Massive Umsatzeinbrüche, Schliessungen, Entlassungen: Die Hotellerie leidet unter der Pandemie. Doch aufgeben? Fehlanzeige. Der Kampfgeist in der Branche ist deutlich spürbar.
Die Hotellerie fällt bei den Härtefallhilfen zwischen Stuhl und Bank. Anders als Restaurants und Freizeitbetriebe müssen Beherbergungsbetriebe erst beweisen, dass sie wirklich zu den Härtefällen gehören.
Für Genfer Hotels, in denen die Auslastung laut Gilles Rangon, Präsident Hotelleriesuisse Genf, aktuell zwischen fünf und fünfzehn Prozent liegen dürfte, ein Affront. Wenn es so weitergeht, ist gut möglich, dass von den 28 vorübergehend geschlossenen Hotels einige ihre Tore für immer schliessen müssen. So, wie es schon das 5-Sterne-Hotel Richemont getan hat. Die Auswirkungen der Pandemie könnten laut Gilles Rangon auch den Fachkräftemangel weiter verschärfen. Gegenüber unserer Zeitung (siehe HGH 2/21) sagte er: «Die Genfer Hotellerie beschäftigt 5000 Personen. Es kann damit gerechnet werden, dass 20 bis 30 Prozent davon verloren gehen werden und mit ihnen wichtiges Know-how.»
Ähnlich klingt es auch im Hotel Krone Unterstrass in Zürich, das zur Wüger Gastronomie gehört. Direktor Roger Jutzi musste trotz aller Bemühungen Mitarbeitende entlassen. «Zu Beginn der Pandemie haben wir an allen Mitarbeitenden festgehalten und Austritte einfach nicht mehr mit neuen Kräften ersetzt. Im Frühherbst mussten wir bereits die eine oder andere Kündigung aussprechen. Mittlerweile ist unser Mitarbeiterstand von 50 auf rund 30 geschrumpft», sagt Jutzi. Er hofft darauf, den Betrieb möglichst bald wieder aufnehmen zu können. Bis die Auslastungen wieder das Niveau der Vorjahre erreicht, dürfte es sich jedoch noch um Jahre handeln. «Ich denke, das wird frühestens 2024/2025 der Fall sein. Für 2021 rechne ich in der Stadthotellerie selbst als Optimist maximal mit einem Umsatzverlauf wie im Jahr 2020. Das ist wirklich besorgniserregend.»
Dennoch bleibt Roger Jutzi zuversichtlich. Könne es wieder losgehen, werde das Hotel dank einer gesunden und diversifizierten betrieblichen Struktur sowie eines hohen Qualitätsbewusstseins von Direktion und Mitarbeitenden rasch wieder profitieren können.
Um das Gefühl der Zuversicht –das auch Jutzi verspürt – sowie den Zusammenhalt und die Innovationskraft in der Branche weiter zu stärken, hat Hotelleriesuisse just zum Jahreswechsel eine neue Kampagne gestartet. Unter dem Hashtag #bettertogether möchte der Verband gemeinsam einen Weg aus der Krise finden.
Eins der Projekte von #bettertogether ist die Podcast-Serie mit Claude Meier, dem Direktor von Hotelleriesuisse. Dieser besucht jeden Monat ein Hotel in der Deutschschweiz, der Romandie oder im Tessin und spricht mit der dortigen Geschäftsleitung über aktuelle Branchenthemen. Das Ziel ist, im Gespräch mit den Hotelières und Hoteliers herauszufinden, wie diese die Krise bisher erlebt haben und welche Strategien ihnen dabei helfen, die Krise zu überstehen. Die Videos sollen anderen Betroffenen Mut machen und Denkanstösse geben.
Patric Schönberg, Leiter Kommunikation Hotelleriesuisse, erläutert: «#bettertogether steht ganz im Zeichen der Krisenbewältigung. Wir möchten unseren Mitgliedern mithilfe einer Palette von Tools Unterstützung und Inspiration bieten.» Voneinander und miteinander profitieren, laute die Devise. Aus diesem Grund hat Hotelleriesuisse auch den Hospitality Booster lanciert (siehe Interview) und plant, im September 2021 den ersten Hospitality Summit durchzuführen.
Angesprochen auf positive Beispiele aus der Branche, fällt Patric Schönberg spontan das Märchenhotel Braunwald im gleichnamigen Ort im Kanton Glarus ein, welches seinen grossen und kleinen Gästen die Corona-Regeln mithilfe von Cartoon-Lamas vermittelt. Alles in allem habe die Branche die Schutzmassnahmen vorbildlich umgesetzt. Ihm sei aber bewusst, dass es, wie überall, auch in dieser Branche schwarze Schafe gebe. «Wenn wir von einem Fall wissen, sprechen wir diesen natürlich an. Doch es ist nicht unsere Aufgabe, Hoteliers zu sanktionieren.»
