Die Zertifikatspflicht in Hotels und Restaurants ist Realität. Wir haben uns in der Branche umgehört und Reaktionen von Gastgeberinnen und Gastgebern gesammelt.
Wie es den Gastgebern seit der Einführung der Zertifikatspflicht ergangen ist, haben wir hier zusammengetragen. Der Erfahrungsbericht wird laufend ergänzt.
Linus Thalmann, Gastgeber, Restaurant Toggenburgerhof, Kirchberg/SG
«Die Solidarität unter den Gästen ist gross, und es gibt auch Gäste die sagen, dass sie sich nun sicherer fühlen. Wenn zum Beispiel von drei Gästen einer kein Zertifikat hat, nehmen die Gäste draussen Platz. Montag bis Freitag liegt die Stornierungsquote etwa bei 50 Prozent, am Samstag hingegen hatten wir keinerlei Stornierungen. Das stimmt mich optimistisch. Ein erstes Resümee ziehe ich Ende Monat. Jetzt ist es dafür noch zu früh.»
Rico Zindel, Geschäftsleiter, Säntis Gastro AG, St.Gallen
«Persönlich begrüsse ich die Zertifikatspflicht. Sie sollte aber weiter gehen als nur bis zu Gastronomie, Fitnesscenterd oder Kinos. Warum dürfen Politiker nach wie vor ohne Zertifikat in die Parlamentssäle? Unsere Betriebe müssen Umsatzeinbussen von bis zu 40 Prozent hinnehmen. Ebenfalls haben wir schon Stornierungen von Weihnachtsessen und Banketten zu verzeichnen. Unserer Betriebskosten bleiben aber dieselben. Ich kann leider meine Mitarbeitenden nicht teilen. Noch braucht es einen ganzen Mitarbeitenden um den Betrieb aufzuschliessen. Ebenfalls benötigen wir einen ganzen Koch ob für 20 oder für 50 Menüs am Mittag. Dies ist nach wie vor bei unseren Politikern und Behörden immer noch nicht angekommen. Dies ist sehr belastend und ermüdend. Das BAG und der Bundesrat soll endlich Farbe bekennen und der Bevölkerung klar sagen, was Sache ist. Die Impfpflicht durch die Hintertür ist feige und ungerecht für jene Branchen, die das nun ausbaden dürfen.»
Roger Jutzi, Hotel Krone Unterstrass, Zürich
«Von Anfang September befinden wir uns eigentlich bis Ende Jahr in der Hochsaison. Nach nur einer Woche kann man wirklich ohne Wenn und Aber bei der Gästefrequenz einen Einbruch von 40 Prozent feststellen. Viele Familien- oder aber auch Firmenfeste wurden abgesagt. Viele organisieren sich nun im privaten Bereich, um auch allen Teilnehmenden gerecht zu werden. Wenn es nach mir gehen würde, sollte man diese Pflicht umgehend abschaffen oder aber auch in den Shoppingcentern, Bahnen und dergleichen mit denselben Regulatoren hantieren. Die Umsetzung gestaltet sich bei uns auch ein wenig schwierig. Aufgrund mehrerer Restaurants mussten wir einen zentralen Eingang beim Hotel arrangieren, wobei dieser, während den Essenszeiten, eine Person für die Kontrolle benötigt. Schade ist einfach, dass viele Besucher den Frust dieser Kontrollen über unsere Mitarbeitenden ablassen, was einen tollen Start nicht immer einfach macht. Die Vorschau in die Reservationssysteme lässt zudem keine positive Entwicklung erkennen. Wir gehen davon aus, dass dieser Zustand sicherlich bis Ende Oktober 2021 anhalten wird. Dies in der Hoffnung, dass sich doch noch der eine oder andere impfen lässt.»
Michel Gygax ist Geschäftsführer der KG Gastrokultur GmbH in Liebefeld/BE. Dazu gehören die Weinhandlung Weinerlei und die Restaurants Schloss in Köniz/BE, Le Beizli in Liebefeld/BE sowie das «Du Nord», «Marzer», «Eiger» und «Esprit Nouveau» in der Stadt Bern.
