Jeder muss gewinnbringend wirtschaften. Das ist klar. Doch wie er das tut, wird immer mehr zum Thema. Ethisches Handeln entwickelt sich von der Kür zur Pflicht.
Heute wollen immer mehr Gäste nicht nur wissen, woher ihr Essen kommt, sondern auch, unter welchen Bedingungen es hergestellt wurde. Hatten die Tiere Auslauf? Wurden die Kaffeebauern fair entlöhnt? Wurde die baumwollene Bettwäsche unter umweltschonenden und menschenwürdigen Bedingungen hergestellt?
Ja, die Ethik hat Einzug in die Hotellerie und Gastronomie gehalten, und kaum einer nennt sie beim Namen. Geniessen ja, aber sehr gerne mit gutem Gewissen. So wachsen Stiftungen wie Myclimate rasant. Diese machen es möglich, den CO₂-Ausstoss, welcher durch Flugreisen oder Tage auf der Piste verursacht wird, auszugleichen. Die Nachfrage nach der Kompensation über den Online-Klimarechner, wo jeder seinen individuellen Verbrauch ausgleichen kann, hat sich während der ersten drei Monate dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht. Slow-Food-Märkte werden überrannt und vegane Gerichte werden nicht nur von Yogis oder Menschen, die unter Intoleranzen leiden, bestellt. Nein, das gute Gewissen spielt dabei eine zentrale Rolle. Die Anzahl Unternehmen, die nach ethischen Grundsätzen agieren, wächst. So auch in unserer Branche.
So nutzte die Vereinigung von Hotels und Spitzenrestaurants Relais & Châteaux (R & C) den Tag des Meeres der Vereinten Nationen am 8. Juni, um das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Überfischung gefährdeter Fischarten zu sensibilisieren. Unter dem Motto «Fish Unknown» setzten die Köche der Vereinigung weniger bekannte Fischarten, die zwar reichlich vorhanden sind, jedoch kaum serviert werden, auf die Menus der Mitgliedshäuser.
Weltweit nahmen 212 Spitzenköche von R & C aus 44 Ländern an der Sensibilisierungskampagne teil. In der Schweiz beteiligte sich unter anderen Stéphane Décotterd vom Restaurant Le Pont de Brent/VD. Trüsche aus dem Genfersee stand bei ihm auf der Karte – für ihn nichts Besonderes. Der Spitzenkoch hat seine Küche in den vergangenen drei Jahren komplett auf lokale und regionale Produkte umgestellt. Dabei stellte er fest, dass dies problemlos möglich ist. «Meine Küche ist heute kostbarer und menschlicher.»
Seit Ende 2018 engagiert sich R & C mit Slow Food für gutes, reines und fair produziertes Essen. Mit dem Projekt «Food for Chance» setzen sich die Chefköche der Betriebe gemeinsam gegen den Klimawandel und für den Erhalt biologischer Vielfalt ein. Mit Slow Food sollen umweltfreundliche Betriebe der lokalen Wirtschaft gestärkt, faire Arbeitsbedingungen für alle Akteure der Produktionskette geschaffen und das kulturell-kulinarische Erbe geschützt werden.
«Neben dieser Kampagne und den Aktionen zum World Oceans Day setzt sich R & C generell für Nachhaltigkeit und Biodiversität ein und fördert den Öko-Tourismus», so Jan Stiller, Vorsitzender R & C Schweiz und Liechtenstein sowie Direktor des Hotels Lenkerhof. 2017 unterschrieb der Koch und Vize-Präsident von R & C, Olivier Roellinger, einen offenen Brief an Bayer-Monsanto «gegen die Invasion der Agrochemie im Essen». Damit löste er eine Bewegung unter 18 000 Köchen in Frankreich aus. Weiter setzte sich R & C gegen Elektrofischerei in Europa und gegen das Bienensterben ein. «Uns ist es ein Anliegen, die Ressourcen für die nächsten Generationen zu schützen. Wir haben Ressourcen und Power, um etwas zu bewegen. Sterneköche sind Trendsetter, haben eine Vorbildrolle. Sie können das Konsumverhalten der Gäste beeinflussen.»
