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Die Schweiz, ein ideales Reiseziel für queere Gäste

Diese Woche findet in Silvaplana/GR zum ersten Mal die Pride-Kulinarik-Wanderwoche statt. Sie ist nicht das einzige touristische Regenbogen-Angebot im Land. Doch braucht es heute überhaupt noch spezielle Angebote für die LGBTQ+-Community?

Unbeschwert und Hand in Hand mit dem Partner eine Stadt erkunden: Das ist für viele LGBTQ+-Menschen ein Erlebnis, das in ihren Heimatländern unmöglich ist. (Schweiz Tourismus)

Ja, es braucht sie! Darin sind sich Claudia Sabine Meier (siehe Interview) und Michelle Kirchhofer von Silvaplana Tourismus einig. Es sei wichtig, den Austausch innerhalb der LGBTQ+-Community zu fördern und einen geschützten Rahmen zu bieten, in dem Gleichgesinnte ihre Erfahrungen und Geschichten teilen können.

«Mit unserer Pride-Kulinarik-Wanderwoche bieten wir eine Plattform, auf der LGBTQ+-Menschen und alle, die sich mit ihnen verbunden fühlen, gemeinsam unterwegs sein können. Wo sie sich begegnen und rundum wohlfühlen», erklärt Michelle Kirchhofer.

Sichere Räume schaffen

Solche Räume sind nach wie vor wichtig und die Schweiz eignet sich gut dafür. «Die Schweiz stellt einen Gegenpol dar zu den Ländern, in denen Homosexualität verboten ist und Transsexualität offiziell gar nicht existiert», sagt Claudia Sabine Meier. Die Vorkämpferin für die Rechte von Transmenschen fügt an: «Wir haben den Luxus, uns mit Identität, Diversität und Akzeptanz befassen zu können, weil wir aktuell nicht um unser nacktes Überleben kämpfen müssen. Es wäre aber gefährlich, alles schönzureden und zu behaupten, wir bräuchten deshalb keine spezifischen LGBTQ+-Angebote mehr.»

Gemäss dem «Hate Crime»-Bericht der LGBTIQ-Helpline.ch hat sich alleine die Zahl der gemeldeten Übergriffe auf queere Menschen in der Schweiz im letzten Jahr mehr als verdoppelt. Die Fachstelle vermutet eine riesige Dunkelziffer. Trotz dieser bedenklichen Entwicklung ist die Schweiz für viele LGBTQ+-Menschen nach wie vor ein ideales Reiseland. Vor allem für Menschen, die in ihrer Heimat wegen ihrer Neigung verfolgt, verhaftet, gefoltert oder sogar getötet werden, wirkt die Schweiz wie das reinste Paradies.

Arosa hat Vorreiterrolle

Seit 2005 belebt Arosa/GR das Januargeschäft mit der Arosa Gay Ski Week. Inzwischen hat sich diese fest im Jahresprogramm etabliert und ist zum beliebtesten Ski-Pride-Festival Europas avanciert. Rund 900 LGBTQ+-Personen nehmen jeweils daran teil und bringen dem Ferienort 6300 Logier-nächte. Die nächste Arosa Gay Ski Week findet vom 17. bis 24. Januar 2026 statt. Auch Verbier/VS organisiert eine Snow Pride und zwar vom 4. bis 6. April 2026.

Stilvolle queere Hochzeiten

Den sicheren Rahmen, den unser Land LGBTQ+-Menschen bietet, wissen auch Hochzeitspaare zu schätzen. Felix Fay und Michael Zangger von der Swiss Queer Wedding Association (Sqwa.ch) bieten mit ihrem Verband eine Plattform für LGBTQ+-freundliche Dienstleistende und Lokalitäten aus der Schweizer Hochzeitsbranche. Im Laufe ihrer Arbeit haben die beiden festgestellt: «Bei ausländischen Paaren steht für die Wahl der Hochzeitslocation die Swissness im Vordergrund: Berge, Seen und Postkartenkulisse.» Einheimische LGBTQ+-Paare hingegen bevorzugen eher Orte, zu denen sie einen persönlichen emotionalen Bezug haben. Auch haben sie beobachtet, dass viele gastgewerbliche Betriebe inzwischen deutlich sensibler, offener und selbstverständlicher mit queeren Gästen umgehen als noch vor einigen Jahren. Trotzdem gebe es noch Luft nach oben. Gleichzeitig gebe es aber auch Häuser, die sich durch besondere Sensibilität und Professionalität im Umgang mit LGBTQ+-Gästen hervortun. Als gutes Vorbild nennt Felix Fay das Hotel The Dolder Grand in Zürich. Er begleitet über seine Agentur ein gleichgeschlechtliches Paar aus Florida, das im Dezember dort heiraten wird. Schon bei der ersten Besichtigung war das US-amerikanische Paar begeistert von der Selbstverständlichkeit und Offenheit, mit der es hier empfangen wurde. Felix Fay weiss: «Ein solches Vorgehen schafft Vertrauen und ein echtes Gefühl, willkommen zu sein. Genau das ist es, was sich queere Paare wünschen.»


