Kulinarik, die auch ohne Tierisches überzeugt

Der Monat Januar steht dank der Organisation Veganuary und gleichnamiger, internationaler Kampagnen für viele Menschen im Zeichen der pflanzlichen Ernährung. Dass diese auch mit hochstehender Kulinarik locker mithalten kann, beweisen die nachfolgenden Betriebe.

  • Geräucherte, mit Chermoula marinierte Aubergine mit Harissa-Crème fraîche und Fenchelsalat. Eine Kreation von Zizi Hattab. (ZVG)
  • Die «Samurai Bowl» des «Roots and Friends» besteht unter anderem aus Ananas, Tofu und Federkohl.
  • Im Restaurant Marktküche sind unter anderem Sauerklee und Apfel in verschiedenen Texturen die Stars der Show.
  • Paul Ivić setzt pflanzliche Lebensmittel in Szene. Im Bild: Sellerie, Buchweizen und Wildkräuter.
  • Paul Ivić ist der einzige Koch in ganz Österreich, der sich mit nur vegetarischer Küche einen Michelin-Stern erkocht hat.
  • Die «Marktküche» von Tobias Hoesli ist das erste vegane Restaurant, das es in den «Gault Millau» geschafft hat.
  • Zineb (Zizi) Hattab ist ursprünglich Software-Ingenieurin. Ihr Kochhandwerk hat sie unter anderem bei Andreas Caminada erworben.

Die Zahl derer, die vermehrt auf pflanzliche Ernährung setzen, steigt hierzulande kontinuierlich. Im Jahr 2021 ernährten sich laut Swissveg in der Schweiz und Liechtenstein mit 0,6 Prozent der Bevölkerung bereits doppelt so viele Menschen vegan wie noch 2020. Die Zahl der Vegetarier wiederum stieg von 3,4 Prozent auf 4,1 Prozent. Weitere 20,5 Prozent der Schweizer Bevölkerung verzichten zumindest ganz bewusst häufig auf Fleisch.

Frische und ein guter Koch

«Wir sind überzeugt, dass die Menschen in Europa – und das ist der Ort, wo wir uns zu Hause fühlen – in Zukunft viel weniger tierische Produkte konsumieren werden. In dieser Hinsicht ist unser Konzept schon beinahe Mainstream», sagt Frédéric Brunner, ursprünglich gelernter Ingenieur und Mitinhaber des «Roots and Friends» mit aktuell fünf Standorten in der Stadt Zürich.

Gemeinsam mit dem gelernten Koch Hermann Dill, der die Firma Anfang 2022 verlassen hat, entwickelte Frédéric Brunner 2015 das Konzept «Roots and Friends». Dieses setzt in der Küche konsequent auf eine hohe Vielfalt an Gemüse, Früchten und Gewürzen von hoher Qualität. Besonders beliebt bei den Gästen sind im «Roots and Friends» Proteinbowls, Green Curry und Avocado-Toast. Das Geheimnis der guten Küche im «Roots and Friends»? «Frische Zutaten und ein guter Koch», fasst Frédéric Brunner zusammen.

Dass die Speisekarte des «Roots and Friends» ausschliesslich Gerichten aus pflanzlichen Zutaten gewidmet ist, hat nicht nur mit Frédéric Brunners Annahme zu tun, dass die Nachfrage nach solchen Gerichten künftig steigen dürfte. Lucas Brunner, Vater von Frédéric und Mitinhaber von «Roots and Friends», erläutert: «Wir finden, dass die Fleischproduktion durch Massentierhaltung die grösste kollektive Sünde der Menschheit des 21. Jahrhunderts ist. Hinzu kommt, dass die industrielle Fleischproduktion eine katastrophal schlechte Ökobilanz hat. Wir wollen zeigen, dass es auch anders geht.» Dennoch verzichten die Brunners in ihren Betrieben bewusst auf das Vegan Branding. «Wir wollen niemanden bekehren. Uns ist vor allem wichtig, dass wir Produkte verkaufen, hinter denen wir stehen können», sagt Frédéric Brunner.

