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Geteilte Mitarbeiter, doppelter Gewinn

Wer gute Mitarbeitende halten will, muss ihnen Sicherheit, Entwicklungsmöglichkeiten und Abwechslung bieten. Mitarbeiter-Sharing ermöglicht das auch Saisonbetrieben.

  • Im Sommer am See, im Winter im Schnee – nach diesem Motto können Saisonmitarbeiter dank Ganzjahresverträgen mit zwei Häusern längerfristig an Betriebe gebunden werden. (Bilder ZVG)
  • Auch Ganzjahresbetriebe setzen auf den Austausch von Mitarbeitenden, um ihnen neue Erfahrungen zu ermöglichen

Eine gute Mischung aus Neuem und Bleibendem – das wünscht sich Marika Somaini, die derzeit im Albergo Losone im Kanton Tessin an der Réception arbeitet. Während der Wintersaison war sie im Hotel Badrutt’s Palace in St. Moritz angestellt. Dabei handelt es sich um keine gewöhnliche Saisonstelle, denn der Austausch wurde über das Mitarbeiter-Sharing-Projekt der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Chur organisiert. Dadurch erhielt Marika Somaini einen Ganzjahresvertrag bei den beiden Hotels und damit mehr Sicherheit als bei unabhängigen Saisonstellen. Sie schätzt das Angebot sehr: «Die Zusammenarbeit der beiden Betriebe funktioniert super, das gestaltet für mich alles etwas einfacher.» So konnte sie das «Badrutt’s Palace» etwas früher verlassen, um in Losone rechtzeitig zur Ostersaison starten zu können. Hätte sie bei zwei völlig unabhängigen Betrieben gearbeitet, wäre das schwierig gewesen, denn sowohl in Graubünden wie im Tessin zählt Ostern zur Hochsaison. Das Projekt der HTW Chur ist für Marika Somaini ideal: Wie viele junge Berufsleute mag sie die Möglichkeit, in verschiedenen Häusern zu arbeiten und Erfahrungen zu sammeln. Gleichzeitig schätzt sie die Sicherheit und Organisation, die das Projekt ihr bietet.

Rekrutierungskosten verringern

Das Mitarbeiter-Sharing-Projekt der HTW Chur, an dem auch der Branchenverband Hotelleriesuisse beteiligt ist, soll die Zusammenarbeit zwischen Saisonbetrieben vereinfachen. Neu ist die Idee des Mitarbeiteraustauschs aber nicht. Grössere Hotelketten und -kooperationen nutzen diese Möglichkeit bereits seit Jahren, um Fachkräfte im Konzern zu halten. Bei den Romantik Hotels etwa gab es diesen Austausch gemäss Pressesprecher Andreas Schneider auf individueller Basis schon immer: «Gerade in Saisonbetrieben gibt es viel Potenzial für den Austausch. Nicht zuletzt, um die Mitarbeiter zu binden, da man ihnen so Ganzjahresstellen anbieten kann.» Die Mitglieder der Romantik Hotels schätzen diesen Austausch: «Nichts ist so gut wie eine persönliche Empfehlung. Wir kennen uns und unsere Betriebe untereinander sehr gut und können relativ gut einschätzen, wer von unseren Mitarbeitenden wo gute Erfahrungen sammeln, aber auch gute Arbeit leisten kann», erklärt Daniel Heiserer vom Romantik Hotel Castello Seeschloss in Ascona. Aufgrund der verschiedenen Saisons tauscht er schon seit Jahren Mitarbeitende mit dem Romantik Hotel Schweizerhof in Flims aus.

«Wir sind sehr zufrieden mit dem Austausch», sagt auch Sandra Schmidt vom Hotel Schweizerhof. «Dadurch, dass den Mitarbeitenden sichere Arbeitsplätze das ganze Jahr über geboten werden, kommen sie, wenn alles gepasst hat, auch gerne wieder.» Dies erspare hohe Rekrutierungskosten und die Einarbeitungszeit.

Und auch bei den Mitarbeitenden kommt das Angebot an: So sagt etwa Alberto Pavan, Chef de partie im Hotel Castello Seeschloss, über seine Wintersaison im Romantik Hotel Schweizerhof in Flims: «Es war sehr spannend, für eine europäische Kooperation zu arbeiten und sich trotzdem ein wenig wie zuhause zu fühlen.» Auch im kommenden Winter will er nach Flims zurückkehren – der unkomplizierte Austausch hat also für beide Seiten Früchte getragen.

Austausch ermöglicht Erfahrungen

Dass Saisonbetriebe den Austausch von Mitarbeitern schätzen, liegt auf der Hand. Aber auch saisonunabhängige Hotels fördern den Austausch, um Mitarbeitern neue Erfahrungen zu ermöglichen. So etwa die Accor Hotels Schweiz. «Wir ermutigen unsere Mitarbeitenden stets, die vielen Möglichkeiten für einen Austausch innerhalb der Accor-Hotels-Gruppe wahrzunehmen und wertvolle Erfahrungen in anderen Betrieben zu sammeln», erklärt Nathalie Morel-Favre, Human Resources Accor Hotels Schweiz. Mitarbeitende aller Berufsgruppen können in einem anderen Betrieb, einer anderen Stadt oder auch bei einer anderen Marke der Gruppe arbeiten. Dies hat gemäss Nathalie Morel-Favre Vorteile sowohl für die Mitarbeitenden als auch die Hotelgruppe: «Die Mitarbeitenden können sich bezüglich ‹Best Practices› austauschen, sowie andere Sprachen und Mentalitäten kennenlernen. Gleichzeitig wird die Mobilität der Mitarbeitenden gefördert und kurzfristige Personalengpässe oder spezielle Bedürfnisse der Betriebe wie etwa in der Hochsaison können kompensiert werden.» Die Mitarbeitenden kämen jeweils mit ganz unterschiedlichen, meist positiven Erfahrungen zurück, die sie in ihrem weiteren Berufsleben einbringen könnten. Zudem bringe der Austausch mit anderen Betrieben die Mitarbeitenden nicht nur professionell, sondern auch persönlich weiter: «Es ist eine berufliche Anerkennung und eröffnet neue Perspektiven auf die eigene Arbeit, die Branche und die berufliche Mobilität.»

