Reine Bedürfnisbefriedigung, das war einmal. Heute braucht es mehr, damit ein Gastro- oder Hotelkonzept funktioniert.
Woran liegt es, dass sich Gäste in einem Restaurant, einer Bar, einem Hotel wohl fühlen? Darüber haben sich mit Sicherheit schon viele Gastronomen und Hoteliers den Kopf zerbrochen, deren Umsatzzahlen nicht ihren Vorstellungen entsprachen. Oder sie haben sich vielleicht einfach nur gefragt, warum das Restaurant oder die Bar um die Ecke immer so gut besetzt ist und ihres nicht.
Nun ja, ganz so einfach ist es halt nicht mit diesem Wohlfühlcharakter. Es braucht nicht zwingend multisensorische Erlebnisse, wie sie gewisse Spitzenköche und Gastronomen anbieten, aber den fünf Sinnen sollte zumindest ein wenig geschmeichelt werden. Aus einer Studie des Gottlieb Duttweiler Instituts, die hotelleriesuisse vor einigen Jahren in Auftrag gegeben hat, geht hervor, dass der Gast heute hohe Erwartungen hat. Er will unterhalten werden, will etwas Neues und Spannendes kennen lernen. Er ist gut informiert, reist viel, kocht gerne und wohnt ausgewählt. Der Gastronom muss also mehr tun, als nur Essen servieren und ein paar Bilder an die Wand hängen, um mitzuhalten.
Für einen erfolgreichen Auftritt ist gemäss Gastroconsultant Jürg Landert aus Zürich das Zusammenspiel von drei Kategorien notwendig, nämlich Food/Beverage, Raum/Aufenthalt sowie Dienstleistungen. Die Gewichtung sei dabei von Fall zu Fall unterschiedlich. Von zentraler Bedeutung ist jedoch eine gesamtheitliche Konzeptierung. «Man muss ‹Heart and Soul› im Ganzen spüren. Man muss erkennen, dass die Macher und Betreiber richtig viel Herzblut reingesteckt haben.»
Diesem Grundsatz folgen auch Franziska und Daniel Kessler aus Zürich, die sich auf Beratungsmandate für die Gastronomie und Hotellerie spezialisiert haben. «Es geht darum, Geschichten zu erzählen, persönlich zu sein, den Menschen mit Ehrlichkeit und Emotionen anzusprechen», so die Gestalterin. «Es braucht eine konkrete Idee und ein erkennbares Konzept, egal, in welcher Kategorie.» In engem Austausch mit ihren Kunden erarbeiten sie jeweils gemeinsam ein Gestaltungskonzept. Dabei steht immer der Mensch im Zentrum. «Für uns ist entscheidend, für wen wir planen, sowohl von der Betreiber- als auch von der Gästeseite her gesehen. Welche Bedürfnisse hat der Gast? Wie bewegt er sich im Hotel oder Restaurant? Was kann der Betreiber leisten? Zudem müsse man sich auch überlegen, wen man ansprechen wolle, um eine authentische Marketingstrategie entwickeln zu können. «Denn auf keinen Fall sollte man etwas versprechen, was man nachher im Alltag nicht halten kann», sagt Franziska Kessler.
Markus Muther, Gastrodesigner, der seit 15 Jahren zusammen mit seinem Geschäftspartner Ruedi Wüest das Unternehmen Barmade mit Sitz in Willisau führt, legt ebenfalls Wert auf Transparenz. «Es braucht ein Gesamtkonzept, das für den Gast nachvollziehbar ist. Von der Speisekarte über die Grafik bis hin zur Innenarchitektur.» Dabei sei ganz wichtig, dass es sich nicht um ein x-beliebiges Standardkonzept handle, sondern auf das Objekt zugeschnitten sei. «Das Konzept muss zum Ort, dem Gebäude und dem Zielpublikum passen. Dadurch entsteht eine eigene Identität. Das spürt der Gast.»
«Dank eines stimmigen Gesamtkonzeptes, einem durchdachten Lichtkonzept und einer ausgewogenen Akustik fühlen sich die Gäste in einem Lokal wohl und aufgehoben», sagt Markus Muther. Zu oft beobachtet der Luzerner, dass Gastronomen andere Konzepte kopieren oder ihre eigene Identität zu stark in den Fokus rücken und sich gar nicht überlegen, was denn zum Gebäude und den Gästen passen würde. Das mache die Gastronomie billig, langweilig und austauschbar.