«Die erste Woche mit Zertifikatspflicht war eine eher ruhige Woche. Aber wir hatten keinen massiven Einbruch. Die Gäste reagierten mehrheitlich verständlich. Unsere Servicemitarbeitenden haben die Kontrollpflicht übernommen. Das lief unkompliziert und schnell ab, da ja nur auf einen Knopf gedrückt werden muss. Die meisten Gäste hatten mit dem Zertifikat auch bereits den Ausweis schon parat.»
Catherine Mao ist Gastgeberin im Hôtel Restaurant Le Mont-Vully in Lugnorre/FR.
«Im Hôtel Restaurant Le Mont-Vully in Lugnorre/FR ist die Woche super gelaufen. Die Gäste wussten, dass sie ein Zertifikat vorweisen müssen. Auch ältere Semester hatten diese elektronisch oder auf Papier dabei. Es gab einige wenige Absagen. Doch die Tische konnten wieder besetzt werden. Insgesamt besuchten nicht weniger Gäste das «Le Mont-Vully». Auch das Hotel war gut ausgelastet. Hotelgäste, die kein Zertifikat hatten, konnten auf der gedeckten Terrasse frühstücken. Es läuft wieder alles wie normal.»
Tobias und Selina Lechmann, Gastgeberpaar Casa Fausta Capaul, Breil/Brigels/GR.
«Die Kontrollen werden hauptsächlich von Selina Lechmann durchgeführt. Dies mit ihrem privaten Handy. Falls sie nicht im Betrieb anwesend ist, übernimmt das Kontrollieren ein Mitarbeiter, der dazu ebenfalls sein privates Handy benutzt. Da unser Restaurant über zwei Eingänge verfügt, werden bei uns die Kontrollen erst am Tisch gemacht. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass die Gäste wissen, dass wir die Zertifikate überprüfen müssen und sich damit abfinden. Für uns ist es ein zusätzlicher Arbeitsschritt den wir machen müssen, bevor wir überhaupt anfangen können zu bedienen. Es braucht noch ein paar Tage Übung bis die Kontrolle zum normalen Serviceablauf dazugehört. Wir vermuten, dass wir wegen der Zertifikatspflicht an Umsatz verlieren werden. Es wurden bereits Anlässe abgesagt. Auch unsere Stammkunden fehlen zum Teil, da im Moment noch nicht alle das Zertifikat haben. Und gewisse Gäste werden es auch nie haben wollen. Daher rechnen wir mit Umsatzverlusten.»
Marco R. Zanolari, General Manager, Grand Resort Bad Ragaz, Bad Ragaz/SG.
«Durch die Vielfalt an Restaurationsangeboten sind wir ziemlich gefordert. Das heisst: wir stellen für jedes Restaurant und jede Bar eigens Mitarbeitende bereit, die am Eingang die Zertifikate scannen und prüfen. Das fordert uns stark, gerade an den Wochenenden. Für Hotelgäste haben wir ein eigenes System mit Armbändchen entwickelt, das sich nach Startschwierigkeiten gut bewährt hat. Ein grosses Danke geht an unsere Gäste, die haben mit viel Geduld auf die neuen Umstände reagiert. Aber auch unsere Mitarbeitenden nehmen sich viel Zeit für Erklärung und Gespräche. Das hat mich sehr beeindruckt. Nach den etwas holprigen Anfängen läuft es jetzt sehr gut. Wir sind zufrieden und ich bin überzeugt, dass sich das sehr rasch einpendeln wird. In den Restaurationen sind in dieser ersten Woche die Reservationen eher mit Zurückhaltung eingegangen. Jetzt ist aber bereits wieder eine Normalisierung spürbar. Ich bin überzeugt, dass sich die Wogen glätten werden und - wie schon so oft in dieser Pandemie - ein neues "Normal" Einzug halten wird. Wenn ich aber hinüber zu meinen Kollegen im Casino Bad Ragaz blicke, dann sind die Auswirkungen der Zertifikatspflicht einschneidend. Dort ist ein markanter Umsatzeinbruch zu erkennen.»
Pascal Kunz, Co-Geschäftsführer Hinz und Kunz, Basel.
