Gourmets dürfen sich freuen: Nächstes Jahr eröffnet der holländische 20-Punkte-Koch wieder ein Restaurant à la «Oud Sluis».
Hotellerie Gastronomie Zeitung: Sergio Herman, geben Sie Restaurateuren und Köchen einen Tipp: Wie kriegt man 20 Punkte?
Sergio Herman: Es geht um viel mehr als nur ums Essen. Wie wird die Reservation entgegengenommen? Wie werden die Gäste im Restaurant empfangen und verabschiedet? Wie ist der Service? Welche Energie spürt man während des Essens? Alles muss top und einzigartig sein.
Haben Sie schon mal irgendwo gegessen, wo Sie dachten: «Das müssten 20 Punkte sein!»?
Ich vergebe ja keine Punkte. Aber mein bester Restaurantbesuch letztes Jahr war im «Frantzén» in Stockholm. Jedes Detail stimmte. Sogar die Musik im Lift. Sie ist beim Runterfahren eine andere als beim Hochfahren. Ich hatte Tränen in meinen Augen und sagte Chef Björn Frantzén zum Schluss: «Du kannst mir beide Hände abhacken, wenn dir der Guide Michelin nun nicht den dritten Stern gibt.» Zum Glück hat er ihn erhalten.
Macht es denn Spass, 20 Gault-Millau-Punkte zu haben?
Natürlich ist es toll, Anerkennung zu kriegen. Aber dann gilt es, den Fokus richtig einzustellen und die Arbeit gut zu machen. Zwanzig von zwanzig möglichen Punkten – was ist denn schon Perfektion? Das sieht jeder anders. Aber wenn du die Maximalnote kriegst, musst du für dich und dein Team wissen, wie damit umzugehen.
Wie haben Sie das gelöst?
Ich versuche, jedes Jahr ein höheres Level zu erlangen. Aber nicht an vielen Tagen verspüre ich diese Zufriedenheit, das Beste herausgeholt zu haben. Es geht immer besser. Wichtiger als die Punkte sind letztlich die Gäste. Jeden Tag einen vollen Laden zu haben.
Bedeuten 20 Punkte nicht unendlich viel Druck? Die Erwartungen Ihrer Gäste mussten riesig gewesen sein.
Ich lernte ohnehin von meinen Eltern, jeden Tag von Neuem das Beste zu geben. Ob mit 19 oder 20 Punkten.
Konnten Sie die Punkte auch geniessen?
Eigentlich sind die schönen Gefühle für das Erreichte erst jetzt, im Nachhinein, da.
Sie schlossen das «Oud Sluis» im Jahr 2013. Kochen Sie heute noch gleich gut wie damals?
Der Weg geht immer weiter. Meines Erachtens koche ich heute besser als damals. Ich bin reifer geworden, es geht mehr und mehr um das Essenzielle. Keine Show, das Produkt steht im Zentrum.
Haben Sie es je bereut, das «Oud Sluis» geschlossen zu haben?
Ich denke täglich ans «Oud Sluis». Und ich kann es jetzt verraten: Nächstes Jahr werde ich wieder ein Restaurant in diesem Stil eröffnen.
Können Sie schon mehr erzählen?
Es wird ein kleiner Betrieb mit maximal 18 Plätzen, in dem ich acht bis zehn Tage pro Monat kochen werde. Zurzeit habe ich zwar mehrere Restaurants, die mit meiner DNA geführt werden, aber ich vermisse das Kochen. Ich habe in den letzten Jahren viel Zeit mit Sitzungen und Schulungen verbracht. Ich will wieder kochen.
Haben Sie dafür schon den passenden Ort gefunden?
Ja, mitten in der Natur, nahe meines Wohnorts (Sergio Herman wohnt in Knokke Heist, einer belgischen Küstenstadt an der niederländischen Grenze; Anm. d. Red.). Zurzeit bin ich daran, mit den Architekten den Plan auszuarbeiten. Es soll für die Gäste und für mich einzigartig werden. So, als würden die Gäste bei mir zu Hause essen, aber auf höchstem Niveau.
Warum möchten Sie wieder in die Küche?
Ich will mich am Ende eines Tages ins Auto setzen und auf der Heimfahrt das gute Gefühl haben, das ich früher nach getaner Arbeit hatte. Ich vermisse es.
Zu «Oud Sluis»-Zeiten verbrachten Sie sehr viel Zeit im Betrieb. Können Sie das Ihrer Familie nochmals zumuten?
Nein. Deshalb werde ich es auch auf wenige Tage beschränken.
Damals galt Ihr Restaurant als perfekt. Bedeutet für Sie «perfekt» heute noch dasselbe wie früher?
Perfektion bleibt für mich immer gleich. Ich mache Ihnen ein Beispiel: Im «Frites Atelier», wo wir Pommes frites servieren, müssen diese einfach immer perfekt sein. Zuletzt habe ich neue Kartoffelsorten ausprobiert. Dabei merkte ich plötzlich, wie ich in jeder einzelnen Schachtel übertrieben sorgfältig die Qualität überprüfte und die schlechten Kartoffeln aussortierte. Ich bin crazy, der Hang zur Perfektion ist tief in mir drin.
(Interview Benny Epstein)
Sergio Herman (48) ist einer von nur zwei Köchen, die je die maximalen 20 Punkte von Gault Millau erhielten. Sein Spitzenrestaurant Oud Sluis schloss er 2013. Er besitzt in Holland und Belgien zwölf Gastro-Betriebe. Herman ist verheiratet und hat vier Kinder. Dieses Jahr war er Gastkoch am St. Moritz Gourmet Festival.