Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

Maurus Ebneter: «Es braucht ein Rettungspaket»

Der Präsident des Wirteverbands Basel-Stadt über Mietreduktionen, die Idee einer Senkung des Mehrwertsteuersatzes und seine Haltung zum L-GAV.

Maurus Ebneter. (ZVG)

Maurus Ebneter, noch ist kein Ende des gastronomischen Lockdowns in Sicht. Wie hat der Wirteverband Basel-Stadt letzte Woche den Noch-Nicht-Entscheid des Bundesrats aufgenommen?
Maurus Ebneter: Wie die Gastronomen und Hoteliers überall in der Schweiz: Die Stimmung ist auf einem absoluten Tiefpunkt. Bei fortschreitender Unsicherheit überlegen sich immer mehr gastgewerbliche Unternehmer, ob sie die Reissleine ziehen sollen – nach dem Motto «lieber ein Ende mit Schrecken».

Gastrosuisse und Hotelleriesuisse unterbreiteten dem Bundesrat diverse Vorschläge, etwa Verzicht auf Buffets und den Einsatz von Service-Wagen, um physische Kontakte zu vermeiden. Ist das zu wenig konkret?
Die gastgewerblichen Verbände haben Bundesrat Bersets umfassenden Vorschläge für Standards und Normen unterbreitet, bis hin zu Detailfragen wie Garderobe und Wellnessbereichen. In Österreich reden sie von einem Meter Abstand, in Deutschland von anderthalb Metern, bei uns von zwei Metern. Seien wir ehrlich: Zwei Meter sind vielerorts nicht praktikabel. Zum Geschäftsmodell gastgewerblicher Betriebe gehört die Nähe zum Gast und die Nähe der Menschen untereinander. Es wird viele geben, die strenge Auflagen nicht umsetzen können oder wollen. Vor allem Clubs werden wohl noch lange geschlossen bleiben. Social Distancing auf der Tanzfläche funktioniert nun einmal nicht.

Zweifelt der Bundesrat an den Vorschlägen der Verbände?
Er zweifelt daran, dass sie von genügend vielen Betrieben eingehalten werden. Der Bund ist zu weit weg: Es wäre besser, wenige klare Regeln zu definieren und dann lokale Behörden mit der Umsetzung zu beauftragen. So würde man individuellen Verhältnissen gerecht. Ich zähle auf die Verantwortung der Unternehmer und Mitarbeiter, auf die Eigenverantwortung der Gäste sowie auf den schweizerischen Pragmatismus.

Die Wut in der Branche ist gross. Gastro Zürich City forderte seine Mitglieder auf, keine Mieten zu zahlen. Ihre Meinung dazu?
Die Wut verstehe ich. Die Mietzahlungen zu verweigern ist jedoch gefährlich, ausser man schliesst den Betrieb dauerhaft. Es kann nicht sein, dass wir die volle Miete bezahlen müssen für Objekte, die wir während Monaten gar nicht nutzen können. Die Miete ist in den meisten Betrieben der höchste ungedeckte Kostenblock. Es wird matchentscheidend sein, hier eine Lösung zu finden. Der Druck auf die Politik nimmt zu. Die Vermieter sind in die Pflicht zu nehmen und der Bund muss als «Verursacher» auch seinen Beitrag leisten.  

Wie lange wird es dauern, bis in der Gastronomie und Hotellerie wieder von einem Normalzustand gesprochen werden kann?
Die Zeit nach dem Lockdown ist gefährlich. Mit reduziertem Betrieb und nach wie vor mit Kurzarbeit wird es für viele Betriebe aber möglich sein, wenigstens Deckungsbeiträge an die Fixkosten zu erzielen. Solange kein Impfstoff da ist, wird es schwierig bleiben. Die touristische Nachfrage wird sich bestenfalls 2021 normalisieren, vielleicht auch erst Jahre später.

