Im Herbst werden in der Schweiz die Zuckerrüben geerntet. Doch dieses Jahr macht eine böse Krankheit den Rüben zu schaffen und mindert die Erträge. Gibt es noch genug Schweizer Zucker?
Jetzt rollen die mit Rüben vollbepackten Eisenbahnwagen wieder durchs Land. Doch dieses Jahr wird die Ernte nicht so hoch ausfallen wie in anderen Jahren. Schuld ist eine viröse Vergilbung. Helfen könnte das im letzten Jahr verbotene neonicotinoidhaltige Pflanzenschutzmittel, das vor Blattläusen schützt. Während das Mittel in der EU per Notzulassung erlaubt wurde, müssen Schweizer Rübenbauern mit der Situation leben.
In der Schweiz bauen 4500 Landwirte auf einer Fläche von rund 18 000 Hektaren Zuckerrüben an. Auf einer Hektare wachsen bis zu 90 000 Pflanzen, woraus in normalen Erntejahren 10 000 bis 15˚ 000 Kilogramm Zucker gewonnen werden.
«Nach zwei extrem trockenen Jahren hofften alle Pflanzer in diesem Jahr auf eine gute Ernte, weil es ausser im Westen des Landes immer wieder etwas geregnet hat», sagt Guido Stäger, CEO der Schweizer Zucker AG in Aarberg/BE. Deshalb sei es für die Pflanzer extrem frustrierend, dass sie so stark von der virösen Vergilbung betroffen seien. Das für den Rübenanbau wichtige Pflanzenschutzmittel ist verboten, weil es Bienen gefährdet. Doch Rüben würden nicht blühen, deshalb sei dieses generelle Verbot für die Bauern nicht verständlich.
Obwohl mit Ernteausfällen zu rechnen ist, sei die Zuckerversorgung nicht in Gefahr. «Wir werden trotz besserer Wetterbedingungen wieder etwa gleich wenig Zuckerrüben ernten wie letztes Jahr», so Stäger. 2019 waren das rund 1,6 Millionen Tonnen, darin enthalten 70 000 Tonnen Biorüben. Doch für die Zukunft ahnt er nichts Gutes: «Die Pflanzer verdienen weniger Geld mit den Rüben und verlieren wegen der Hilflosigkeit gegenüber den Schädlingen die Motivation für den Rübenanbau. Wir können unsere Fabriken schlecht auslasten, haben höhere Kosten pro Tonne Zucker und der Selbstversorgungsgrad mit Zucker sinkt weiter.»
In der Corona-Krise habe man gesehen, wie wichtig die Selbstversorgung sei und wie empfindlich die Bevölkerung auf leere Ladenregale reagiere. «Auch wenn die Meinungen zum Zuckerkonsum auseinandergehen, ist und bleibt Zucker ein zentraler Inhaltsstoff für viele Lebensmittel wie Konfitüren, Joghurts, Süssgetränke sowie für viele kleine Freuden, die uns den Alltag etwas versüssen.» Deshalb sei es wichtig, dass die Schweizer Produktion langfristig erhalten bleibe. «Wir bemühen uns um Fortschritte bei der nachhaltigen Produktion und Verarbeitung wie zum Beispiel beim Bahntransport von Rüben und Zucker und mit dem Bau eines Holzkraftwerks in Aarberg.» Zudem würden der Bio- und IP-Suisse-Anbau gefördert.
Der hierzulande produzierte Zucker wird vollständig in der Schweiz verkauft. Er deckt rund zwei Drittel des Schweizer Zuckerverbrauchs.
(Ruth Marending)