«Unsere Bar befindet sich mitten in der Markthalle in Basel. Wir kontrollieren die Zertifikate bereits beim Eingang, da wir wegen unseres besonderen Standorts vor der Bar auch eine Art Take-away für alle Gäste anbieten, die in der Halle bleiben. Bis jetzt haben wir mit unseren Gästen keinerlei Probleme, sie sind alle super verständnisvoll. Wegen der Zertifikatspflicht haben wir bis jetzt keine Umsatzeinbussen erlitten. Allerdings liegt das eventuell am regnerischen Wetter der letzten Tage. Schlechtes Wetter ist immer gutes Barwetter. Wir haben bislang keine Stornierungen. Dennoch haben sich letzte Woche leider ein paar Gäste von uns verabschiedet, weil sie nicht zertifiziert sind. Dies tut uns natürlich im Herzen weh. Unter dem Bruchstrich funktioniert aber bis jetzt die Zertifikatspflicht bei uns. Schauen wir mal, was die Zukunft so bringt.»
Pola Rapatt, Co-Geschäftsführerin «Unternehmen Mitte», Basel
«Wir haben ein komplexes Haus. Viele Menschen laufen durch unser Restaurant zu Veranstaltungen und Praxen im Obergeschoss oder gehen an die Bar, um sich selber etwas mit auf die Terrasse zu nehmen oder gehen aufs WC. Wir fragen an der Bar, wo die Gäste sitzen möchten, und wenn sie im Innern sitzen möchten, bitten wir sie das Zertifikat zu zeigen. Alle, die ein Zertifikat besitzen, zeigen es gerne. Die Umsätze sind aber erschreckend eingebrochen. Ich schätze, dass 50 Prozent unserer Stammgäste oder sogar mehr kein Zertifikat haben. Sie werden, wenn ein Regenschauer kommt, entweder nass oder gehen nach Hause. Viele werden gar nicht erst kommen. Die jetzige Situation ist sehr besorgniserregend. Vier Tage nach Einführung der Zertifikatspflicht haben wir ein neues urbanes Gourmetrestaurant eröffnet. Die Gästeliste für den Eröffnungsabend war lang, ebenso die Liste der Absagen aufgrund der Zertifikatspflicht. Ein Beispiel: Eine Gruppe von geladenen Gästen reservierte für acht Personen. Weil zwei von ihnen kein Zertifikat besitzen, haben sie abgesagt. Bei uns macht das Zertifikat keinen Sinn. Wir haben jeden Tag 1000 Gäste und noch nicht einmal wurde uns eine Ansteckung im Hause gemeldet. Hier ist genug Platz und Luft für alle und alle Abstandregeln haben hier vorbildlich funktioniert.»
Bruno Lustenberger, Geschäftsführer des Restaurant Hotel Krone in Aarburg/AG.
«Die Gäste halten sich an die Zertifikatspflicht. Es gibt aber leider wieder Abmeldungen, was sich negativ auf den Umsatz auswirkt», Bruno Lustenberger, Geschäftsführer des Restaurant Hotel Krone in Aarburg/AG. Als Präsident von Gastroaargau weiss er, dasseinige Betriebe ihre Innenbereiche sogar geschlossen haben. Denn die Umsetzung der Zertifikationspflicht im Restaurant ist ein Zusatzaufwand, welcher vor allem über den Mittag mühsam sei. Dann muss alles schnell gehen. «Ein Mitarbeiter übernimmt dann jeweils das Controlling.» Damit trotzdem alles einigermassen fliessend vonstatten geht, ist bereits an der Türe des Restaurants angeschrieben, dass alle Gäste ihr Zertifikat bereithalten sollen. Dieses wird beim Eintritt oder spätestens am Tisch kontrolliert. «Wir mussten diese Woche leider fünf Personen wegweisen, was zur Folge hatte, dass die sieben Begleitpersonen mit Zertifikat ebenfalls gegangen sind. Was uns sehr stört ist, dass wir jetzt Polizist spielen müssen!»
Waldemar Schön, Gastgeber Restaurant Grängierstuba, Grengiols/VS.
