Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

Kaviar aus dem Stadtbus

Mit Sterneküche Geld zu verdienen, das schaffen nicht viele. Christian Kuchler vom «Schäfli» bleibt nichts anderes übrig – er ist selbständig. Das zwingt ihn, mutig neue Wege zu gehen. Oder zu fahren.

  • Christian Kuchler ist Gastgeber im «Schäfli» in Wigoltingen/TG. Und im «Black Sheep», seiner Küche auf Rädern. (Bilder Andrea Stalder)
  • Profi-Küche im Frauenfelder Stadtbus: Christian Kuchlers «Black Sheep» ist unter anderem mit zwei Pizzaöfen, einem Grill und einem Salamander ausgestattet.

Street Food auf Sterneniveau – Christian Kuchler macht es möglich. Die Idee entstand vor zwei Jahren. Der Ostschweizer Spitzenkoch schlenderte durch den Street Food Market in Kopenhagen. Rund 40 Essstände lockten von Mai 2014 bis zur Schliessung des Provisoriums Ende 2017 ein breites Millionenpublikum ins ehemalige Papierlager am Hafen der dänischen Metropole. Jung und Alt, Einheimische und Touristen, wählten dort zwischen lokalen Seafood-Häppchen, koreanischen Spiess- chen, marokkanischen Oliven, neapolitanischer Pizza, kolumbianischer Kochbanane oder scharfen, nordafrikanischen Würsten. Dazu trank man Bier aus aller Welt und liess sich von den Klängen des DJs berieseln.

«Es öffnete mir die Augen», erinnert sich Christian Kuchler. «Street Food auf so hohem Niveau – das hatte ich zuvor noch nie erlebt.» Street Food, wie er es zuvor kannte, lebte meist fast nur von der Atmosphäre. Ein Festival, hübsch dekoriert, hippe Food Trucks. Aber die Qualität der Speisen liess oft zu wünschen übrig. «Jeder findet Street Food cool. Wieso also nicht richtig gutes Essen aus einem Bus servieren?», fragte sich Christian Kuchler und stürzte sich in die Planung. Sie dauerte fast zwei Jahre lang. Zeit, die der Küchenchef des «Schäfli» im thurgauischen Wigoltingen eigentlich gar nicht besass.

Vor bald vier Jahren übergab ihm sein Vater Wolfgang die Leitung des Restaurants, dessen französische Küche (ein Michelin-Stern und 18 Gault-Millau-Punkte) er während  über 30 Jahren voller Leidenschaft geführt hatte. Ehe Sohn Christian Kuchler den Kochlöffel übernahm, liess er die Küche umbauen. Kosten: 1,5 Millionen Franken. Zudem eröffnete er neben dem Gourmetrestaurant eine Bar mit Raucherlounge, um neues Publikum anzulocken. Planen, umbauen, Vaters Spitzenküche übernehmen und seinen eigenen Stempel aufdrücken – und nebenbei noch einen Food Truck entwickeln? «Mir wurde nie langweilig», bestätigt Christian Kuchler lachend.

18 Punkte, zwei Sterne, kein Sponsor

Weshalb liess er die Street-Food-Idee nicht erst mal ruhen? «Weil ich Geld verdienen muss», erklärt der 33-Jährige ohne romantische Umschweife. «Ich habe keinen Mäzen und keinen Sponsor und muss jeden Monat die Rechnungen begleichen.» Projekte wie die Bar oder der Food Truck machen das unabhängige Führen des Gourmetbetriebs, der mittlerweile wieder mit 18 Punkten, aber nun sogar mit zwei Sternen ausgezeichnet ist, erst möglich.

«Als Unternehmer muss man stets am Ball bleiben, sich spezialisieren und etwas ausprobieren, das es noch nicht gibt», meint Christian Kuchler. «Die Idee: Zum Überleben müssen wir ein breites Klientel ansprechen. Und da mein Restaurant im Niemandsland ist, müssen halt wir zu den Leuten gehen, wenn sie nicht zu uns kommen. Der Food Truck war die Lösung.»

Christian Kuchler kaufte sich also einen ehemaligen Frauenfelder Stadtbus, der mittlerweile in Privatbesitz war. Dessen Umbau sowie das Marketing kosteten mehrere hunderttausend Franken. Die Küche im Bus ist sechs Meter lang, wiegt 6,5 Tonnen und ist fast wie eine Restaurantküche ausgestattet: Grill, Grillplatte, zwei Pizzaöfen, zwei Herdplatten, ein Salamander, ein Pacojet, ein Tiefkühler, eine Kühlschublade – einzig ein Heissluftdämpfer fehlt. Die massgefertigten Elemente stammen von diversen Herstellern. Die monatlichen Unterhaltskosten betragen 1000 bis 1500 Franken. Christian Kuchler: «Ich hoffe, dass wir die Investitionskosten in fünf Jahren refinanziert haben und dann Geld für schwere Zeiten auf die Seite legen können.»

