Die nordspanische Weinregion D. O. Rueda boomt. Bekannt ist sie für ihre unkomplizierten Weissweine aus Verdejo und Sauvignon Blanc. Wer genau hinschaut, entdeckt viele Bodegas, die neue Wege gehen und aus Verdejo grossartige Tropfen keltern.
Einst war Valladolid die Hauptstadt Spaniens. Heute befindet sich in der pulsierenden Stadt im Norden des Landes der Regierungssitz der Autonomen Region Kastilien und León. Zudem ist Valladolid das Zentrum der Weinbauregionen Ribera del Duero im Norden und Rueda im Süden. In Bezug auf die Gastronomie gilt Valladolid als Hauptstadt der Tapas. Und zu den kreativen Häppchen passt an heissen Sommertagen nichts besser als ein Glas kühler Verdejo.
Weine aus Rueda erfreuen sich international grosser Beliebtheit. «Marktanteile, die andere Weinregionen verlieren, gewinnen wir dazu», sagt Santiago Mora Poveda, Generaldirektor der D. O. Rueda. «Das liegt an der Frische und der Vielfalt unserer Weine.»
Für Frische sorgt das Klima. So sind die Tagestemperaturen im Spätsommer noch sehr hoch, was die Trauben gut reifen lässt. Doch auf dem Hochplateau zwischen 700 und 870 Meter über Meer kühen die Nächte bereits empfindlich ab. Dadurch bleiben gute Säurewerte erhalten. Um diese in den Wein zu retten, beginnt die Lese lange vor Tagesanbruch.
So gelangen die Trauben natürlich gekühlt in die Verarbeitung. Nach dem Pressen werden sie in Stahltanks zügig vergoren und nach vier bis sechs Monaten Reifezeit auf den Feinhefen abgefüllt. Viele dieser Verdejo-Weine werden sehr jung getrunken.
Santiago Mora Proveda Generaldirektor D. O. Rueda
Charakteristisch für Verdejo ist die lebendige Säure, der Duft von grünem Apfel, Aprikose und Fenchel sowie die harmonisch bittere Note im Abgang.
Neben Verdejo mit einem Anteil von 88 Prozent tragen neue Rebsorten zur Vielfalt bei. Dies sind Palomino (seit 1930), Macabeo und Viura (1950), Sauvignon Blanc (1970) sowie Chardonnay und Viognier (2019). Rueda erhielt im Jahr 1980 als erstes Weinbaugebiet in Kastilien und León die Denominación de Origen. Seit August 2008 gilt die D. O. Rueda auch für Rotweine und Rosé. Autorisierte Sorten sind Tempranillo, Garnacha, Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah. Erst kürzlich wurde in La Seca die alte Sorte Cenicienta, auf Deutsch Aschenputtel, wiederentdeckt.
Für Unterschiede sorgen die Böden, die Ausrichtung der Parzellen und die Sortenwahl. Doch es ist die Arbeit der Winzer und Kellermeister, welche die Vielfalt der D. O.-Rueda-Weine ausmacht.
Vor dem Einfall der Reblaus gab es in Rueda mehr als 90 000 Hektar Reben. Doch das Insekt mag keine sandigen Böden. So blieben trotz immenser Zerstörung zahlreiche Parzellen verschont. Weine aus Trauben von bis zu 160-jährigen Rebstöcken werden als «Prefiloxérico» oder «Histórico» bezeichnet. Heute sind wieder 21 000 Hektar mit Reben bestockt.
Viñas Murillo in Alcazarén besitzt 20 Hektar historische Rebparzellen Aktuell wird daran gearbeitet, über die Jahre entstandene Lücken mittels zu schliessen. Dazu wird dort, wo eine neue Rebe wachsen soll, ein Zweig der Nachbarpflanze in den Boden gegraben. Der Zweig wird erst abgeschnitten, wenn die neue Pflanze gedeiht. Ihren «Chapirete Seleccion» gibt es bei Hugi Weine in Selzach/SO.
Die Bodega Garciarévalo in Matapozuelos verfügt über eigene Verdejo-Klone. Die Ernte der ältesten Parzellen wird mit traubeneigenen Hefen vergoren und kommt unter der Bezeichnung Harenna auf den Markt. Die komplexen Weine gewinnen mit zunehmender Reife an Ausdruck. Erhältlich sind sie bei der Kellerei St. Georg in Luzern.
«Just time!», sagt Martina Prieto Pariente vom Weingut José Pariente in La Seca über den «Crianza en Barrica». «Der letzte Wein meines Grossvaters, ein Verdejo des Jahrgangs 1997, reifte 25 Jahre in kleinen Fässern.» Ein magischer Tropfen, von dem 507 Flaschen abgefüllt wurden. Denn José Pariente kelterte nur für den Hausgebrauch. Seine Tochter Victoria, Martinas Mutter, erweiterte den Rebbesitz von 3 auf 91 Hektar in besten Lagen. Martina Prieto Pariente analysierte die Böden ihrer Parzellen und kreierte darauf basierend die aktuellen Weinstile. So ist ihr Basiswein eine Assemblage verschiedener Parzellen und Ausbauarten. Den Cru «La Medina» von sandigen Böden vinifiziert sie in Betoneiern, was einen kühl anmutenden Weinstil ergibt. Füllig und dennoch elegant ist der von Kalkstein stammende «Las Comas». Dieser Cru reift auf den Fein- hefen in 2250-Liter-Fässern. In der Schweiz sind die Weine von José Pariente bei Casa del Vino in Dietikon/ZH erhältlich.
Miguel Renedo Hidalgo, Export Manager Diez Siglos
Martina Prieto Pariente arbeitet auch mit der Universität Madrid zusammen. Mittels Mikrovinifikationen untersucht sie die Auswirkung der Arbeiten im Rebberg auf die pH-Werte (Säure) im Wein. Dies hinsichtlich des fortschreitenden Klimawandels.
Das Weingut Palacio de Bornos in Rueda zählt zu den ersten Produzenten von Schaumwein. Neben «demi-sec» und «brut» wird aus Verdejo-Trauben auch ein ausdrucksstarker «brut nature» angeboten. Dieser reift vier Jahre auf den Hefen, was ihm feinste Perlen und Cremigkeit verleiht. Traditionell in Flaschen vergorene Schaumweine, die vor dem Degorgieren mindestens 36 Monate auf den Hefen reifen, dürfen zudem die Bezeichnung «Gran Añada» tragen.
Die Rebsorte Verdejo hat in Rueda eine mehr als tausendjährige Geschichte. Diez Siglos, zehn Jahrhunderte, heisst dann auch ein Konglomerat von 65 Winzern, die Verdejo in allen Variationen vinifizieren. Ihren Paradewein nennen sie «Momento Diez», was so viel bedeutet wie «Ich hatte einen perfekten Tag». Importeur ist Cave Amann in Bischofszell/TG.
Perfekte Momente genossen bereits die Adligen am Hofe Königin Isabellas I. von Kastilien (1451 bis 1504). Sie liebten die in Damigiane gereiften «Pálido» und «Dorado». Diese Tradition verstärkter und oxidativ ausgebauter Weine sind der Stolz der Bodega de Alberto in Serrada. In deren Innenhof stehen mehrere Tausend Damigiane unter freiem Himmel. Später reift der Wein weitere Jahre in Barriques unter einem Hefeflor zu einem wahrlich besonderen Elixier.
(Gabriel Tinguely)