Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

Totale Verwirrung um Abendservice

Gastrosuisse und Hotel & Gastro Union zeigen sich entsetzt über den Entscheid des Bundesrats und fordern à-fond-perdu-Beiträge von 600 bis 800 Millionen Franken pro Monat.

  • Bars trifft es mit der Sperrstunde ab 19:00 Uhr noch härter, als Restaurants. (KEYSTONE/SDA)
  • Gastrosuisse reagierte konsterniert über den Bundesratsentscheid. (v.l.) Daniel Borner, Direktor Gastrosuisse, Casimir Platzer, Präsident Gastrosuisse, und Muriel Hauser, Präsidentin Gastrofribourg und Vorstandsmitglied Gastrosuisse. (ZVG)
  • Urs Masshardt, Geschäftsleiter der Hotel & Gastro Union, wünscht sich nun rasches Handeln seitens der Politik. (ZVG)
  • Casimir Platzer, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gastrosuisse, nennt die Strategie des Bundesrates «einen Tod auf Raten für die Gastronomie». (ZVG)

«Wir sind in einer äusserst kritischen Phase», sagte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga an der Medienkonferenz vom 11. Dezember. «Statt, dass sich die Fälle halbieren, wie sie sollten, nehmen sie exponentiell zu. Es braucht zusätzliche Massnahmen, und es muss schnell gehen. Darum hat der Bundesrat das Heft wieder in die Hand genommen.»

Das Corona-Paket des Bundesrats im Überblick:

Das gesellschaftliche Leben in der Schweiz wird über die Festtage weiter heruntergefahren: Restaurants müssen ab 19.00 Uhr schliessen, Läden auch an Sonn- und Festtagen. Private Treffen bis maximal zehn Personen bleiben erlaubt, Sport zu fünft auch.

Diese Massnahmen gelten ab Samstag, 12. Dezember 2020, und sind bis zum 22. Januar 2021 befristet.

Das sind die Regeln

- Für Restaurants und Bars, Läden und Märkte, Museen und Bibliotheken sowie Sport- und Freizeitanlagen gilt eine Sperrstunde ab 19.00 Uhr

- Mit Ausnahme der Gastrobetriebe müssen die Einrichtungen auch an Sonn- und Feiertagen geschlossen bleiben

- Am 24. Dezember und für Silvester gilt die Sperrstunde erst ab 1.00 Uhr

- Take-away-Angebote und Lieferdienste können weiterhin bis um 23.00 Uhr offenbleiben

Der Druck der Kantone und der Gesundheitskommission des Nationalrats hat weitere Spuren hinterlassen. Der Bundesrat sieht nämlich Ausnahmen vor für Kantone «mit günstiger epidemiologischer Entwicklung». Sie können die Sperrstunde bis auf 23.00 Uhr ausweiten.

- Die Voraussetzung hierfür ist, dass der Reproduktionswert während mindestens einer Woche unter 1 und die 7-Tage-Inzidenz während mindestens einer Woche unter dem Schweizer Schnitt liegt

- Zudem müssen im Kanton ausreichende Kapazitäten im Contact Tracing sowie in der Gesundheitsversorgung vorhanden sein

- Will ein Kanton die Öffnungszeiten ausweiten, muss er sich mit den angrenzenden Kantonen absprechen

Bundesrat stockt Härtefall-Programm um 1,5 Milliarden Franken auf

Das Härtefall-Programm zur Unterstützung von Unternehmen in der Coronakrise soll um 1,5 auf 2,5 Milliarden Franken aufgestockt werden. Mit diesem Schritt will der Bundesrat die neuen Massnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus abfedern.

Davon sollen 750 Millionen Franken gemeinsam von Bund und Kantonen getragen werden, wobei die Kantone 33 Prozent beisteuern sollen. 750 Millionen Franken soll der Bund nötigenfalls als Zusatzbeiträge an die kantonalen Härtefallmassnahmen einschiessen können, ohne dass die Kantone sich finanziell beteiligen. Damit soll der Bundesrat die Möglichkeit erhalten, gezielt jene Kantone zu unterstützen, die besonders stark von Massnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie betroffen sind.

Auch gewerbliche Bäcker sind betroffen

Der Bundesratsentscheid hat auch für die Schweizer Bäcker-Confiseure fatale ökonomische Folgen – und dies zur Advents- und Weihnachtszeit, in den umsatzträchtigsten Wochen.

Mit grossem Befremden hat der Schweizerische Bäcker-Confiseurmeister-Verband zur Kenntnis genommen, dass alle Geschäfte am Sonntag geschlossen bleiben sollen. Mit einer Ausnahme, den Tankstellenshops, einem der grössten Konkurrenten. Der Bäcker-Confiseur, der das Grundnahrungsmittel produziert – mehrheitlich regional und handwerklich – darf seinen Laden nicht geöffnet haben und den frischen Sonntagszopf, das butterweiche Gipfeli oder das knusprige Brot zum Sonntagsbrunch verkaufen. Deshalb müssen die Konsumentinnen und Konsumenten zu – in den meisten Fällen – Aufbackbrot greifen.