Alles andere als austauschbar, ist das Konzept, das hinter dem Marktgasse Hotel in Zürich steckt. Kessler & Kessler haben das Gestaltungskonzept für das im letzten Herbst eröffnete Stadthotel in Zürich entwickelt. Dieses befindet sich in einem Altstadtensemble von drei historischen Häusern. Dabei stand für die beiden Gestalter von Anfang an fest, dass sie die alte Substanz der Häuser so belassen und das Hotel wie ein Privathaus konzipieren wollten. «Unsere Grundidee war, das Hotel zu einem Haus des Gastes zu machen. Wir wollen ihm das Gefühl vermitteln, dass er nach Hause kommt», sagt Franziska Kessler.
Ein wichtiges Mittel, um dieses Gefühl von Geborgenheit und Wohlbefinden zu erzeugen, war die Materialisierung. Dabei legten Franziska und Daniel Kessler Wert auf möglichst natürliche Materialien, da diese einen ganz anderen Effekt erzielen, als synthetische. «Mittlerweile ist ein entsprechend breites Angebot auch für die Hotellerie und Gastronomie im Handel», sagt Franziska Kessler. Für die beiden Gestalter müssen die verwendeten Hölzer, Textilien und das Leder langlebig sein und auch nach fünf Jahren noch gut aussehen. Sonst wirke das Ganze rasch sehr schäbig.
Um sicher zu gehen, dass die ausgewählten Materialien widerstandsfähig genug sind und die Einrichtung für das Housekeeping ausreichend einfach im Handling, involvierten sie sehr früh im Planungsablauf eine Spezialfirma. «Denn wenn die Qualität mangelhaft ist, merkt der Gast das. Dann fragt er sich unweigerlich, wie das Hotel denn mit den Gästen umgeht, wenn es schon im Unterhalt des Interieurs so schludrig ist.»
Wie stark sich eine stimmungsvolle Ambiance auch auf das Konsumverhalten der Gäste auswirken kann, zeigt ein anderer Auftrag aus dem Portfolio des Ehepaares Kessler. Für das Hotel Krone in La Punt/GR hatten sie den Auftrag erhalten, eine Lounge umzugestalten. Nach dem Facelifting war der vormals emotionslose Raum für die Gäste durch die in rotem Samt gehaltene neue Ausstattung plötzlich zu einem richtigen Anziehungspunkt geworden. Und die Umsätze der Getränkekonsumation schnellten in die Höhe. Wenn sich der Gast also wohl fühlt, ist er durchaus auch ausgabefreudiger.
Ein wichtiges Element, um diesen Wohlfühlcharakter zu erreichen, ist dabei das Lichtkonzept. Es muss einerseits das, was auf den Tisch kommt, in Szene setzen und andererseits die Menschen gut aussehen lassen. «Das Lichtkonzept muss von morgens bis in die Nacht hinein funktionieren», sagt Jürg Landert. Er plädiert dabei für programmierte Lichtszenen, so dass diese im Verlauf des Tages mit einem einfachen Knopfdruck abgerufen werden können. «Der Mitarbeitende hat meistens keine Zeit, sich um die Beleuchtung zu kümmern.» Ebenso entscheidend für ein gutes Raumgefühl ist die Akustik. Doch eine gute Akustik ist mit hohen Kosten verbunden, gerade in bestehenden Gebäuden. Mit Textilien, speziellen Farben und Deckenvorrichtungen kann man die Raumakustik jedoch schon wesentlich verbessern.
Apropos Finanzen, ein stimmiges Konzept ist nicht zwingend mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden. Es kann auch mit einem kleinen Budget und guten Ideen erreicht werden. Die Rolle des Interior Designers wird dann jedoch noch wichtiger. Denn in einer solchen Situation muss man sich aufs Wesentliche konzentrieren. «Der Profi muss erkennen, was vom Bestand Wertvolles vorhanden ist, wo und was entrümpelt werden kann. Und er muss das Schöne des Raumes herausarbeiten und hervorheben», erklärt Markus Muther.
