofmeier an die Swiss Shrimp AG. «Urs Hofmeier suchte nach einer Lösung, um die überschüssige Wärme sinnvoll zu nutzen», sagt Rafael Waber, Geschäftsführer der Swiss Shrimp AG. Denn beim Salzgewinnungsprozess entsteht Abwärme auf verschiedenen Temperaturniveaus, die im Betrieb intern nicht genutzt werden kann. Nun wird Swiss Shrimp dem warmen Abwasser der Schweizer Salinen thermische Energie entziehen und dadurch via Wärmetauscher die Becken auf 28 Grad aufheizen können. Das Salz, das für die Shrimpsproduktion notwendig ist, wird aus den Tiefen des Jura-Erdreichs gewonnen.
Rafael Waber ist überzeugt, dass seine Crevetten ökologisch sinnvoll sind: «Ein Kilogramm Shrimps aus unserer Produktion verursacht 50 Prozent weniger CO2-Emissionen als aus einer herkömmlichen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Shrimps nicht tiefgefroren werden, kurze Transportwege haben und die Wärmeenergie aus überschüssiger Industriewärme stammt.» Der Begriff «nachhaltig» hingegen sei ihnen zu wenig präzise und werde inflationär verwendet.
Zurzeit dreht sich alles um die Planung der Shrimpsfarm. «Wir rechnen damit, dass wir gegen Ende 2017 oder Anfang 2018 den Betrieb aufnehmen können», sagt Rafael Waber. Mit der ersten Ernte rechnet er noch in 2018. Der Schalentierexperte hatte bereits mit vielen Köchen und Gastronomen regen Kontakt während der Phase der Marktforschung und im Rahmen der qualitativen Studien. «Aktuell analysieren wir intensiv die Bedürfnisse der Gastronomen in puncto Logistik», erzählt Rafael Waber. «Uns interessiert, welche Wünsche sie betreffend Lieferung, Verpackung, Bestellprozess und Produktdetails haben.»
Einem anderen Schalentier widmet sich ein Spin-off der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Die Edelkrebs AG beabsichtigt, ab 2018 in Sins/AG Speisekrebse und Äschen zu züchten. «Das Projekt wurde 2013 ins Leben gerufen und wir möchten bis 2017 die Grundlagen der Produktion geklärt haben», sagt Boris Pasini, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der ZHAW. Da sich Edelkrebse vor allem auf dem Grund von Gewässern aufhalten, prüft das Spin-off zurzeit die Möglichkeiten einer Polykultur. «Wir planen, Fische und Krebse in einem Becken gemeinsam zu kultivieren», erläutert Boris Pasini. «Die Äsche eignet sich dazu hervorragend, da sie ähnliche Ansprüche bezüglich der chemischen und physikalischen Wasserparameter stellt wie der Flusskrebs.» Die Äsche ist ein geeigneter, wenn auch anspruchsvoller Aquakulturkandidat. Sie ist schmackhaft und auf dem Markt kaum erhältlich.
Zurzeit ist das Spin-off noch eine kleine Anlage, die forscht und nicht produziert. «Wir konnten jedoch bereits Fische an lokale Gastronomen verkaufen», sagt Boris Pasini. «Zum jetzigen Zeitpunkt können wir jedoch noch keinen konstanten Lieferrhythmus anbieten. Aber wir haben immer wieder Tiere in Speisegrösse zum Verkauf.»
Daneben gibt es weitere Projekte wie etwa den Verein Karpfen Pur Natur, der sich für die Wiederbelebung der Karpfenzucht in der Schweiz einsetzt, oder die Genossenschaft Regiofisch Zentralschweiz, die sich der heimischen Fischzucht verschrieben hat. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von zehn Landwirten. Mittlerweile sind bereits zwei Aquakulturen in Betrieb. Bis Ende Jahr folgen zwei weitere. Zurzeit werden vor allem Zander und Kirschlachs gezüchtet. Erste Fische stehen nun bereits im Angebot.
(Bernadette Bissig)
Unter Aquakultur versteht man die kontrollierte Aufzucht und Vermehrung aquatischer Organismen. Dazu gehört vor allem die Zucht von Fischen, Krebsen, Garnelen, Weichtieren und Algen in Teichen, Durchlauf- und Kreislaufanlagen sowie Netzgehege-Anlagen.
Der Fischkonsum in der Schweiz steigt seit Jahrzehnten. Die Menge der hierzulande konsumierten Fische und Meerestiere ist in den letzten 30 Jahren um 80 Prozent angestiegen. Umso wichtiger ist es nun, dass der Kauf von Produkten aus überfischten Beständen abnimmt und die inländische nachhaltige und ökologische Fischproduktion gesteigert werden kann.
Das Unternehmen plant in Erstfeld/UR die grösste Fischzuchtanlage der Schweiz. Ende 2024 sollen voraussichtlich 340 Tonnen Zander, 500 Tonnen Pangasius, 340 Tonnen Egli und 20 Tonnen Trüschen gezüchtet werden. Basis 57 nutzt das durch den Basistunnel erwärmte Bergwasser für eine nachhaltige Fischzucht.<link http: www.basis57.ch>
www.basis57.ch
Das Start-up plant den Bau einer modular erweiterbaren Aquakultur-Anlage in Rheinfelden/AG. Diese nutzt die Abwärme der Schweizer Salinen und verwendet das Salz aus dem Juragestein. In einer ersten Phase sollen 60 Tonnen geerntet werden, später 180 Tonnen.<link http: www.swissshrimp.ch>
www.swissshrimp.ch
Die Edelkrebs AG ist spezialisiert auf die Haltung, Mast und Vermehrung von einheimischen Flusskrebsen und Äschen in geschlossenen Kreislaufsystemen. Sie wurde 2013 gegründet und ist ein Spin-off der ZHAW. Ziel der Edelkrebs AG ist, die gewonnenen Erkenntnisse der biologischen Grundlagen in einem für Flusskrebse und Äschen geeigneten und ökologisch nachhaltigen Kreislaufsystem umzusetzen.<link http: www.edelkrebse.ch>
www.edelkrebse.ch
Die Genossenschaft Regiofisch Zentralschweiz ist ein Zusammenschluss von zehn Bauern, die sich zum Ziel gesetzt haben, die inländische Produktion von Süsswasserfischen zu fördern. Die Projektplanung erfolgt im Rahmen eines Projektes zur regionalen Entwicklung mit fachlicher Unterstützung des Berufsbildungszentrums für Natur und Ernährung BBZN in Schüpfheim sowie der ZHAW Wädenswil.<link http: www.regiofisch-zentralschweiz.ch>
www.regiofisch-zentralschweiz.ch
Der Verein Karpfen Pur Natur belebt die Tradition der Teichwirtschaft und Karpfenzucht neu, die seit dem Mittelalter in der Region um Sankt Urban praktiziert wurden. Die Mitglieder erarbeiten Grundlagen, suchen Standorte, kümmern sich um Finanzierung, Projektführung und den Bau der Teiche sowie deren naturnahe Bewirtschaftung. Fünf Teichlandschaften wurden bisher mit Hilfe der Mitglieder und weiterer Freiwilliger errichtet. Die Karpfen kommen zurzeit etwa beim Karpfenschmaus im Gasthof Hirschen in Melchnau auf den Tisch oder beim Rottaler Erntefest.<link http: www.karpfenpurnatur.ch>
www.karpfenpurnatur.ch
Mehr Informationen unter: <link http: www.zhaw.ch de lsfm weiterbildung fachtagungen fischforum-schweiz>www.zhaw.ch/de/lsfm/weiterbildung/fachtagungen/fischforum-schweiz/