«Wir möchten vor Ort ein Zeichen für Offenheit und Vielfalt setzen.»

Michelle Kirchhofer, Silvaplana Tourismus


Integriert, nicht separiert

Auf der Plattform Switzerland.com gibt es die Seite «LGBTQ+ Travel in der Schweiz» mit Infos zu LGBTQ+-Stadtführungen und -Events, queeren Hochzeiten und outnow-zertifizierten gayfriendly Hotels. Dennoch ist bei Schweiz Tourismus LGBTQ+ kein eigenes Marketing-Segment, weil es kurzsichtig sei, von einer einzigen, homogenen LGBTQ+-Community auszugehen. Diese Gäste seien bereits in bestehenden Personas wie zum Beispiel «Abenteurer», «Entspannte» oder «Geniesser» enthalten. Es braucht daher keine zentralen Marketingaktivitäten für diese Anspruchsgruppen, jedoch gibt es LGBTQ+-Aktivitäten für einzelne Märkte.

Claudia Sabine Meier, selber Teil der LGBTQ+-Community, bringt es auf den Punkt: «Überall dort, wo Diversität sichtbar und ganz selbstverständlich gelebt wird, fühlen sich Menschen wohl – egal, ob sie queer, hetero oder einfach nur Mensch sind.

(Riccarda Frei)


Mehr Informationen unter:

switzerland.com (Suchbegriff LGBTQ+)


«Es geht um Feinfühligkeit und nicht um exotische Sonderwünsche»

HGZ: Claudia Sabine Meier, Sie sind eine der bekanntesten Transfrauen im Land und setzen sich für die Akzeptanz und Rechte von LGBTQ+- Menschen ein. Bis 2012 haben Sie das Resorthotel Schwefelberg-Bad in Rüschegg/BE geführt. Was halten Sie als ehemalige Gastgeberin von touristischen Angeboten für die LGBTQ+-Community?

Ich finde solche Angebote spannend. Sie stärken die Community und schaffen Sichtbarkeit. Gleichzeitig denke ich aber auch: Eigentlich sollte es keine solchen Sonderangebote mehr brauchen. Gastfreundschaft müsste für alle ganz selbstverständlich inklusive sein. Trotzdem haben Events wie die Gay Ski Week in Arosa ihren Wert. Sie sind bunt, fröhlich und geben gerade jenen Menschen einen sicheren Raum, die noch Hemmungen haben, sich zu zeigen, wie sie sind. Auch ich genoss diesen Schutz der gewählten Anonymität, als ich im Alltag noch die Rolle «Andreas Meier» leben und eine Schutzmauer aufrechterhalten musste.

Das Schweizer Gastgewerbe gilt als tolerant und integrativ. Wie schätzen Sie die Situation von transsexuellen oder queeren Gästen und Mitarbeitenden ein?

Das Gastgewerbe war schon immer ein bunter Haufen. LGBTQ+-Menschen sind aber noch nicht gleich-gestellt. Oft fehlt es an der Selbstverständlichkeit: ein korrektes Pronomen, ein respektvoller Blick, ein unaufgeregtes Willkommen. Ich bin der Meinung: Integration gelingt, wo Führungskräfte selber offen auftreten und Diversität als Chance verstehen. Wo das nicht passiert, spürt man schnell Unsicherheit oder sogar Ablehnung.

Haben Sie das auch erlebt?

Ja. Zum Beispiel bei einer grossen Firma, die schweizweit Restaurants betreibt und einen Regionalmanager suchte. Nach langem Ringen um Ehrlichkeit meinte der HR-Chef: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie als Frau gleich belastbar sind wie früher als Mann.» Gerade bei der Stellensuche merkt man, wie tief die Stigmatisierung noch sitzt. Es hilft, wenn man mit einer Portion Humor und Gelassenheit damit umgeht, sonst glaubt man irgendwann selber noch, ein exotisches Wesen zu sein. Dabei will man doch einfach nur arbeiten und willkommen sein.

Wie sieht es auf der Gästeseite aus? Haben LGBTQ+-Gäste andere Bedürfnisse als heterosexuelle und wenn ja, welche?

Die Grundbedürfnisse sind identisch: willkommen sein, sich wohlfühlen, guten Service erleben. Der Unterschied liegt im «Wie»: Queere Gäste achten stärker darauf, ob sie ernst genommen werden. Im Gegensatz zu heterosexuellen Paaren wurden wir alle schon fragend angeschaut, als wir ein Doppelbett verlangten. Es geht nicht um exotische Sonderwünsche, sondern um Feinfühligkeit und manchmal auch um Humor. Ich leite mit meiner Partnerin in Hergiswil/NW eine Tauchschule. Bei uns steht auf der Toilettentüre «Divers» mit einem Taucher-Symbol. Das nimmt Schärfe und zeigt gleichzeitig Haltung.