Dass Hotels bei der zuvor genannten, unterirdischen Auslastung der Zimmer in die Trickkiste greifen, überrascht nicht. In Hotels, die einen Spa-Bereich anbieten, kommt es beispielsweise schon mal vor, dass ein Hotelzimmer günstig an Gäste vermietet wird, die dieses nie betreten, dafür aber Zutritt zum Spa erhalten.
Ein Hotel, das gar offen dafür wirbt, dass dank Tageseintritt sowohl Spa als auch Restaurant von externen Gästen genutzt werden dürfen, ist das Hotel The Dolder Grand in Zürich. In dessen Newsletter vom 21. Januar steht: «Aufgrund der grossen Nachfrage öffnet das «Dolder Grand» ab sofort auch für die Tagesgäste sein 4000 Quadratmeter grosses Spa und seine Restaurants. Beide waren wegen der aktuellen Lage ausschliesslich für übernachtende Hotelgäste zugänglich. Ein Spezialangebot macht dies möglich.»
Möglich? Ja. Legal? Nein, wie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf Anfrage bestätigt. Mediensprecher Yann Hulmann verdeutlicht: «Unter Hotelgästen verstehen wir Personen, die eine Übernachtung beanspruchen. Damit diese sich verpflegen können, dürfen Hotelrestaurants unter Berücksichtigung der besonderen Covid-Bestimmungen geöffnet haben.» Dasselbe gelte für den Spa-Bereich.
Dass die Liquidität auch auf legalem Weg verbessert werden kann, zeigt das Beispiel der Familie Huggler. Diese führt in Brienz/BE die beiden Hotels Brienzerburli und Weisses Kreuz. Beim ersten Lockdown war der Familie schnell klar, dass die Massnahmen des Bundes für die beiden Hotels bedrohlich werden könnten. Hotelière Christine Inauen-Huggler sagt: «Um dies abzufedern, haben wir schnell verschiedene Massnahmen ergriffen. Eine davon war das Crowdfunding-Projekt.» Die Familie startete dieses Anfang April auf der Plattform Lokalhelden.ch. Das Ziel: 50 000 Franken. Je nach Höhe der Spende werden verschiedene Goodies vergeben. Das wohl ausgefallenste Goodie waren Patenschaften für Hotelzimmer, die zwischen 560 und 1560 Franken kosteten. Nach gut zwei Monaten Laufzeit wurde das Ziel gar um 300 Franken übertroffen. Inauen-Huggler sagt: «Man hofft natürlich auf Erfolg. Die Resonanz hat uns dann aber doch überrascht. Die Solidarität der Gäste war deutlich zu spüren.»
Aufgrund der zweiten Welle musste die Familie Huggler das Hotel Brienzerburli trotz Crowdfunding vorübergehend schliessen. Das Hotel Weisses Kreuz ist zwar noch geöffnet, doch dessen Gäste lassen sich laut Inauen-Huggler an einer Hand abzählen.
Und selbst im Tourismuskanton Tessin steht es schlecht um die Hotellerie. Ein Beispiel ist das Hotel Delfino in Lugano. Direktor Federico Haas sagt: «Zwar haben wir mit Long-Stay-Angeboten und anderen Coronabedingten Massnahmen Teilerfolge erzielt. Dennoch beträgt der Umsatzrückgang 35 Prozent.»
Anlass dazu, den Betrieb trotz der Umsatzeinbussen mit einem reduzierten Angebot aufrechtzuerhalten, hätten unter anderem die Lernenden gegeben. «Es sind tolle junge Menschen, die in kurzer Zeit über sich hinausgewachsen sind. Mir war wichtig, dass diese ihre Ausbildung fortsetzen können.» Hinzu komme, dass er es als Unternehmer und Bürger als seine Pflicht sehe, anderen in dieser misslichen Lage zu helfen. So vermietete er während der ersten Welle gestrandeten Arbeitern verschiedener Branchen Zimmer zum Selbstkostenpreis. «Wir sind für die Menschen da. Schliesslich sind und bleiben wir ein People’s Business.»
