Kulinarische Erlebnisse verkaufen: Luxusmarken werden Gastgeber

Wer auf Designerschuhe lange warten muss, erhält als Trost ein Mittagessen vom Starkoch. Luxusmarken setzen immer mehr auf Gastronomie.

Im April 2022 öffnete das neue Hôtel des Horlogers von Audemars Piguet. (zvg)

Frühstück bei Tiffany, Mittagessen bei Gucci, Abendessen bei Louis Vuitton. Was wie Fortsetzungen des berühmten Filmklassikers klingt, ist heute tatsäch-lich möglich. Im Stammhaus des Schmuckgiganten Tiffany & Co kann man seit 2017 tatsächlich frühstücken, Gucci hat seit 2018 in Zusammenarbeit mit Starkoch Massimo Bottura vier Filialen der Gucci Osteria eröffnet, Louis Vuitton lancierte im letzten Jahr eigene Restaurants in Frankreich und China.

Marke kulinarisch repräsentieren

Der Trend heisst «Luxury meets Hospitality» – Luxus trifft Gastgewerbe – und hat in den letzten Jahren Fahrt aufgenommen. «Der Luxusmarkt wächst über alle Branchen hinweg stark und seit der Coronakrise hat sich diese Entwicklung noch verstärkt», erzählt Matthias Fuchs. Er ist Assistenzprofessor an der EHL Hospitality Business School in Lausanne/VD und leitet dort das Institut für Customer Experience Management, das speziell für diese Art von Luxusgastgewerbe ins Leben gerufen wurde. «Die Marken wollen wachsen und mit ihren Kunden interagieren, aber gleichzeitig den Effekt von Rarität und Exklusivität ihrer Produkte erhalten.» Die Lösung: Erfahrungen bieten, welche die Kunden an die Marke binden. Gerade Gastronomieangebote sind dafür prädestiniert. «Was einmal mit dem Servieren von Kaffee begann, ist heute ein kulinarisches Eintauchen in die Welt der jeweiligen Luxusmarke», so Matthias Fuchs.

Matthias Fuchs hat langjährige Erfahrung im Marketingbereich und unterrichtet an der EHL unter anderem Markenmanagement.

Auch in der Schweiz gibt es einige Beispiele von Luxusmarken, die zu Gastgebern werden. In Genf eröffnete Anfang dieses Jahres gleich neben der Boutique der Uhrenmarke das Restaurant Breitling Kitchen. Ebenfalls aus der Uhrenwelt kommt das neue Hôtel des Horlogers in Le Brassus/VD, eröffnet letztes Jahr von der Marke Audemars Piguet. Die Umsetzung solcher Angebote brauche Fingerspitzengefühl, so der EHL-Experte. «Man muss viel in die Planung investieren und auf einem sehr hohen Level einsteigen, um dem Luxusanspruch gerecht zu werden.» Geht die Entwicklung weiter, wovon Fuchs ausgeht, werden im Luxussegment auch vermehrt Arbeitsplätze für Mit-arbeitende aus der Gastronomie entstehen. Da die Erwartungshaltung in diesem Bereich besonders hoch sei und Kunden anspruchsvoll sein könnten, brauche es besonderes Training durch die Firmen. «Die EHL arbeitet zu diesem Thema immer mehr mit Unternehmen zusammen, um derartige Programme zu kreieren.»

«Die Schweiz ist einzigartig und sehr attraktiv für Luxustourismus.»

Matthias Fuchs, EHL Lausanne

Für den Schweizer Tourismus ist diese Entwicklung in der Luxuswelt laut Fuchs eine positive Nachricht. «Luxus-Einkaufstourismus ist ein Phänomen, von dem sonst nur wenige andere Länder profitieren.» Die Preise für Luxusuhren, Schmuck oder Kleidung seien hier im internationalen Vergleich eher niedrig. «Es gibt zudem wenige Länder, die so sicher sind, dass man Luxusaccessoires bedenkenlos in öffentlichen Verkehrsmitteln oder in Fussgängerzonen tragen kann.»

Die Bedeutung des Schweizer Luxustourismus zeigt auch eine aktuelle Debatte rund um Sonntagsöffnungszeiten. Im August wurde publik, dass Wirtschaftsminister Guy Parmelin das Sonntagsverkaufsverbot in gewissen Zonen in den Städten kippen und die Öffnung von Boutiquen erlauben will – so wie das in Tourismusregionen wie Zermatt oder St. Moritz bereits möglich ist, wo Luxus-Shopping zur Tagesordnung gehört.

(Alice Guldimann)


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