«Gastgeber sollen nicht kompliziert tun und Normalität herstellen, wo Unsicherheit herrscht.»


Was könnten Gastgeber in Bezug auf den Umgang mit LGBTQ+- Gästen und -Mitarbeitenden besser machen?

Das ist einfach: Normalität herstellen, wo bisher Unsicherheit war. Ausserdem sollten sie nicht kompliziert tun und alles in Schubladen zwängen wollen.

Wie könnte das im Alltag aussehen? Haben Sie ein paar Tipps für uns?

Gastgeber sollten die Umkleideräume und Toiletten geschlechtsneutral planen und die Saunaregeln flexibilisieren. In der Kommunikation sollten sie auf das «Sehr geehrte Damen und Herren» verzichten und stattdessen ein inklusives «Grüezi mitenand» verwenden. Bei Stelleninseraten gilt, die Diversität nicht nur im Titel und im Kleingedruckten zu erwähnen, sondern sie zu leben. Auch sollte man die Diversität nicht zelebrieren, nur um Quoten zu erfüllen, das geht garantiert schief. Generell kann man sich fragen: Warum braucht es überhaupt Geschlechterangaben m/w/d oder x, wenn alle angesprochen werden sollen?

Gibt es Dinge, die Gastgeber unbedingt unterlassen sollten?

Peinliche Betonungen. Nichts ist schlimmer als ein Gastgeber, der sagt: «Bei uns sind auch Transmenschen und Homosexuelle willkommen – und dabei stolz guckt wie ein Pfau. Sie sollten bitte keinen Sonderzirkus veranstalten, sondern den Gästen mit Respekt auf Augenhöhe begegnen. Was überhaupt nicht geht sind Schubladenfragen wie: «Und was waren Sie früher?»

Können Sie sich vorstellen, selber wieder ins Gastgewerbe zurückzukehren?

Ich habe der Gastronomie viele Jahre gedient. Zuletzt führte ich zwölf Jahre lang das Resorthotel Schwefelberg-Bad in Rüschegg/BE. Das war intensiv, schön und auch kräftezehrend. Heute leite ich mit viel Herzblut die Firma «Tauchsport Nidwalden». Meine Elemente sind Wasser, Tiefe und Freiheit. In die klassische Hotellerie gehe ich wohl kaum zurück. Aber wer weiss: Wenn ich irgendwann ein Tauch-Resort am Vierwaldstättersee eröffnen könnte, dann überlege ich mir das noch mal.

(Riccarda Frei)


Buchtipp

In «Oh Mann, Frau Meier» erzählt Claudia Sabine Meier mit gesunder Selbstironie, Humor und Tiefgang über ihr bewegtes Leben sowie ihren Kampf für die Rechte von Transmenschen.

Münster Verlag
320 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-905896-82-4


Zahlen und Fakten

22 Prozent der für eine Studie (siehe Box unten) befragten LGBTQ+-Personen gaben an, in den letzten zwölf Monaten in einem Café, Restaurant, Nachtclub oder einer Bar diskriminiert worden zu sein. 20 Prozent wurden durch Personal im Gesundheitswesen und 18 Prozent an ihrer Arbeitsstelle diskriminiert.

Die Hälfte der Befragten wurde im vergangenen Jahr verbal angegriffen oder bedroht.

Jede vierte queere Person in der Schweiz hat in den letzten fünf Jahren mindestens einmal körperliche Gewalt oder sexuelle Übergriffe erlebt. Dies meist von Einzelpersonen. In 87 Prozent der Fälle war der Täter männlich.

37 Prozent der von Gewalt betroffenen LGBTQ+-Menschen hatten danach psychische Probleme. Sechs Prozent mussten nach dem Angriff medizinisch behandelt werden und 24 Prozent hatten Angst, das Haus zu verlassen oder irgendwohin zu gehen.

Am Arbeitsplatz gehen nur 32 Prozent offen damit um, dass sie LGBTQ+ sind.

35 Prozent zeigen aus Angst im Café, Restaurant oder Club nicht, dass sie LGBTQ+ sind. Am Arbeitsplatz sind es 30 Prozent und an öffentlichen Orten 61 Prozent.

Die Zahlen und Fakten stammen aus einer gfs.bern-Studie, die im Auftrag von Amnesty International Schweiz erstellt wurde. Für die im November 2024 publizierte repräsentative Studie wurden 1005 Personen ab 16 Jahren befragt. Weitere 1007 LGBTQ+- Personen nahmen an einer Communitybefragung teil, die online durchgeführt wurde. Der Begriff LGBTQ+ steht für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer und alle weiteren Identitäten.