Seit März dieses Jahres ist der «Schäfli»-Koch mit seinem schwarz folierten Food Truck, der auf den Namen «Black Sheep», schwarzes Schaf, getauft wurde, unterwegs. Der Truck dient indes nicht für herkömmliche Food-Festivals, sondern wird von Firmen oder Privatpersonen gebucht. Bereits wurden mehr als 30 Anlässe durchgeführt.

Unbeliebter Flammkuchen, heiss begehrter Hotdog mit Kaviar

Hotdogs, Würste, Wraps, Steaks, Seafood – die Menükarte des «Black Sheep» ist vier Seiten lang. Wer ein Event bucht, wählt für sein Publikum Gerichte von einer vierseitigen Menükarte. «Die Karte wird demnächst zusammengekürzt», sagt Christian Kuchler. «Sie ist viel zu lang. Wir wissen nun genauer, was unsere Gäste wollen und was nicht.» So wurde noch nie ein Flammkuchen bestellt, während die Nachfrage für Burger und Hotdogs am grössten sei. Letztere gäbe es auch in der beliebten Spezialvariante mit Kaviar. Gut laufen auch Salate, Asia Beef und Panzanella. «Auf  Wunsch machen wir auch Rib Eye und Porterhouse-Steak.»

Und wer bucht denn einen Spitzenkoch im Bus? «Privatbanken, Autoausstellungen, Firmen mit Personalausflügen, Geburtstagsveranstalter», zählt Christian Kuchler auf. Anlässe von 25 bis 400 Personen. «Wir wurden auch schon von der Armee zur Kaserne in Brugg gebucht, wo wir die Rekruten zum Abschluss der Rekrutenschule verwöhnen durften.»

Die grösste Herausforderung sei das Einsetzen von Personal. «Wir sind ein kleiner, laufender Betrieb mit nur drei Köchen. Pro Anlass sind ein Koch und eine Aushilfe dabei.» An vermeintlich freien Tagen erklärt Christian Kuchler die Food-Truck-Events gar zur Chefsache. «Die nächsten drei Sonntage bin ich im Bus unterwegs.»

Zwar ist der Bus mit einer professionellen Küche ausgestattet. Dennoch geschieht der grösste Teil der Arbeit in der Restaurantküche im «Schäfli». «Die Patties etwa werden im Restaurant zubereitet. Im Truck braten wir sie dann nach der gewünschten Garstufe des Gastes.»

Macht Christian Kuchler Street Food auf Sterneniveau oder nicht?

Den Burger gibt es für 14, den Hotdog für 7.90 Franken. 10 Gramm Kaviar obendrauf kriegt man für 29 Franken. Wer den Truck bucht, sei oftmals überrascht von den moderaten Preisen, zumal ein Zweisternechef hinter dem Namen steckt. Doch kriegt der Gast denn auch Zweisterne-Burger aus dem Bus serviert? «Das kann man so nicht sagen», glaubt Christian Kuchler. «Zu den zwei Sternen gehören der perfekte Service, das passende Weinglas und manche Gerichte, die wir im Bus nicht zubereiten können und auch nicht wollen.» Bei den «Black Sheep»-Events gibt es hingegen kein Weissweinglas und keinen so persönlichen Service wie im Restaurant.

Viel mehr gehe es darum, dass Street Food hierzulande auf ein neues Level gehievt wird. In unkomplizierter, lässiger Atmosphäre sollen beste Produkte gegessen werden. Manche mit Messer und Gabel, manche mit blossen Händen. Das Bisserlebnis, so nennt es Christian Kuchler, sei entscheidend. Also jener schöne Moment, in dem man beim Biss in den Hotdog weiches Brot, fleischige Wurst, saftige Tomate, saure Gurke, knusprig frittierte Kartoffel und blumige Currysauce wahrnimmt. Ein seltenes Erlebnis.

Sollten künftig weitere Gastronomen und Standbetreiber auf den Zug respektive auf den Bus aufspringen – als eifriger Verfechter der kompromisslosen Spitzenküche würde sich Christian Kuchler über erfolgreiche Nachahmer freuen.

(Benny Epstein)