Noch sind sie in Schweizer Küchen eine Rarität. Doch Experten sind sich einig: Kochroboter werden künftig auch in der Schweizer Gastronomie eine wichtige Rolle spielen. Sind die fleissigen Mitarbeiter, die nie schlafen oder einen schlechten Tag haben, Fluch oder Segen für die Branche?
Das Potenzial für Kochroboter ist in der Schweiz sehr gross», ist René Widmer überzeugt. Der Inhaber der Gastronomietechnik-Firma Prorest ist Experte für innovative Kochgeräte und bietet seit neuestem auch einen Koch-roboter in seinem Sortiment an. «Der Fachkräftemangel ist ein riesiges Problem. Gerade für monotone, immer gleich ablaufende Prozesse wie etwa Gemüse in einem Wok sautieren, eignen sich Roboter hervorragend.» Wenn Roboter ganze Autos selbständig zusammenbauen können, wieso sollte das nicht auch für standardisierte Gerichte in der Gastronomie gelten? «Alles, was in der Pfanne gerührt wird wie zum Beispiel Pasta- und Reisgerichte, ist heute bereits kein Problem», so Widmer. Längerfristig werde die Herausforderung sein, auch Fritteusen, Grillplatten und Kombidämpfer in die Geräte zu integrieren: «Das wird aber nächstens kommen, die Hersteller arbeiten bereits daran.»
Die Vorteile von Kochrobotern liegen auf der Hand: Im Gegensatz zu Mitarbeitenden aus Fleisch und Blut werden sie nicht krank, benötigen keine Ferien, führen Arbeiten in der immer gleichen Qualität aus und sind im Grunde 24 Stunden am Tag einsetzbar. So lassen sich während der Nacht bereits Komponenten für den Tagesbetrieb vorbereiten, und Restaurants in Raststätten könnten künftig mit wenig Manpower rund um die Uhr warme Gerichte anbieten, die frisch für die Gäste zubereitet wurden.
So verlockend das alles klingt, macht es doch auch vielen Angst: Braucht es künftig gar keine menschlichen Köche mehr? Wo bleibt die Kreativität? Wo der in der Gastronomie ebenfalls so wichtige menschliche Kontakt und die Beziehung zu den Gästen? René Widmer winkt ab: «Ein Roboter hat keine Sensorik. Wie eine Sauce schmeckt, weiss er folglich nicht.» Köche braucht es also auch künftig nicht nur, um die Zutaten für den Kochroboter bereitzustellen, sondern auch, um Rezepte auszutüfteln und die Gerichte abzuschmecken. Und gerade im Bereich des Fine Dining seien Kochroboter derzeit noch nicht denkbar: «Überall dort, wo sehr filigran angerichtet wird und auch die persönliche Handschrift des Kochs eine grosse Rolle spielt, sind Kochroboter fehl am Platz.» So könne ein Roboter beispielsweise ein Filet saignant braten, aber das Finish der Sauce, beispielsweise das Unterziehen der Butter, überlasse man dann besser einer Menschenhand. «Auch im Automobilgewerbe sehen wir, dass es trotz der Automatisierung noch Mechaniker benötigt.»
René Widmer, Inhaber Prorest
Die Kreativität der Gastronomie sieht Widmer ebenfalls nicht in Gefahr. Im Gegenteil: «Wenn man monotone Prozesse von Kochrobotern ausführen lassen kann, bleibt viel mehr Zeit, um sich auf die spannenden Bereiche des Kochberufs zu konzentrieren.» Das gilt auch für den Gästekontakt. Während der Roboter in der Küche rührt, kann der Koch die Gäste am Tisch persönlich begrüssen.
