Historische Wetterprognose

Wenn im April die Temperaturen steigen und die Tage länger werden, feiern die Zürcher ihr Frühlingsfest: das Sechseläuten oder «Sächsilüüte», wie es in der Zürcher Mundart heisst.

Kaum spriessen die ersten Frühlingsblumen, richten sich die Augen auf Zürich. Denn dort wird am Sechseläuten-Tag beim Bellevue um Punkt sechs Uhr der Böögg verbrannt. Dabei steht eine 3,40 Meter grosse Strohfigur als Schneemann verkleidet auf einem Scheiterhaufen. Je schneller der mit Dynamit bestückte Kopf explodiert, umso schöner wird der kommende Sommer. Eine Brenndauer zwischen fünf und zwölf Minuten steht für eine warme Jahreszeit. Alles darüber hinaus sagt eher regnerische Monate voraus. Am 15. April ist es wieder so weit. Jedes Jahr ist ein Kanton zu Gast. Dieses Mal wird es Appenzell Ausserrhoden sein. Erwartet werden bis zu 100 000 Zuschauer. Alleine am Sechseläutenplatz sollen es rund 60 000 sein.

Die Wurzeln des Brauchtums gehen auf das 16. Jahrhundert zurück. Damals wurde im Zürcher Rat, der zu jener Zeit ausschliesslich aus Zunftmitgliedern bestand, beschlossen, dass der Feierabend im Sommerhalbjahr eine Stunde später als in den Wintermonaten erfolgen solle. Zum Zeichen des Frühlingsbeginns läutete die zweitgrösste Glocke des Grossmünsters am ersten Montag pünktlich um 18 Uhr. Ab diesem Tag wurde bis in den Spätherbst eine Stunde länger gearbeitet. Das erstmalige «Sächsilüüte» wird seither zelebriert.

Aus zwei Bräuchen wurde einer

Der Name des Böögg geht vermutlich auf den englischen Begriff bogy, boggle oder bogle zurück, was Schreckensgestalt bedeutet. Der Böögg war allerdings nicht von Anfang an dabei. Vielmehr war das Bööggverbrennen der Jugend vorbehalten. Im ehemaligen Kratzquartier, dem heutigen Bürkliplatz, verbrannten die Jungen Böögge, um den Winter zu vertreiben. Gleichzeitig zelebrierten nebenzu beim Bellevue die Zünfte ihren Sechseläutenanlass.

Das Brauchtum Die Schweiz ist voller Bräuche. Während eines Jahres picken wir einige davon heraus wie jenen in Zürich.

Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurden die beiden Brauchtümer vereint. So kommt es, dass sowohl der Kinderumzug am Vortag mit 3000 kostümierten Kindern als auch der Böögg fest zum Anlass gehören. 3500 Zunftmitglieder marschieren tags darauf, begleitet von Reitern, Orchestern und Wagen, durch die Altstadt.

Die Zürcher Zünfte entstanden im Mittelalter. 26 Zünfte bestehen bis heute. Sie regeln nicht mehr den Arbeitsalltag ihrer Mitglieder, sondern halten Brauchtum und Tradition lebendig. Seit ein paar Jahren ist der zuvor reine Männeranlass des Sechseläutens mit einer weiblichen Komponente aufgewertet worden: Bei der Constaffel-Zunft reiten Vertreterinnen der Gesellschaft zu Fraumünster mit.

Wertschöpfungszahlen zum Anlass gibt es gemäss dem Zentralkomitee der Zünfte Zürichs keine. Thomas Wüthrich, Direktor von Zürich Tourismus, erwähnt aber ein besonderes Ritual: «Es gibt Gäste, die über der Glut eine Wurst grillieren. Das ist ein Riesengaudi.»

(Ruth Marending)


Mehr Informationen unter:

sechselaeuten.ch