Fertig mit Fusel, aufhören mit billigem Zeugs aus dem Ausland. Jetzt sind hochwertige Schweizer Brände gesucht. Wo es die gibt und was die Barszene damit macht, lesen Sie hier.
Destillate und Edelbrände aus Schweizer Produktion sind im Aufwind. «Die zunehmende Wertschätzung regionaler Produkte hilft auch uns Brennern», sagt Toni Schürch, Inhaber der Amstutz Manufaktur im luzernischen Rothenburg. «Die Konsumenten wollen wissen, woher ihre Produkte stammen und wie diese hergestellt werden.» Der Umsatz mit traditionellem Kirsch und Pflümli sei in den vergangenen Jahren gestiegen. Am liebsten würden die Kunden bei ihrem Einkauf auch gleich die Brennerei besichtigen. Noch ist der enge Produktionsraum nicht besonders attraktiv. Das wird sich ändern. «In der benachbarten Scheune werden wir eine Schaubrennerei und einen Empfangsraum einrichten», sagt Toni Schürch. «Unsere prämierten Destillate wie den Siegerkirsch am Swiss Spirits Award, wollen wir in einem passenden Rahmen präsentieren können», ergänzt er.
Einer, der die Grundsätze des Destillierens auf die Spitze treibt, ist Christian Orator, Inhaber der gleichnamigen Brennerei in Pfungen/ZH und Newcomer des Jahres beim Swiss Spirits Award. Das Schwierigste sei, an Top-Rohstoffe zu kommen. So lässt er die Williamsbirnen nach der Lieferung einige Tage nachreifen. Dabei wird jede Birne zwei- bis dreimal in die Hand genommen, gedreht und auf schadhafte Stellen untersucht. Was den Qualitätsansprüchen von Christian Orator nicht entspricht, landet in der Biogastonne. Dann werden die Birnen gewaschen und entsaftet. Kerngehäuse und Stiele kommen bei ihm nicht in den Gärtank. «Im Stahltank kühle ich den Most auf unter 15 Grad Celsius», sagt der Brenner aus Leidenschaft. «Bei dieser Temperatur arbeiten unerwünschte Mikroorganismen nicht mehr. Die Hefen, die den Zucker in Alkohol umwandeln, sind aber schon ab acht Grad aktiv.» Wie beim Wein entstehen die Aromen bei der Gärung. Die anschliessende Destillation ist nur ein Trennprozess und der erzeugt keinen Geschmack. Dennoch hat das Brennen einen wichtigen Einfluss auf das spätere Destillat. «Wir brennen ganz sachte und bei eher tiefen Temperaturen. Bei 56 Grad Celsius verdampft erst das giftige Aceton, ein wesentlicher Teil des Vorlaufs. Da wollen wir noch keine Fruchtaromen dabei haben. Ab 78 Grad Celsius verdampft das Ethanol, der reine Alkohol. Dieser trägt die Aromen», erklärt Orator. Sobald das klare Destillat nicht mehr duftet, beginnt der Nachlauf mit muffigen Fuselalkoholen. Vor- und Nachlauf werden bei ihm entsorgt.
Darauf folgt das lange Warten. «Wir reifen und klären die hochprozentigen Destillate während mindestens zehn Monaten. Dabei verbinden sich Fruchtsäuren mit dem Alkohol und bilden Ester, wichtige Geschmacksgeber. Beim Herabsetzen des Destillates mit entmineralisiertem Wasser auf Trinkstärke entsteht als Nebenprodukt ein milchiges und hoch aromatisches Öl, das Köche gern zum Marinieren von Fisch oder Fleisch verwenden», erklärt Christian Orator. Das Klären könne man zwar mit einer Filtration beschleunigen. Diese würde dem Destillat aber auch Aromen für Fülle entziehen. «Meine Destillate geben mir recht, dass ich mir diese Zeit nehme.»
Der unumstrittene Star in Orators Sortiment ist sein Himbeergeist. Zwei Kilo handgelesene vollreife Himbeeren stecken in jeder 50-cl-Flasche. «Damit bin ich aber noch nicht am Ziel», sagt Christian Orator. «Ich experimentiere gerne an der Grenze des Ertragbaren. Demnächst setze ich einen Geist mit vier Kilo Himbeeren pro Flasche an.»
Christian Orator hat auch ein Chilidestillat und einen Pfeffergeist im Angebot, die mit Tomatensaft und einem Stengel Zitronengras eine hervorragende Bloody Mary ergeben. Solche speziellen Destillate sind in der Barszene angesagt. David Trüb, ambitionierter Barkeeper im Zürcher Café Grande, wurde auf der Suche nach spannenden Schweizer Spirituosen neulich in Graubünden fündig. «Die Vielfalt und die Qualität haben mich komplett verblüfft», gesteht der gebürtige Frauenfelder. In der Destillerie Lipp in Maienfeld, die am Swiss Spirits Award mit dem Bianco Grande Marc den zweiten Platz erreichte, verliebte sich Trüb in den Fenchelschnaps und ins präzise, innovative Handwerk von Reto Lipp.
In Malans kam David Trüb in den Genuss des Gin Nr. 3 von Marco Fromm. Der Sohn des Top-Winzers Georg Fromm kreierte diesen London Dry mit Botanicals aus dem eigenen Garten. David Trüb: «Der Wacholder dringt in der Nase klar durch, hinzu kommen zitrische und blumige Noten. Im Gaumen ist er sehr angenehm – ich bin begeistert.» Begeistert war Trüb auch von Johann Baptista von Tscharners Marc, der 20 Jahre im Eichenfass reifte. Trübs Fazit: «Schlicht Weltklasse! Wer auf der Suche nach Spezialitäten ist, muss nicht weit suchen. Die Schweiz steckt voller unbekannter Perlen.»
(Gabriel Tinguely und Benny Epstein)