Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

«Shanghai ist wie leergefegt. Nur wenige Restaurants sind noch offen»

skv-Mitglied Marco Mehr (33) über die aktuelle Situation in der Millionenmetropole Shanghai und seine derzeit eingeschränkte Arbeit als Executive Chef im Hotel Park Hyatt Shanghai.

  • Marco Mehr: «Täglich wird bei uns Fieber gemessen.» (Bilder ZVG)
  • Park Hyatt Shanghai: Im schlimmsten Fall wird ein Stockwerk als Isolationsebene genutzt.

Marco Mehr (skv-Mitglied), wie geht es Ihnen und Ihrer Küchenmannschaft?  
Meinen 155 Köchen und mir geht es gut. Wir konnten sehr schnell die erforderlichen Massnahmen treffen. Alle Mitarbeiter tragen Masken. Es wird alles rund um die Uhr desinfiziert und bei jedem Mitarbeiter und Gast wird täglich Fieber gemessen. Bis anhin hatten wir noch keine Probleme im Hotel.

Wie ist die Stimmung im Team?  
Ruhig und professionell. Die Situation wird von allen sehr ernst genommen. Es wird auch versucht, nicht unnötig Unruhe zu verbreiten. Die Kommunikation im Hotel ist sehr gut. 

Gibt es bereits Coronavirus-Erkrankte in Shanghai?
Ja, es gibt infizierte Personen in Shanghai, die nun unter Isolation behandelt werden. Um eine Ausbreitung zu vermeiden, werden Autokontrollen durchgeführt. Nur Autos mit Kennzeichen aus Shanghai werden in die Stadt gelassen.

Wie gehen die Menschen in der Metropole mit der Situation um?  
Shanghai ist eine Geisterstadt. Die Strassen sind leer. Es gibt nur ganz wenige Restaurants und Bars, die noch offen sind. Die Leute verlassen ihr Zuhause nicht mehr. Die Behörden informieren täglich, jedoch sind viele Einheimische verängstigt. Man erhält sehr viele gemischte Informationen über die klassischen und die sozialen Medien, sowohl wahrheitsgetreue als auch viele Fake-News.

Werden Sie täglich vom Hotel über den neusten Stand der Entwicklungen informiert?
Ja. Wir stehen täglich mit unserem Hyatt Head Office und den Behörden in Kontakt, um sicher auf dem neusten Stand zu sein.

Haben Sie im Hotel und in der Küche besondere hygienische Schutzmassnahmen getroffen?
Rund um die Uhr ist ein Hygiene-Team unterwegs, das reinigt und desinfiziert. Küchenchefs müssen alle 20 Minuten ihre Teams zum kollektiven Händewaschen auffordern. Masken und Handschuhe sind ein absolutes Muss.

Gibt es einen Notfallplan, sollte ein Gast oder ein Mitarbeiter am Coronavirus erkranken?
Wir haben einen Manager of Foreign Affairs und ein Hygiene-Manager, die in engem Kontakt mit der Gesundheitsbehörde stehen. Falls ein Gast oder ein Mitarbeiter Fieber bekommen, werden sie direkt in ein Spital geschickt, um einen Virus-Body-Check zu machen. Wir haben ebenfalls ein Stockwerk des Hotels in eine Isolationsebene umgerüstet, die man im schlimmsten Fall nutzen könnte.

Wie sieht es mit den Buchungen aus?
Alle Events und Gruppenbuchungen für Februar sind storniert worden. Wir gehen davon aus, dass es eine Weile dauert, bis wir wieder normal arbeiten können. Wir haben auch seit einigen Tagen nur noch ein Restaurant für ganz wenige Hotelgäste offen.

Viele europäische Airlines, darunter auch die Swiss, haben ihre Flüge nach Shanghai bis Ende Februar ausgesetzt.
Das wird Auswirkungen auf unser Hotelbusiness haben. Es wird wahrscheinlich Monate dauern, bis sich das Ganze wieder eingependelt hat.

Sind innerchinesische Lebensmittellieferungen eingeschränkt?
Momentan müssen wir nicht allzu viel bestellen, da wir 80 Prozent der Einrichtungen unseres Hotels geschlossen haben. In Shanghai wurden die Feiertage bis zum 10. Februar verlängert. Das heisst, die Leute werden vor diesem Tag nicht zur Arbeit gehen.  

Haben Sie Kontakt zu Schweizer Berufskollegen, die in isolierten Regionen arbeiten? 
Ich habe einige Schweizer Kollegen in China, jedoch befindet sich keiner von ihnen in einer der isolierten Städte. Es gibt hier einen Schweizer WeChat mit über 320 Mitgliedern, da ist man eigentlich immer auf dem neusten Stand.

Wann planen Sie Ihren nächsten Flug in die Heimat?
Mein nächster Schweiz-Besuch wäre im März. Ob ich fliegen kann, hängt von der weiteren Entwicklung der Coronavirus-Erkrankungen hier in China ab. Ich hoffe fest, dass sich die Situation so schnell wie möglich wieder normalisiert.

(Interview Jörg Ruppelt)