Je nach Modell und Anforderungen unterscheiden sich die Preise für Kochroboter stark. Gemäss René Widmer bewegt sich sein Modell von Goodbytz je nach Konfiguration im Bereich von 60 000 bis 100 000 Franken. «Es lässt sich leicht ausrechnen, wie schnell sich die Anschaffung lohnt. Wenn man die Karte etwas abspeckt und beispielsweise acht relativ einfache Gerichte mit Pasta und Reis anbietet, könnte ein Kochroboter den Output von zwei Köchen übernehmen.» Hinzu komme momentan noch der Innovationsfaktor: Wer sich jetzt einen Kochroboter anschaffe, werde schon alleine aufgrund der Novität viele Gäste anziehen, so René Widmer.
So geht es beispielsweise dem Landhaus Liebefeld in Liebefeld/BE. Dieses arbeitet nicht mit einem klassischen Kochroboter, sondern mit einem 3D-Drucker und schaffte es damit schweizweit in verschiedenste Print- und TV-Medien. Das Restaurant druckt unter anderem Korallen aus Schokolade, Mandalas aus Meringues oder Kreise aus veganen Fleischalternativen – und dies an bis zu 18 Stunden pro Tag. Gemäss Geschäftsführer Tom Christen nutzt man die Technologie, die auf pürierten Lebensmitteln basiert, unter anderem zur Verarbeitung von unförmigen Früchten und Gemüsen. Er ist überzeugt, dass dies die Zukunft der Lebensmittelindustrie ist: «Neue Technologien ermöglichen es uns, weniger Lebensmittel zu verschwenden und so mehr Nachhaltigkeit zu erreichen.»
Das Landhaus Liebefeld gehört in diesem Bereich zu den Vorreitern in der Schweizer Gastronomie. «Aktuell ist das Thema in der Schweiz noch nicht ganz angekommen», sagt René Widmer. Er selbst habe ein paar Interessenten für den Kochroboter in seinem Sortiment, es gebe aber noch sehr viel Luft nach oben. Widmer ist davon überzeugt, dass Roboter in den Küchen der Zukunft nicht mehr wegzudenken sein werden: «Wer nur ein bisschen in die Zukunft blickt, der weiss: Die Roboter kommen. Und wer jetzt investiert, hat die Nase vorn.»
(Angela Hüppi)
Die englische Firma Moley war die Erste weltweit, die 2015 eine Roboterküche entwickelte. Bei der Entwicklung wurde eng mit dem englischen Starkoch Tim Anderson zusammengearbeitet. Die so entstandene Roboterküche kann 5000 Gerichte kochen, gibt Bescheid, wenn Zutaten nachbestellt werden müssen und schlägt Gerichte aufgrund der noch vorhandenen Zutaten vor. Nach dem Kochvorgang reinigt sich die Küche selbst. Um den Kochvorgang zu starten, müssen nur das entsprechende Gericht am Display ausgewählt und die Zutaten in verschiedene Container gegeben werden. Moleys Küchensystem wurde ursprünglich für die Privatküche entwickelt, doch derzeit arbeitet man an einer Profi-Version. Diese wird aus verschiedenen Komponenten bestehen, die frei zusammengestellt werden können, um verschiedenen Bedürfnissen gerecht zu werden.
Das Gerät der deutschen Firma Goodbytz eignet sich für die Herstellung von Suppen, Gebratenem, Nudelgerichten, Currys und Bowls. Die modulare Robotik Kitchen kann die vom Mitarbeitenden bereitgestellten Zutaten exakt abwiegen und die Kochzeiten je nach Gericht anpassen. Auch das Anrichten übernimmt das Gerät. Über die Bedienoberfläche kann man seine eigenen Gerichte auf das System transferieren. Die KI-gestützte Plattform kann zudem dabei helfen, neue Gerichte zu kreieren und Arbeitsabläufe zu optimieren. Das Unternehmen verspricht, dass sein System die Personalkosten um bis zu 80 Prozent reduziert und 3000 Mahlzeiten pro Tag zubereitet. Mittelfristig will Goodbytz ein semi-automatisiertes Sterne-Restaurant eröffnen, um zu beweisen, dass Roboter qualitativ hochwertiges Essen produzieren können.
