Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

Serie: Schweizer Spirituosen (Teil 3) Kultgetränk mit Vergangenheit

Gut 100 Jahre verboten, seit 15 Jahren wieder erlaubt: das zweite Leben des Absinths.

Wermut, Hauptbestandteil von Absinth, werden verdauungsfördernde Eigenschaften nachgesagt. (Keystone)

Langsam tröpfelt das eiskalte Wasser aus der Absinth-Fontäne über ein perforiertes Löffelchen ins Glas. Mit jedem Tropfen schmilzt der Würfelzucker, der sich auf dem Löffelchen befindet. «Ob mit oder ohne Zucker ist Geschmacksache», weiss Oliver Matter von der Matter-Luginbühl AG. Er führt zusammen mit seiner Frau Nicole den Familienbetrieb in Kallnach/BE in vierter Generation. Ihre Absinthe sind zwar nicht die wichtigsten Produkte im Sortiment, aber Matter Spirits, wie sich die Firma heute nennt, ist einer der wichtigsten Absinth-Produzenten ausserhalb des Ursprungsgebiets Val-de-Travers/NE. «Der grosse Hype nach der Legalisierung 2005 ist zwar etwas verstummt», so Matter. Doch vor allem im Barwesen ist Absinth als Bestandteil alter Klassiker wie dem Cocktail Sazerac wichtig.

Wer hat’s erfunden?

Der Ursprung von Absinth liegt im Val-de-Travers/NE, genauer im Dorf Couvet. Wer ihn dort in den 1750er-Jahren erfunden hat, ist nicht genau bekannt. Es gibt dazu mehrere Legenden mit ebenso vielen Erfindern: Major Dubied, Mutter Henriod, Henri-Louis Pernod, um nur ein paar zu nennen.

Der Name Absinth leitet sich von der lateinischen Bezeichnung für Wermut ab: Artemisia absinthium. Gemäss Duden wird die Spirituose auf Deutsch ohne e und nur in der Pluralform mit e wie im Französischen geschrieben. In der Absinthe-Szene wird der Name generell mit e geschrieben.

Das durch Destillation gewonnene Getränk enthält neben Wermut Anis, Fenchelsamen, Melisse und Ysop. Seine Blütezeit erlebte es im 19. Jahrhundert. In Paris wurde es zum Modegetränk von Künstlern und Literaten. Doch wo der Erfolg ist, ist auch der Neid nicht weit weg. So kam die Spirituose schnell in Verruf, weil dem damaligen Volksglauben nach der darin enthaltene Wirkstoff Thujon, ein Nervengift, zu Wahnsinn führen soll. Ausschlaggebend dafür war ein Mordfall von 1905. Der Schweizer Bauer Jean Lanfray ermordete im Rausch seine Familie. Ein gefundenes Fressen für die Prohibitionisten, denen der Absinth-Konsum ein Dorn im Auge war. Ab 1910 wurde der Absinth erst in der Schweiz, dann weltweit verboten. Was während des fast 100-jährigen Verbots geblieben ist, ist das Wissen um die Herstellung. Denn über all die Jahrzehnte hinweg wurde der Absinth im Verborgenen weitergebrannt.

Erst 2005 wurde das Absinthverbot in der Schweiz aufgehoben, ein paar Jahre später als in Europa. Die Matter Spirits nutzte die Gunst der Stunde, auf dieses Geschäft aufzuspringen. Oliver Matter hatte bei der Firmenübernahme im Nachlass seiner Vorfahren ein Originalrezept aus dem Val-de-Travers gefunden. «Wir haderten lange, ob wir einen Absinth auf den Markt bringen wollten», erinnert er sich.

Für die «Grüne Fee» braucht es einen Produktionsgang mehr als für den klassischen Absinth.


Schliesslich war eine grosse Konkurrenz aus dem nahe gelegenen Val-de-Travers zu erwarten. Der Schritt hat sich jedoch für die Firma gelohnt: «Wir hatten umgehend Reaktionen aus Deutschland und England, die uns überraschten», so Matter. Dort war man auf der Suche nach Originalrezepten. Dies ermöglichte es Matter Spirits zu investieren. Bereits im ersten Jahr lancierte man neben dem klassischen Absinth die «Grüne Fee». «Der Unterschied liegt bei der Herstellung», führt Matter aus. Für den klassischen Absinth braucht es einen Produktionsschritt weniger. Er wird «nur» destilliert. Die «Grüne Fee» hingegen wird zusätzlich für einen intensiveren Geschmack mazeriert, also nochmals in den Kräutersud eingelegt.

Heute wird Absinth von Destillerien in der Deutschschweiz sowie von zwanzig Kleindestillerien im Val-de-Travers produziert. Die dortigen Produzenten haben sich zum Branchenverband zusammengeschlossen mit dem Ziel, den Namen Absinthe zu schützen. Dieses Begehren wurde in erster Instanz gerichtlich zwar verworfen. Bei einem zweiten Anlauf gelang es jedoch, die Bezeichnung Absinthe Val-de-Travers AOP durchzusetzen.

(Ruth Marending)


 

Die Serie «Schweizer Spirituosen» wirft einen Blick auf das heimische Schaffen. Sie erscheint in loser Folge.
 


Interessante Adressen zu Absinth


Matter, Kallnach & Aarberg
Über die Jahre ist gut ein Dutzend verschiedener Absinthe entstanden.
www.matter-spirits.ch

Distillerie La Valote Boveresse/NE
Die Absinthe aus dem Hause La Valote wurden mehrfach an der Distisuisse ausgezeichnet, so etwa der Absinthe Esmeralda. 2014 übernahm Philippe Martin die Destillerie seines Vaters Francis, ein ehemaliger Schwarzbrenner. Das Originalrezept ist bis heute unverändert. 
www.absinthe-originale.ch

Absinthe Persoz Sàrl Couvet/NE
Am Ursprungsort werden die Absinthe traditionell nach alten Rezepten in alten Apparaten destilliert.
www.absinthelaptite.ch

Distillerie Artemisia Couvet/NE
2005 war Claude-Alain Bugnon der erste Destillateur im Dorf, wo die Wiege des Absinths stand, der legal braute. Nach einem Rezept aus dem Jahr 1935 entwickelte er einen neuen Absinth: «La Clandestine Bleue» (kurz CLB genannt).
www.absinthe-suisse.com

Absinthe Bar Die grüne Fee Solothurn
Im Herbst 2005 wurde in Solothurn die erste Absinthebar der Schweiz eröffnet. Die Idee stammt von Roger Liggenstorfer, der sich an seinen illegal Absinth herstellenden Grossvater erinnerte.
www.diegruenefee.ch

Maison de l’absinthe Môtiers/NE
2014 eröffnetes Absinth-Museum. Die interaktiv konzipierte Ausstellung lässt die Legende des Absinths und die Zeit des Absinthverbots wieder aufleben. An der Bar werden 30 verschiedene Absinthsorten serviert.
www.maison-absinthe.ch