Die eine rettende Lösung im Kampf gegen Food Waste gibt es nicht. Eine abgestimmte Mischung von Massnahmen bringt Betriebe auf den Weg.
Wiederverwerten, spenden, günstiger verkaufen: Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, wie Bäckerei- und Konditoreibetriebe mit Produktionsüberschüssen umgehen können, um Lebensmittelverschwen-dung zu vermeiden. Viele Betriebe stellen sich dieser Herausforderung mit einer Kombination verschiedener Massnahmen. So auch die Kunz AG Art of Sweets. Hauptgeschäft und Produktion befinden sich in Frick/AG, dazu kommen sechs weitere Standorte. Bis zum vergangenen Herbst nutzte das Unternehmen die App Too Good To Go. «Finanziell ging damit die Rechnung für uns aber nicht auf», sagt Debora Wülser, Leiterin Finanzen und Marketing. «Rund die Hälfte des Verkaufspreises ging für Gebühren und Kommission drauf.» Der Betrieb suchte nach einer eigenen Lösung und fand sie: In vier Kunz-Filialen erhalten Kundenkartenbesitzer nun eine halbe Stunde vor Ladenschluss 60 Prozent Rabatt auf Produkte, die am nächsten Tag nicht mehr verkauft werden können. «Damit haben unsere treuen Kundinnen und Kunden einen Vorteil», sagt Debora Wülser. Dass es keine App mehr brauche, mache das Angebot gerade für ältere Kunden zugänglicher. Auch für den Betrieb ergeben sich laut der Leiterin Finanzen verschiedene Vorteile.
So entfällt der Aufwand für die Zusammenstellung der Überraschungspäckli, die sie früher via App verkauft haben. «Und wir haben einen Anreiz für die Kunden geschaffen, ihre Karten aufzuladen.» Das Angebot kommt laut Wülser sehr gut an, das zeige sich bereits am Umsatz. Neben der Rabattaktion nutzt die Kunz AG weitere Kanäle, um Food Waste zu vermeiden. So gehen Produkte vom Vortag ins Backwarenoutlet in Basel. Und einmal die Woche holt der Verein Tischlein deck dich Überschusswaren ab, die dann an bedürftige Menschen gespendet werden. Wo möglich verwendet das Team Überschüssiges auch in der Produktion weiter. Zum Beispiel wird aus altem Brot Paniermehl, das dann im Lostorferbrot wieder Verwendung findet. Der Paniermehl-Anteil macht das Brot zudem länger haltbar.
Debora Wülser, Leiterin Finanzen, Kunz AG
«Food Waste ist ein grosses Thema für uns», sagt Debora Wülser. «Wir wollen uns in dem Bereich stetig weiterentwickeln.» Auch KI-Programme zur Berechnung der Nachfrage seien ein interessantes Thema. «Dafür brauchen wir aber noch etwas Zeit.»
Auch wenn Food-Waste-Apps nicht für alle Betriebe eine attraktive Option sind, haben sie sich in der Schweiz bereits gut etabliert. Der Platzhirsch Too Good To Go verzeichnet hierzulande über siebentausend Partnerbetriebe. Bäckereien seien nach den Supermärkten die zweitgrösste Gruppe, wie eine Pressesprecherin auf Anfrage mitteilt. Konkrete Zahlen zu Verkäufen liefert das dänische Unternehmen nicht, nur so viel: Von bisher 13 Millionen verkauften Überraschungspäckli gingen drei Millionen auf Bäckereien zurück.
Seit kurzem hat Too Good To Go Konkurrenz aus der Schweiz: Das Zürcher Start-up Goniña verknüpft KI-Prognosemodelle mit einer App, auf der Überschüsse verkauft werden können. Betriebe haben also zunehmend Auswahl an Plattformen, auf die sie setzen wollen. Zu den regelmässigen Nutzern der App-Variante gehört beispielsweise die Bäckerei Wälchli mit Hauptsitz in Rothrist/AG mit elf weiteren Filialen in der Region. Täglich stellt das Team Überraschungspäckli auf Too Good To Go, teilt die Geschäftsleitung auf Anfrage mit. Darin enthalten sind vor allem Eigenfabrikat-Produkte, die nur einen Tag haltbar sind. Süsse und salzige Backwaren, Salate, Sandwiches und ein Brot gehörten stets dazu. In rund 70 bis 80 Prozent der Fälle würden die Päckli verkauft, je nach Standort variiere die Nachfrage. «Ein Vorteil der App ist, dass darüber neue Kunden unseren Betrieb kennenlernen», heisst es weiter. «Und es zeigt nach aussen, dass uns Nachhaltigkeit wichtig ist.» Herausfordernd sei, dass die Planung immer sehr spontan erfolgen müsse.
Auch für die Bäckerei Wälchli ist To Good To Go nicht die einzige Massnahme gegen Lebensmittelverschwendung. So entsteht aus weissem Brot Paniermehl, Reste aus Nussfüllungen werden für Studentenschnitten wiederverwertet. «Dazu führen wir gezielte Kundenaktionen durch – direkt bei uns im Laden oder für externe Kundinnen und Kunden, die wir beliefern.» Ware vom Vortag dürften ausserdem die Mitar-beitenden der Produktion kostenlos zum Znüni oder zum Mittagessen geniessen.
(Alice Guldimann)
baeckerei-waelchli.ch
kunz-baeckerei.ch
Zwischen Feld und Teller gehen in der Schweiz rund ein Drittel der Lebensmittel verloren. Im Falle von Brot und Backwaren sind es laut der Plattform Foodwaste.ch sogar 55 Prozent. Darin sind essbare Nebenprodukte mit eingerechnet. Im Fall von Brot ist das zum Beispiel die Kleie, die bei der Getreideherstellung entsteht und vielfach als Tierfutter verwendet wird.