Die verschärften Massnahmen würden nicht zur medienwirksam inszenierten Neujahrsansprache von Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga passen, die sie in ihrer Quartierbäckerei in Bern hielt. Denn: Brot und Backwaren erzeugen positive Emotionen… Sie schwärmte in ihrer Rede vom Gewerbe und dem Regionalen. Nun scheint es so, dass der Bundesrat die gewerblichen Bäcker-Confiseure links liegen lässt und den Tankstellenshops den Vorzug gibt.


Gastrosuisse nimmt Stellung zum Bundesrats-Entscheid

«Ich bin konsterniert», sagt Casimir Platzer, Präsident Gastrosuisse. «Der Bundesrat würgt der Gastronomie die Luft ab.» Absolut unverständlich ist für Platzer der fast tägliche Strategiewechsel. Der heutige Entscheid bedeute Wildwuchs. Zwei Werte sind dabei massgebend: die Inzidenz, der Durchschnitt der vergangenen sieben Tage, sowie der R-Wert, der Ansteckungswert. Letzterer würde von Forschern und Forscherinnen der ETH berechnet und dies mit einer Verzögerung von 10 Tagen. «Ein Beispiel: Das Tessin hat die höchste Inzidenz aber der R-Wert liegt unter 1.»

«Klar ist, dass eine Sperrstunde um 19 Uhr einem Lockdown gleichkommt. Am Mittag bleiben die Gäste aus und nun soll auch noch der Abendservice wegfallen», sagt Casimir Platzer. «Für die Gastronomie ist dies ein Tod auf Raten. Der Bundesrat wollte keinen Lockdown verordnen, weil er die Kosten nicht tragen will.»

Die «Stay-at-home»-Strategie entspreche nicht dem Ziel. Noch vor kurzem liess der Bundesrat verlauten, dass die meisten Ansteckungen im Familienkreis stattfänden. Das Bundesamt für Gesundheit bestätigte, dass vier Personen pro Tisch und konsequentes Maskentragen der Mitarbeitenden ein gutes Schutzkonzept sei.

Die Romands scheinen die Gewinner der Situation zu sein. 13 Kantone dürften bis 23 Uhr offen halten. Doch auch sie haben keine Planungssicherheit. Sobald der R-Wert ansteigt müssen auch sie wieder schliessen. «So können wir nicht arbeiten», sagt Muriel Hauser, Präsidentin Gastrofribourg und Vorstandsmitglied Gastrosuisse sichtlich geschockt. Der Bundesrat hat den sozialen Wert der Gastronomie ausser Acht gelassen.

«Der Bundesrat hat die Aufgaben zwischen der ersten und zweiten Welle nicht gemacht», sagt Platzer. «Es wurde kein Tracing aufgebaut, keine zusätzlichen Spitalbetten zur Verfügung gestellt und auch keine zusätzlichen Pflegemitarbeitenden eingestellt.»

«Es braucht eine rasche finanzielle Unterstützung. Mehr als die Hälfte der Gastbetriebe befinden sich in einer akuten finanziellen Situation», sagt Daniel Borner, Direktor Gastrosuisse. «Bereits gingen 30'000 Stellen verloren. Seit Oktober ist der Umsatz um die Hälfte eingebrochen. Die Liquidität ist ein grosses Problem. Die Rahmenbedingungen für die Gastronomie stimmen nicht mehr.

Gastrosuisse fordert deshalb à-fond-perdu-Beiträge von 600 bis 800 Millionen Franken pro Monat und die müssen rasch kommen.»

Hotels dürfen offen sein und ihre Gäste bis 23 Uhr bewirten. Das sei Wettbewerbsverzerrung und so nicht verständlich.

Weitere Informationen seitens Gastrosuisse gibt es hier.


Stellungnahme von Urs Masshardt, Geschäftsleiter Hotel & Gastro Union:

«Die Mitarbeitenden der Branche haben einen wertschätzenden Umgang verdient. Sie werden neben den Mitarbeitenden der Medizinbranche als Helden der Krise gefeiert. Die Hotel & Gastro Union fordert klar mehr als nur einen feuchten Händedruck.

Diese Einschränkungen sind für das Gastgewerbe ein Todesstoss auf Raten. Wer bis jetzt nicht entlassen wurde, wird es jetzt. Diese unüberlegte Massnahme trifft einmal mehr die Schwächsten. Viel intelligenter wäre es gewesen, die Situation wirklich situationsbedingt zu beurteilen, d.h. pro Lokal.  Es gibt Lokalitäten, denen es problemlos möglich ist, die entsprechenden Sicherheiten aufrecht zu halten. Alle über den gleichen Strang zu schlagen ist nicht überlegt. Sowas können nur Schreibtisch-Täter entscheiden.

Die Hotel & Gastro Union erwartet jetzt ultimativ und zeitnah, dass die Entschädigung für die Kurzarbeitszeitbezüger zu 100 Prozent ausgeglichen wird. Im Weiteren fordert die Hotel & Gastro Union, dass die Sozialversicherungsbeiträge den Betrieben entschädigt wird. Nur so können flächendeckende Entlassungen verhindert werden. Die Hotel & Gastro Union hat von dieser „Hüh und Hott Politik“ des Bundes die Nase voll. Die Forderungen der Arbeitgeberverbände werden durch die Hotel & Gastro Union voll umfänglich unterstützt. »

(Gabriel Tinguely)