Jeder Bissen des Gerichts ist Teil einer Geschichte

Auch Zizi Hattab, Gründerin und Geschäftsführerin des Anfang 2020 eröffneten Restaurants Kle in Zürich, möchte niemanden bekehren. Die vegane Küche sei ihre Art, der Umwelt etwas Gutes zu tun. «Zudem liebe ich Gemüse, Nüsse, Früchte und Gewürze. Die Eröffnung meines Restaurants schien mir die perfekte Gelegenheit, das Beste daraus zu machen.» Als Zizi Hattab ihr erstes Lokal eröffnete, hätte die gebürtige Spanierin mit marokkanischen Wurzeln sich nicht träumen lassen, dass sie gut zwei Jahre später mit dem «Dar» – ehemals «Maison Blunt» – bereits ihr zweites veganes Restaurant in Zürich eröffnen würde. Was in beiden Betrieben zur Geltung kommt, ist Zizi Hattabs Vorliebe für Marinaden. Diese seien in Marokko weit verbreitet und gehören somit quasi zu ihrem kulturellen Erbe. «Ein schönes Beispiel ist Chermoula zum Marinieren von Auberginen vor dem Grillen», sagt sie. Bei ihren Gästen besonders beliebt seien unter anderem das geräucherte Karottentatar, die Kentucky Fried Mushrooms, der Meerrettichschaum mit geröstetem Kohl und die Tostada mit Salsa Macha. Im «Dar» liegt der Fokus auf der marokkanischen Küche. «Die Vielfalt pflanzlicher Produkte ist immens. Alles, was wir tun müssen, ist, diese Vielfalt ins Rampenlicht zu rücken», sagt sie. Damit dies gelinge, sei es bei der Zubereitung veganer Gerichte wichtig, nicht nur auf Qualität und Saisonalität zu achten, sondern auch auf die Geschichten, welche die Gerichte erzählen. «Und darauf, sich zu vergegenwärtigen, dass jeder einzelne Bissen Teil dieser Geschichte ist», sagt Zizi Hattab.

Bisher habe sich noch kein Gast darüber beschwert, dass es in ihren Betrieben ausschliesslich vegane Gerichte gebe.

Die vegane Küche kommt ganz gut ohne «Fleischersatzprodukte» aus

Tobias Hoesli, Inhaber und Küchenchef vom Restaurant Marktküche in Zürich, macht ähnliche Erfahrungen. «Die Gäste schätzen es, die neue Art der pflanzlichen Küche bei uns geniessen zu können», sagt er.

Hoesli ernährte sich selbst während fünf Jahren vegan. In dieser Zeit hat er oft auch für Familie und Freunde gekocht. «Dabei wurde immer klarer, dass die vegane Küche nicht aus ‹Fleischersatzprodukten› bestehen muss und dass das Gemüse nicht nur eine Beilage ist. Gemüse kann selbst der Star auf dem Teller sein, ohne Fisch oder Fleisch», sagt Tobias Hoesli.

Mittlerweile ernährt er sich primär vegan/vegetarisch, macht aber auch mal Ausnahmen. «Beim Fleisch lege ich jedoch grossen Wert auf Regionalität und Nachhaltigkeit», sagt er. Dieses Credo gilt auch für die Speisekarte der «Marktküche». Das Menü passt sich monatlich der Saisonalität und der Regionalität an. Somit wechseln die Gerichte häufig. Eine Möglichkeit für die Gäste, jeden Monat neue vegane Gerichte zu entdecken. Damit diese Gerichte gelingen, brauche es Dramaturgie, Konsistenz, Textur sowie Geschmackstiefe. Wenn Hoesli würzt, dann wenig und entsprechend der Saison. Er sagt: «Ich würze grundsätzlich mit frischen Kräutern und möglichst wenig zusätzlichen Gewürzen, da ich den Fokus auf den Geschmack des Produktes legen möchte.»

«Wer das Beste aus den Produkten holen will, achtet auf Saisonalität.»

