Andreas Fleischlin verlässt den Schweizer Kochverband. In den vergangenen sechs Jahren hat er als Geschäftsführer ausgetrampelte Pfade verlassen – und stiess dabei nicht immer auf offene Ohren.
Hotellerie Gastronomie Zeitung: Andreas Fleischlin, wieso haben Sie sich entschieden, den Kochverband zu verlassen?
Andreas Fleischlin: Ich habe in den vergangenen Jahren viel in den Verband investiert. Nun spüre ich eine gewisse Erschöpfung. Der Kochverband braucht jemanden, der für die bevorstehenden Veränderungen 150 Prozent geben kann – dazu fühle ich mich nicht mehr im Stande.
Sie haben eine intensive Zeit hinter sich. Ihr Vorgänger Norbert Schmidiger führte den skv 30 Jahre lang. Wie schwierig war der Wechsel?
Norbert und ich kannten uns bereits und verstanden uns auch sehr gut. Aber natürlich waren gewisse Pfade nach 30 Jahren ziemlich ausgetrampelt. Ich wollte mit meinem Team einiges ändern, das stiess nicht überall auf Begeisterung. Ich musste mich erst beweisen. Das war herausfordernd, aber auch sehr lehrreich.
Was haben Sie anders gemacht als Ihr Vorgänger?
Wir haben viel für die öffentliche Wahrnehmung des skv getan, dem Swiss Culinary Cup ein neues Gesicht gegeben und die Fachtagungen vertieft. Eine der wichtigsten Veränderungen betraf die Kochnationalmannschaft: Früher wurde das beste Regionalteam zur neuen Kochnationalmannschaft gekürt, heute rekrutieren wir einzelne Talente. Das fanden nicht alle gut – aber der Erfolg gibt uns recht.
Hatten Sie sich beim Stellenantritt auch Ziele gesetzt, die Sie nicht erreichen konnten?
Wir konnten leider kein Mitgliederwachstum bewirken. Das bedaure ich sehr, war es doch eine meiner Prioritäten.
Wieso ist es so schwierig, neue Mitglieder zu gewinnen?
Früher sagte der Küchenchef den Bewerbern: Wer bei mir arbeiten möchte, muss skv-Mitglied werden. Diese Zeiten sind vorbei. Unseren Berufsleuten geht es gut, sie haben einen anständigen Lohn und fünf Wochen Ferien. Da liegt es nicht mehr so nahe wie früher, Geld und Zeit in einen Berufsverband zu investieren. Aber die Zeiten werden sich wieder ändern, und dann müssen wir da sein und die Berufsleute mit ihren aktuellen Bedürfnissen abholen.
Was bewegt die Köche heute?
Vor allem der Fachkräftemangel. Früher schlossen Betriebe, weil sie keine Gäste mehr hatten. Heute schliessen sie, weil sie keine Mitarbeiter finden. Das ist bedenklich.
Was kann man dagegen tun?
Wir müssen den Kochberuf besser vermarkten. In Südtirol beispielsweise platzen die Berufsschulen aus allen Nähten, weil der Kochberuf dort einer der angesehensten Berufe ist – zu Recht. Das muss auch in der Schweiz das Ziel sein. Gleichzeitig müssen wir akzeptieren, dass die Jungen heute andere Ansprüche haben. So gehört etwa die Zimmerstunde abgeschafft, sie ist einfach nicht mehr zeitgemäss.
Ein Projekt, das Ihnen besonders am Herzen liegt, ist die Kochakademie. Wieso braucht es diese?
Ich bin der Meinung, dass unsere Branche viel mehr für den handwerklichen Aspekt der Gastronomie tun sollte. Der Koch ist für mich in einem Betrieb zentral. Betriebswissenschaften und Marketing sind wichtig, aber letztlich muss dem Gast vor allem das Essen schmecken. Hotelfachschulen gibt es genug – die Akademie soll eine Nische füllen und Köche weiterbilden, die vielleicht ein Leben lang am Kochherd stehen wollen, anstatt einen Betrieb zu leiten. Ein solcher Abschluss fördert den Berufsstolz und wirkt dem Fachkräftemangel entgegen.
Was werden Sie aus Ihrer Zeit beim Kochverband am meisten vermissen?
Die Menschen. Ich hatte tolle Begegnungen und Gespräche in den letzten sechs Jahren, sei das mit unserem Präsidenten Thomas Nussbaumer, mit meinem Team in der Geschäftsstelle, im Vorstand oder in der Miliz. Alles, was ich erreicht habe, war nur dank dieser Menschen möglich.
Welchen Tipp geben Sie Ihrem Nachfolger Reto Walther?
Eine Strategie zu haben und sich nicht vom Weg abbringen zu lassen. Und hinzuhören. Als Geschäftsführer muss er in der Miliz unterwegs sein und spüren, welches die Bedürfnisse der Mitglieder sind.
Wo werden wir Sie künftig antreffen?
Das weiss ich noch nicht. Ich nehme mir ganz bewusst eine Auszeit von mindestens zwei Monaten. Ich will neue Energie tanken und Zeit mit meiner Familie verbringen. Fest steht nur, dass ich wieder mit Menschen zu tun haben möchte.
(Interview Angela Hüppi)
Andreas Fleischlin lernte zuerst Bäcker-Konditor, dann Restaurationsfachmann. Nach dem Abschluss der Hotelfachschule Belvoirpark in Zürich führte er während mehrerer Jahre den Hotel-Gasthof Zum roten Löwen in Hildisrieden/LU und absolvierte eine Verbandsmanagement-Ausbildung an der Universität Freiburg. 2008 kam er zur Hotel & Gastro Union, wo er ab 2011 den Schweizer Bäckerei- und Konditorei-Personal-Verband leitete. Im Januar 2013 wurde er skv-Geschäftsführer.