Der Bund will die Schweizer Berufsbildung mit einem Zusatz zur Berufsbezeichnung international aufwerten. Was ändert sich?
Unter Christa Augsburger hat sich die SHL international ausgerichtet. (ZVG)
Immer mehr Jugendliche wollen an die Uni statt in die Lehre. Deshalb schlägt der Bund vor, die Berufsbezeichnung mit dem Zusatz «Professional Bachelor» respektive «Professional Master» zu ergänzen. Mitte September hat der Ständerat dem Vorschlag zugestimmt. Christa Augsburger, Direktorin der SHL Schweizerischen Hotelfachschule Luzern, ist zuversichtlich, dass in der Wintersession auch der Nationalrat zustimmen wird.
Christa Augsburger: Wer alle Semester absolviert und alle Prüfungen besteht, darf sich dipl. Hotelier-Gastronom HF respektive dipl. Hoteliere-Gastronomin HF nennen. Ab Herbst 2026 kommt der Zusatz «Professional Bachelor» hinzu – sofern der Nationalrat zustimmt.
Der Weg an eine Fachhochschule führt über eine Maturität – Berufsmittelschule oder gymnasiale Maturität mit Berufserfahrung. Fachhochschulen FH müssen Forschung und Entwicklung integrieren. Die Basis für das Studium an einer Höheren Fachschule HF bildet die Berufslehre oder eine Maturität. Dabei stehen Praxis und Anwendung im Fokus. Die Hotel & Gastro Formation bietet eidg. Berufsprüfungen BP mit Fachausweis und höhere Fachprüfungen HFP mit Diplom an. Fachausweise werden mit «Professional Bachelor» und die Diplome mit «Professional Master» ergänzt.
In Zusammenarbeit mit der HSLU Hochschule Luzern bieten wir unseren Absolventinnen und Absolventen ab Frühling 2026 einen Anschluss an ein Bachelor-Studium an. Dieses schliesst mit dem Titel Bachelor in Hospitality Management ab und erhöht die Chancen auf eine attraktive Position in der Hospitality-Branche – insbesondere auch international.
Nein, für den Zusatz im Titel müssen wir nichts anpassen. Damit die SHL Diplome vergeben darf, erfordern die Bildungsgänge in deutscher und englischer Sprache ein Anerkennungsverfahren durch den Bund. Alle sieben Jahre überarbeiten wir mit den Organisationen der Arbeit ODA zu Handen des Bundes den Rahmenlehrplan. Doch es ist nicht so, dass wir uns dann sieben Jahre strikt daran halten. Wenn neue Technologien wie KI die Branche bewegen, kommen diese von heute auf morgen in den Unterricht. Dafür haben wir die Stelle Innovation und Entwicklung geschaffen. Josef Jans hält für uns die Augen und Ohren offen. Besonders aktuell sind die Digitalisierung, die Nachhaltigkeit sowie überfachliche Kompetenzen.
Ja. Der Tourismus wächst weltweit. Auf allen Kontinenten entstehen unglaublich tolle Hotels. Die schaffen Arbeitsplätze und sind auf gut ausgebildete Fachkräfte angewiesen. Denn in vielen Ländern sind die Berufslehre und die praktische Ausbildung inexistent und die Betriebe haben Mühe, das erwartete Servicelevel zu erreichen.
Genau. In Kooperationen vermitteln wir eine anwendungs- und praxisorientierte Ausbildung. Die älteste Partnerschaft haben wir mit Kambodscha. Ein Projekt in Myanmar ist abgeschlossen. Weitere laufen in Indonesien, Ruanda, Ägypten oder Georgien. Wir betreiben jedoch keine Schulen. Unsere Rolle ist die Beratung von Regierungen, NGOs oder Privaten im Aufbau von Trainingsinfrastruktur. Wir trainieren die Trainer. Teilweise ist vorgesehen, dass Leute von der SHL im ersten Jahr vor Ort sind. Danach unterstützen und überwachen wir von Luzern aus. Unsere Partner dürfen das SHL-Logo mit dem Zusatz «audited by SHL» verwenden. Damit wird unsere Marke international bekannt, was uns in Zukunft auch Studierende bringt.
Die Hotellerie und der Tourismus bekommen Krisen als Erste zu spüren. Ich denke, dass es im internationalen Tourismus immer noch Wachstumsraten geben wird. Vermutlich machen hohe Treibstoffpreise und gestiegene Lebensmittelkosten das Reisen teurer. Das wirkt dem Massentourismus entgegen, den viele Destinationen gar nicht mehr schlucken können. Individualreisende suchen das Erlebnis. Authentische Reisen und der Austausch vor Ort gewinnen an Bedeutung. Der Markt wird also auch in Zukunft gut ausgebildeten Fachkräften interessante Stellen anbieten.
(Gabriel Tinguely)
Nach der Ausbildung zur dipl. Hôtelière-Restauratrice HF an der SHL kehrte Christa Augsburger nach Jahren in Führungstätigkeiten in der Hotellerie an die SHL zurück. Seit 2015 ist sie Direktorin dieser höheren Fachschule.