Anna Siroka, Verantwortliche Sales und Marketing, «The Dolder Grand»: «Wir haben im Vorfeld die Sachlage und die Möglichkeit eines Tagesangebots mit Nutzung von Zimmer, Spa und Restaurants mit dem Branchenverband Hotelleriesuisse sorgfältig abgeklärt. Dieser hat uns grünes Licht gegeben und die Bestätigung liegt uns als E-Mail vor. Das hat uns veranlasst, ein entsprechendes Angebot zu erstellen, natürlich unter Berücksichtigung der klar definierten Schutzmassnahmen.»
Patric Schönberg, Leiter Kommunikation, Hotelleriesuisse: «Hotelleriesuisse räumt ein, dass «eingecheckte Tagesgäste» fälschlicherweise mit Hotelgästen gleichgesetzt wurden, und entschuldigt sich beim Hotel The Dolder Grand in aller Form. Ich möchte betonen, dass Hotelleriesuisse seit März 2020 knapp 10'000 Rechtsberatungen durchgeführt hat. Trotz grosser Mehrbelastung sowie laufend ändernden rechtlichen Bestimmungen sind uns keine weiteren Falschberatungen bekannt. Es handelt sich hier um einen sehr unglücklichen Einzelfall.»
(Désirée Klarer)
Deutschland
Im April hat der Hotelier Zeev Rosenberg vom Boutique Hotel i31 in Berlin auf Change.org die Petition «Soforthilfe für die Hotelbranche» gestartet. Darin fordert er den Deutschen Bundestag auf, sich unverzüglich für die Hotels und Restaurants einzusetzen. Für die benötigten 500 Unterschriften fehlen noch gut 200. Im Familienhotel Sonnenpark in Hessen teilt Hotelier Marc Vollbracht das Animations- und Wellnessprogramm mit den daheimgebliebenen Gästen. Unter dem Hashtag #homeinclusive findet sich von Bastel-Videos über Anleitungen für Beauty-Masken bis hin zu Hörspielen ein breites Angebot für die Zeit in den eigenen vier Wänden.
Österreich
Mit der Website Openhotels.at bietet die Aussenwirtschaftsorganisation Advantage Austria eine praktische Übersicht aktuell geöffneter Hotels in Österreich.
Belgien
Das Steigenberger Hotel in Brüssel hat sich während der Pandemie in ein digitales Tagungszentrum verwandelt. So haben Gäste unter anderem die Möglichkeit, das Hotel aus der Ferne auf einer virtuellen Tour zu besichtigen.
Frankreich
Rund 30 Vier- und Fünfsternehotels an der Côte d’Azur sind aktuell geschlossen. Die Wiedereröffnung ist Ende April geplant.
Ueli Schneider, Sie sind Leiter Business Development bei Hotelleriesuisse und leiten in dieser Rolle auch das Projekt Hospitality Booster. Worum handelt es sich dabei?
Der Hospitality Booster ist ein Innovationsnetzwerk für die Branche. Dieses soll es Hotelières und Hoteliers ermöglichen, ihre Ideen trotz knapper Zeit mit dem nötigen Fachwissen umzusetzen. Gerade auf Ebene KMU scheitert der Innovationsprozess häufig an den fehlenden Ressourcen. Hier wollen wir ansetzen und zudem den Austausch in der Branche fördern.
Wie genau läuft ein solcher Innovationsprozess ab?
Gute Ideen können auf unserer Website, Hospitality-booster.swiss eingereicht werden. Die Community, die derzeit primär aus meinem Team sowie Fachleuten aus der Branche besteht, sammelt diese Ideen und priorisiert sie. Danach wird die Idee in interdisziplinären Teams gefördert, getestet und letztlich der Branche zur Verfügung gestellt.
Und wo werden diese Ideen getestet?
Wenn die Idee regionsunabhängig ist, wird sie im The Lab Hotel der Hotelfachschule Thun, das im März eröffnet wird, getestet. Sonst zählen wir auf die Bereitschaft der Mitglieder, an solchen Pilotprojekten mitzumachen.
Wer gehört nebst Ihrem Team und Leuten der Branche noch zur Community?
Zulieferer wie die Swisscom oder die Leinenweberei Schwob. Aber auch Studierende der Hotelfachschulen Lausanne und Thun sind bereits in das Projekt involviert. Wir freuen uns, dass die Community wächst, denn der Blick von aussen ist enorm wertvoll.
Ueli Schneider hat einen Doktor in Betriebswirtschaft und ist seit 2014 bei Hotelleriesuisse tätig. Die ersten fünf Jahre als Leiter Bildung und seit 2019 als Leiter Business Development. Darüber hinaus ist er Mitglied des Stiftungsrates beim Swiss Hospitality Hub.