«Wir spüren bislang keine grossen Auswirkungen, solange das Wetter einigermassen gut ist und Unzertifizierte draussen sitzen können. Die Zertifikatskontrolle geht ganz einfach: Kontrolle der Zertifikate mit App am Platz. Stammgäste, die das Zertifikat auf dem Handy haben, kontrolliere ich einmal. Papierzertifikate immer mal wieder, das betrifft vor allem ältere Gäste. Der Aufwand ist relativ gering und die allermeisten Gäste haben damit keinerlei Probleme. Zwischenfälle der ernsteren Garde bleiben bisher aus. Ich bin vom Nutzen des Zertifikats überzeugt und hätte dieses ab Anfang Oktober so oder so eingeführt. Denn schlimmer als weniger Gäste sind keine Gäste, wenn es erneut zum Lockdown kommen würde. Persönlich finde ich es enttäuschend, dass sich so viele Menschen in unserem Land ihrer Solidarität entledigen und das Impfen, aus welchem unerfindlichen Grund auch immer, unterlassen. Zudem: Dass unsere obersten Branchenvertreter keine anderen Ideen haben, als sich im Namen der Branche lauthals über alles und jeden zu beschweren, finde ich völlig fehl am Platz. Neben den vielen Toten und Schwerkranken ist die Vernunft der wohl grösste Verlierer dieser Corona-Zeit.»
Nadja Schuler und Stéphane Wirth, Gastgeber Hotel-Restaurant Hirschen, Villigen/AG.
«Wir hatten die letzten Wochen ein gut besuchtes Restaurant und ein überfülltes am letzten Samstag vor der Einführung der Zertifikatspflicht. Seit 14. September ist bei uns sehr, sehr, sehr wenig los. Am Dienstagmittag, 14.9., hatten wir fünf Essen. Am Abend schicken wir im Moment zwischen zehn und 15 Essen. Wir haben im Moment eine Umsatzeinbusse von zirka 70 Prozent im Restaurant. Den Wirten hier in unserem Umkreis von zehn Kilometern, welche ein Speiserestaurant führen, geht es gleich. Ich hoffe, es bleibt nicht so und es ändert sich bald wieder. Ich denke, in einer belebten Stadt wird es nicht so düster aussehen wie bei uns. Ich habe uns auf jeden Fall wieder unter Kurzarbeit angemeldet, falls es noch länger so bleibt.»
Heinz Brassel, Direktor Hotel Seedamm Plaza, Pfäffikon/SZ.
«Mit der Einführung der Zertifikatspflicht gab es von Seiten der Kunden viele Unklarheiten und leider auch erneut wieder Annullationen von diversen Anlässen. In den ersten drei Tagen spürten wir einen Gästerückgang, was sich natürlich auch auf den Umsatz ausgewirkt hat. Wir sind gespannt, wie sich dies in den nächsten Wochen weiter entwickeln wird. In Bezug auf die Zertifikatskontrolle sind die Veranstalter der Anlässe in der Pflicht, dies zu prüfen, was bei grossen Anlässen nebst dem Veranstalter auch durch Sicherheitspersonal unterstützt werden kann. Die geprüften Teilnehmer erhalten einen Bändel, mit welchem vermieden wird, dass ein Gast beim Besuchen des Restaurants oder der Bar erneut geprüft wird. In der Gastronomie werden gewisse Zeiten am Tag durch einen zusätzlichen Sicherheitsdienst abgedeckt und die ruhigeren Zeiten durch unsere Mitarbeiter. Die Erfahrungen machen wir nun aktiv und auch im Gespräch mit Gegnern und Befürwortern der Zertifikatspflicht, jedoch beschäftigen wir uns dann immer gerne und oft mit dem Ziel der bestmöglichen Dienstleistung am Kunden und mit dem Optimieren und Arbeiten für eine erfolgreiche Zukunft.»
René Rechsteiner, Gastgeber, Restaurant Bierfalken, St. Gallen
«Es ist immer das Gleiche während der Pandemie: Immer, wenn unsere Branche mit Massnahmen belegt wird, sinkt der Umsatz sofort zwischen 20 bis 50 Prozent je nach Gästestruktur. Wir wollen die Gäste empfangen und bedienen und nicht kontrollieren und wegschicken. Das kann nicht unsere Aufgabe sein. Nach acht Monaten des Lockdowns sind wir auf Gäste und deren soziales Umfeld angewiesen. Wir wollen Gastlichkeit und Herzlichkeit versprühen, das ist unser Job.»
Raphael Herzog, Gastgeber Hotel Vitznauerhof, Vitznau/LU.
»Wir haben im gesamten Hotel, ausser im Garten, eine Zertifikatspflicht für alle eingeführt. Bisher läuft alles bestens, und negative Reaktionen blieben bis jetzt aus.»
(red)