Der Kochroboter der deutschen Firma Davinci Kitchen ist auf die Herstellung von Pastagerichten spezialisiert. Mittels einer App können die Gäste das Essen vorbestellen, bezahlen und zur Wunschzeit abholen. Zudem kann das Essen vor den Augen der Gäste zubereitet werden, während diese über jeden Schritt unterhaltsam auf dem Laufenden gehalten werden. Für die Pastagerichte stehen 15 Zutaten zur Auswahl, es lassen sich aber auch individuelle Mahlzeiten zusammenstellen, um beispielsweise auf Allergien Rücksicht zu nehmen. Der Davinci-Kiosk will die Systemgastronomie revolutionieren und beinhaltet neben dem Kochroboter eine Nudelmaschine, Kühlvitrinen, ein Unterhaltungsmodul, eine Serving-Station, Gewürze, eine Waschstation, eine Utensilienablage, einen Nudelkocher sowie eine Kochstation. Pro Stunde werde 40 Gerichte zubereitet.
Er ist nicht so allumfassend wie eine ganze Roboterküche, aber dennoch ein hilfreiches Gerät, um Personal und Zeit zu sparen: der 3D-Drucker. Es gibt verschiedene Geräte auf dem Markt. Das Modell von Byflow ist auf den Druck von Schokolade spezialisiert. Bei der Auswahl des Motivs sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. In nur drei Schritten kann man ein Motiv auswählen, bei Bedarf anpassen oder komplett selbst erstellen. Das Gerät funktioniert gemäss Byflow am besten mit Premiumschokoladen-Drops, welche automatisch temperiert werden. Der 3D-Drucker kann drei grosse oder 30 kleine Formen pro Tag drucken und eignet sich besonders dafür, um beispielsweise in Confiserien personalisierte oder saisonale Artikel herzustellen oder zu verzieren.
HGZ: Thomas Nussbaumer, wie schätzen Sie als Präsident des Schweizer Kochverbands das Potenzial von Robotern in der Küche ein?
Zunächst stellt sich die Frage, wo ein Kochroboter beginnt und wo intelligente Geräte aufhören. Dass Maschinen einen Teil der Aufgaben –vor allem repetitive Routinetätigkeiten – übernehmen, ist ja bereits in den meisten Küchen Alltag. Dieses Potenzial ist sicherlich gross. Auch im Bereich Lagern, Haltbarkeitsdaten und Prozesseinhaltung sehe ich viele Möglichkeiten. 3D-Drucker sind aktuell noch eine Attraktion im Restaurant und sind schon aufgrund dessen spannend. Die Anwendungsmöglichkeiten sind da und werden sich ganz sicher weiterentwickeln.
Wo sehen Sie die Einsatzmöglichkeiten?
Insbesondere bei repetitiven Arbeiten wie Rüsten, Schneiden oder Überwachen. Ich glaube, es kommt stark auf das Einsatzgebiet an. In einem industriellen Betrieb, der grosse Mengen herstellt, kann ich mir einen Roboter sehr gut vorstellen. In einem Landgasthof müssen Preis und Einsatzmöglichkeiten geprüft werden. Grenzen sehe ich dort, wo es darum geht, Gerichten eine persönliche Note zu verleihen, Rezepte zu entwickeln und auf Normabweichungen bei Lebensmitteln einzugehen. Das kann sich künftig aber ändern.
Trotz Roboter wird es also noch Fachkräfte brauchen?
Auf jeden Fall. Für individuelle Anpassungen bei Gerichten benötigt es Fachwissen und Erfahrung. Genauso wird es in Zukunft Fachleute brauchen, um kurzfristig zu reagieren, auch einmal kleine Mengen herzustellen und vor allem, um Freude und Leidenschaft auf den Teller zu bringen.
Thomas Nussbaumer ist Präsident des Schweizer Kochverbands. Er ist als Chefexperte für die Berufe Koch/Köchin EFZ und Küchenangestellte EBA im Kanton Basel-Landschaft tätig.