Braucht es ein Konjunkturprogramm für die Branche?
Das Gastgewerbe kann aus eigener Kraft nicht aus dieser Krise finden. Wir brauchen dringend Massnahmen, die Perspektiven eröffnen und Mut machen. Ohne ein umfassendes Rettungspaket wird tausenden von kleinen, mittleren und grossen Gastbetrieben schon bald die Luft ausgehen. Ganze touristische Strukturen werden zerstört. Die Vielfalt unserer schönen Branche steht auf dem Spiel, was gravierende Folgen für das soziale und kulturelle Leben haben wird. Unzählige Arbeits- und Ausbildungsplätze werden vernichtet.

Was muss konkret passieren?
Zunächst müssen die Lücken bei der Kurzarbeit geschlossen werden, vor allem die Pensionskassenbeiträge und die viel zu tiefe Pauschale für mitarbeitende Inhaber. Auch über Ferienkürzungen müssen wir nachdenken. Zudem braucht es einen Entschädigungsfonds für das Gastgewerbe. Es gibt keinerlei Zukunftshoffnung, wenn es nur mit einer hohen Verschuldung möglich ist, aus der Krise herauszukommen. Unüberblickbare Schuldenberge lähmen jegliche Innovationsfreude und Investitionsfähigkeit. Andere Branchen wie die Landwirtschaft hätten direkte Finanzhilfe in weit weniger dramatischen Situationen schon lange erhalten!

Runter mit der Mehrwertsteuer? Oder diese für zwei Jahre ganz abschaffen?
Das Gastgewerbe wird noch lange Mühe haben, kostendeckend zu arbeiten. In vielen Betrieben wird weiterer Schaden entstehen. Dieser Gefahr kann nur begegnet werden, indem gastgewerbliche Leistungen für mindestens zwei Jahre einer stark reduzierten Mehrwertsteuer unterliegen. Am besten wäre ein Steuersatz von Null mit der Möglichkeit, Vorsteuerabzüge weiterhin geltend zu machen. Das würde helfen, dringend nötige Investitionen zu tätigen, Kredite zu tilgen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Er wäre auch beschäftigungspolitisch richtig, sind doch Mehrwertsteuern in personalintensiven Branchen nichts anderes als eine Steuer auf Arbeit.

Noch ein Wort zu den Mitarbeiterlöhnen. Wie stark werden diese unter Druck kommen?
Es wäre naiv anzunehmen, dass die Wirtschaftskrise und die hohe Arbeitslosigkeit keinen Druck auf die Löhne erzeugen werden. Die Betriebe werden aber versuchen, die guten und treuen Leuten zu halten. Hilfskräfte mit sehr geringer Erfahrung und Qualifizierung werden unter die Räder kommen. Die Mindestlöhne in diesem untersten Bereich sind im Verhältnis zur Produktivität jetzt schon zu hoch.

Bleibt der L-GAV wichtig für die Branche?
Der soziale Frieden ist wichtig und wertvoll. Der L-GAV kommt nicht in erster Linie wegen der aktuellen Krise unter Druck, sondern weil die Unia eine fiese Doppelstrategie betreibt. Gesamtarbeitsverträge sind austarierte Pakete, bei denen es nicht nur um die Löhne geht. Mit kantonalen Initiativen, die wie in Genf und Basel staatliche Mindestlöhne von 23 Franken anstreben, wird die Sozialpartnerschaft untergraben. Damit würden gerade die Chancen von Geringqualifizierten, die diese Initiativen zu schützen vorgeben, sabotiert. Den Fünfer und das Weggli wird es nicht geben!

(Interview Jörg Ruppelt)


Zur Person

Maurus Ebneter ist seit 20 Jahren freischaffend im Auftrag von gastgewerblichen Unternehmen und Verbänden tätig. Der 57-Jährige stammt aus einer Appenzeller Unternehmerfamilie und absolvierte die SHL Schweizerische Hotelfachschule Luzern. Von 1988 bis 2000 war er Inhaber von verschiedenen Gastrobetrieben.

www.avantgastro.ch