Persönlicher Kontakt statt schriftliche Bewerbung

Der Austausch von Mitarbeitern scheint eine Win-win-Situation zu sein. Sowohl Arbeitgeber wie Arbeitnehmer bestätigen die Vorteile. Das war auch die Grundlage für die Entstehung des Projekts «Im Sommer am See, im Winter im Schnee» der HTW Chur im Jahr 2015. «Der Austausch findet an vielen Orten bereits statt, oft fehlt aber eine professionelle Organisation und eine Plattform, über die sich Mitarbeiter und Arbeitgeber kennenlernen können», erklärt Initiantin und Projektleiterin Brigitte Küng.

So tauscht etwa die Tschuggen Hotel Group seit Jahren Mitarbeiter innerhalb der Gruppe aus. Von Anfang an war sie Teil des Projekts, denn im breit abgestützten und professionell organisierten Mitarbeiter-Sharing sieht sie die Zukunft. Durch das Projekt hat das Mitarbeiter-Sharing eine grössere Bekanntheit gewonnen, was das Rekrutieren von Mitarbeitern erleichtert. «Durch die Zusammenarbeit mit anderen Betrieben ergeben sich zudem neue Kontakte, sodass der Austausch noch besser funktioniert», erklärt Brigitte Küng.

Claudia Züllig vom Hotel Schweizerhof in Lenzerheide schätzt am Projekt ebenfalls vor allem den persönlichen Austausch. Bei den regelmässig stattfindenden Mitarbeiter-SharingCareer-Days stellen die Betriebe sich potenziellen Mitarbeitern vor – dies ist eines der Herzstücke des Projekts. «Normalerweise läuft viel über schriftliche Bewerbungen oder das Telefon – hier hat man die Möglichkeit, Bewerberinnen und Bewerber gleich persönlich kennenzulernen.»

Für Projektleiterin Brigitte Küng ist dann auch klar, dass der persönliche Austausch ein wichtiger Teil des Projekts bleiben muss. Zwar soll eine Online-Plattform, die diesen Sommer für die am Projekt beteiligten Betriebe geöffnet wurde, den Findungsprozess für Mitarbeitende und Betriebe erleichtern. Der persönliche Austausch ist aber gemäss Brigitte Küng weiterhin zentral: «Ein persönliches Treffen sagt einfach viel mehr aus als ein schriftlicher Lebenslauf. Neben der Plattform werden die Career-Days daher auch künftig stattfinden.»

Karriere trotz Saisongeschäft

Ein Rundgang beim Mitarbeiter-Sharing-Career-Day in Losone im Juni zeigt klar auf, dass die beteiligten Hoteliers und Gastronomen sich einig sind: Es muss etwas passieren, damit Fachkräfte in Saisonbetriebe zurückkehren – und damit die Arbeitslosigkeit in saisonabhängigen Tourismusgebieten sinkt. Denn dank Jahresverträgen werden Fachkräfte das ganze Jahr über bezahlt und müssen in der Zwischensaison kein Arbeitslosengeld beziehen.

Klar ist aber auch: Die Betriebe können die besten Voraussetzungen schaffen, um so attraktiv wie möglich für potenzielle Mitarbeiter zu sein. Letztlich hängt der Erfolg des Mitarbeiter-Sharings aber auch vom Mitarbeiter selbst ab und von seinem Willen, ganzjährig tätig zu sein. «Wir versuchen, die Bedingungen für den Austausch so attraktiv wie möglich zu gestalten. Am Ende entscheidet aber immer noch der Mitarbeitende, ob er das Angebot wahrnimmt oder ausserhalb der Saison lieber Arbeitslosengeld bezieht», erklärt Brigitte Küng. 

Daher werden die Bedürfnisse der Mitarbeitenden ins Zentrum gestellt. Sie sollen sehen, dass Betriebe sich bemühen, ihnen möglichst spannende Stellen zu bieten, bei denen sie sich mithilfe beider Betriebe weiterentwickeln können. «Das ist auch im Saisongeschäft möglich, wenn die Betriebe sich über das Potenzial des Angestellten austauschen und gemeinsam versuchen, ihn weiterzubringen.»

Klar ist, dass im Modell des Mitarbeiter-Sharings ein riesiges Potenzial liegt. Sei es auf individueller Basis zwischen Hotels einer Gruppe oder einer Kooperation oder aber auf der breiter angelegten und abgestützten Plattform des Mitarbeiter-Sharing-Projekts der HTW Chur. «Wir werden von Anfragen fast überrannt, sogar aus anderen Branchen wie dem Detailhandel», bestätigt Brigitte Küng. Derzeit beschränkt man sich aber bewusst auf 23 Betriebe: «Unsere Plattform muss hundertprozentig funktionieren, bevor wir sie Ende 2018 öffentlich zugänglich machen. Nur dann kann sie auch langfristig Erfolg haben.» Fest steht: Können erst einmal Betriebe in der ganzen Schweiz auf die Online-Plattform zugreifen und sich das Mitarbeiter-Sharing zunutze machen, wird der Austausch von Mitarbeitern in der Hotellerie- und Gastronomiebranche in der Schweiz ein ganz neues Level erreichen.

(Angela Hüppi)


Mehr Informationen unter:

www.htwchur.ch/mitarbeitersharing