Mit einem sehr kleinen Budget und vielen guten Ideen haben Franziska und Daniel Kessler das Hotel Otto in Berlin gestaltet. Die Besitzer kauften das Hotel aus den 1950er-Jahren aus einem Konkurs. Auf die WM 2006 hin wollten sie das Haus etwas aufpeppen. Merkten dann aber, dass es doch nicht so einfach ist. Darauf engagierten sie Franziska und Daniel Kessler.
«Das Hotel ist sehr schlicht ausgestattet, aufs Minimum reduziert», erzählt Daniel Kessler. «Es lebt durch den herzlichen Service und durch das fantastische Frühstücksbuffet, das die Besitzer anbieten», ergänzt Franziska Kessler. «Ein Konzept kann noch so gut sein, wenn es nicht mit ehrlichem, überzeugendem Service gefüllt wird», sagt die Gestalterin. Zudem wird das Hotel durch Kunst am Bau und durch eine Buchreihe bereichert, welche Freunde des Hauses schreiben. «In regelmässigen Abständen werden wir wieder beigezogen. Dann sind wir jeweils zwei, drei Tage vor Ort und beraten die Hoteliers.»
Mit diesem Objekt rannten sie offene Türen ein. Doch so einfach sei es nicht immer. Manchmal vermissen die beiden Gestalter den Mut zu unkonventionellen, individuellen Lösungen. «Die klassische Gastronomie und Hotellerie denkt oft in Mustern. Mir fehlt da immer wieder die Freude an der Auseinandersetzung mit dem Neuen», sagt Franziska Kessler. Doch gerade das Neue, Überraschende, Unkonventionelle ist das, was die Gäste heute erwarten. Neben dem, dass sie sich wohl fühlen wollen.
(Bernadette Bissig)
Nach langjähriger Tätigkeit als Redaktorin und Creative Director für Zeitschriften (Vogue, Elle, Elle Decoration) etablierte die Design-Expertin und Ausstellungsmacherin (Messe Frankfurt) zusammen mit ihrem Ehemann Daniel Kessler in Paris ein Consulting-Büro. 2007 erweiterten sie das Studio durch ein Büro in Zürich. Die Dienstleistungen umfassen Beratungen von privaten und öffentlichen Kunden in den Bereichen Interior Design, Corporate Culture und besonders in der Zusammenstellung von zeitgenössischen Designobjekten mit Vintage- Möbeln und exklusiven Einzelanfertigungen bekannter Designer. Kessler & Kessler haben zahlreiche Hotels und Restaurants beraten. Zudem betreut Franziska Kessler regelmässig internationale Projekte und private Sammlungen im Fokus des Contemporary Design.<link http: www.franziskakessler.com de consulting>
www.franziskakessler.com/de/consulting
Seit über 15 Jahren bieten Jürg Landert und sein Team umfassende Dienstleistungen in den Bereichen Gastrokonzepte/Businesspläne, Gastroberatung/Coaching, Ausschreibungen/Konzepteingaben sowie weitere Dienstleistungen. Zu seinen Kunden gehören unter anderem Gastronomen und Hoteliers, Firmen mit Gastronomie als Haupt- und Nebengeschäft sowie Produzenten und Zulieferer der Food-Service-Industrie.
<link http: www.jlz.ch>www.jlz.ch
Markus Muther und Ruedi Wüest gründeten das Unternehmen barmade vor fünfzehn Jahren. Seither haben die beiden Gastrodesigner zahlreiche Projekte im Gastrobereich realisiert. Mittlerweile sind die beiden Innenarchitektinnen Beate Lang und Simone Iseli mit von der Partie.<link http: www.barmade.ch>
www.barmade.ch
Die Innenarchitektin und Szenenbildnerin arbeitet mit ihrem sechsköpfigen Team in Baden. Ihr Portfolio umfasst Hotels im Vier- und Fünfsternebereich, Wellness- und Bäderanlagen sowie Restaurants. So hat sie etwa das kürzlich eröffnete «Hiltl» in der Sihlpost gestaltet.
<link http: www.ushitamborriello.com>www.ushitamborriello.com