Zizi Hattab, Geschäftsführerin der Restaurants KlE und Dar


Anstatt Fleisch oder Fleischgerichte zu imitieren, kreieren er und sein Team neue, spannende, kreative und geschmacksintensive Gerichte, bei denen das Gemüse im Zentrum steht. Um dieses kulinarische Erlebnis auch Nicht-Veganerinnen und -Veganern schmackhaft zu machen, verzichtet Hoesli auf das Vegan Branding. «Dieses Wort polarisiert nach wie vor. Vegan ist ein Teil unseres Konzepts. Der Fokus liegt aber auf dem Geschmack sowie dem kulinarischen Gesamterlebnis in der ‹Marktküche›.» In der Kochausbildung fristet Gemüse trotz steigender Beliebtheit in der Bevölkerung noch immer ein Schattendasein. Hierzulande müssen Prüflinge an der Abschlussprüfung aus vier Warenkörben wählen. Nach wie vor enthalten alle vier dieser Körbe Fleisch als Hauptspeise. In Österreich gibt es seit 2019 immerhin die Möglichkeit, sich zum vegan-vegetarischen Koch weiterbilden zu lassen. Für Paul Ivić, Küchenchef im vegan-vegetarischen Haubenrestaurants Tian in Wien, geht es jedoch nicht nur darum, den pflanzlichen Lebensmitteln mehr Gewicht zu verleihen. «Mein Wunsch wäre, dass die Schwerpunkte der Ausbildung auf der Produktqualität, dem Wissen über die Qualität der Ernährung sowie der Herkunft der Lebensmittel liegen würden. Ein respektvoller Umgang mit der Natur, dem Menschen und den Tieren sollte gelehrt und verstanden werden.» Er selbst habe lange in einem System festgesteckt, das der Profitmaximierung galt. Ein Erlebnis mit einer Bio-Bäuerin an einem Marktstand führte zur Umkehr. Diese wollte ihm ihre Eier erst nicht verkaufen, weil sie merkte, dass Ivić diese nicht wertschätzte. Ein Schlüsselerlebnis, das Ivićs Lebens- und Denkweise nachhaltig veränderte.

Seit 2011 begeistert er als Küchenchef die Gäste des «Tian» mit seinen aussergewöhnlichen vegetarischen und veganen Kreationen. Er sagt: «Unser Wunsch ist es, unsere Gäste mit der Natur zu verbinden. Dabei streben wir immer nach dem Besten. »

(Désirée Klarer)


Weitere Betriebe, in denen es sich gut vegan speisen lässt:

«Gourmanderie Moléson»

Die Gourmanderie Moléson in Bern setzt auf ökologische Qualität und unverfälschte Speisen. Neben einem traditionellen Angebot aus Berner und französischer Küche, bietet das mehrfach ausgezeichnete Restaurant auch etwas für die veganen Gäste. Das Angebot reicht dabei von einem veganen Mittagsmenü bis zum Drei- bis Fünfgangmenü.

Gourmanderie Moléson
Aarbergergasse 24/Speichergasse 21
3011 Bern
moleson-bern.ch

«Karls Kraut»

Vegan, natürlich, saisonal, lokal, glutenfrei, ohne Industrie-Zucker, bio und fair: so lässt sich die Küche von «Karls Kraut» in Luzern beschreiben, das 2018 eröffnet wurde. Mittags bieten Corinne Wittinger und Jonas Käppeli, die Pächter des Lokals, drei bis vier verschiedene Menüs mit Salat an. Abends stehen den Gästen drei Vor- und Hauptspeisen sowie vier Desserts zur Auswahl .

Karls Kraut
St. Karliquai 7
6004 Luzern
karlskraut.ch

Restaurant Candela

Im Restaurant Candela in St. Gallen kommen Fleischesser, Vegetarier und Veganer gleichermassen auf ihre Kosten. Das Restaurant hat gar eine Speisekarte eigens mit veganen Gerichten im Angebot. Darauf zu finden sind etwa ein mediterranes Kichererbsen-Ragout oder Basilikumravioli im Kurkumateig.

Restaurant Candela
Sonnenstrasse 5
9000 St. Gallen
restaurantcandela.ch

«Mu-Food»

Das Restaurant Mu-Food in Genf setzt auf frische Produkte von kleinen Produzenten und Kooperativen aus der Region, die idealerweise nach biodynamischen Prinzipien arbeiten. Im Lokal an der Rue de Lausanne 59 kommen ausschliesslich vegane und vegetarische Gerichte auf den Teller. Bei Cateringeinsätzen hingegen bietet die Firma auf Wunsch auch einige Gerichte mit Fleisch an.

Restaurant Mu-Food
Rue de Lausanne 59
1201 Genf
mu-food.ch