Seit Anfang 2018 sind vierzig Köchinnen und Köche der «Allianz der Köche» von Slow Food Schweiz beigetreten. Sie verstärken ein internationales Netzwerk von rund 1000 Gastronomen. Hauptziele dieses Projekts sind der Schutz des kulinarischen Erbes und des handwerklichen Könnens. Die Gastronomie unterstützt diese, indem sie vom Verschwinden bedrohte Produkte von Kleinproduzenten und Bauern der Region verwendet, die unter fairen Bedingungen produzieren. Köche der Allianz sind allgemein am lokalen Terroir interessiert und arbeiten vorrangig mit regionalen Produkten, die ethisch hergestellt worden sind.
«Gastronomiekultur fängt mit dem Einkaufen an», weiss Tanja Buesser vom Restaurant Schäfli in Uznach/SG. Sie ist Mitglied der Allianz der Köche. «Wir und unsere Gäste wollen wissen, wie und von wem unsere Lebensmittel hergestellt werden. Ich arbeite nur mit Produkten, hinter denen ich mit gutem Gewissen stehen kann. Gäste aus der ganzen Schweiz schätzen dieses Handeln.»
Doch ethisches Handeln geht über den Einkauf von Lebensmitteln, deren Verwertung und die Berücksichtigung verantwortungsvoller Produzenten hinaus. Auch der Mensch steht im Mittelpunkt. Besonders im Seminarhotel Lihn in Filzbach/GL. Dort sind Hotellerie und soziale Integration unter einem Dach vereint.
«Ethik ist der Grund, wieso wir unser Hotel betreiben», sagt Hoteldirektor Urs Brotschi. «Unsere Stiftung glaubt daran, dass es wichtig ist, Menschen zu helfen, die sonst weniger Chancen haben.» Im «Lihn» werden junge Menschen mit Beeinträchtigung ausgebildet und in den ersten Arbeitsmarkt integriert. Zudem besteht ein Therapieangebot für Menschen mit psychisch bedingten Krankheiten, mit leichten physischen Behinderungen und für Menschen mit Suchtmittelabhängigkeiten. Ethische Grundsätze werden im «Lihn» in allen Bereichen gepflegt. Das zahlt sich besonders im Bereich der Mitarbeiter aus: «Wer in seiner Arbeit einen Inhalt sieht, kommt motiviert zur Arbeit und bleibt länger. Wir müssen nie Stelleninserate schalten», so Brotschi.
Beim letzten Umbau hat er mit Handwerkern aus der Region zusammengearbeitet. «Die Zusammenarbeit hat einwandfrei funktioniert. Die Umsetzung des Umbaus war qualitativ hochwertig. Terminplan sowie Kostendach konnten eingehalten werden.» Können Menschen unter fairen Arbeitsbedingungen arbeiten, liefern sie gute Qualität.
(Sarah Sidler)
«Cause We Care»-Teilnehmer bieten ihren Gästen bei der Buchung einer Leistung oder dem Kauf eines Produkts die Möglichkeit, freiwillig
einen kleinen Beitrag in den Klimaschutz zu investieren. Mit der Hälfte dieses Beitrages werden die mit dem Produkt verbundenen klimaschädlichen Emissionen über Klimaschutzprojekte der Stiftung Myclimate ausgeglichen. Das Produkt oder die Dienstleistung wird klimaneutral. Im gleichen
Zug verdoppelt das anbietende Unternehmen bzw. die Destination den Beitrag und zahlt im selben Umfang in einen zweckgebundenen Fonds ein. Zusammen mit den verbliebenen Kundenbeiträgen werden aus dem Fonds Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsmassnahmen am Betriebsstandort finanziert.
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