Eine Zeitreise im Emmental

Durch eine TV-Serie wurde Eggiwil/BE schweizweit bekannt. Der «Hirschen» im Ort profitiert noch heute davon.

Es war im Jahr 2004, als das Schweizer Fernsehen im Sahlenweidli in Eggiwil die dreiwöchige Doku-Serie «Leben wie zu Gotthelfs Zeiten» drehte. Damals wohnte die Familie Zuppiger im Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert genauso spartanisch, wie es zu Lebzeiten von Jeremias Gotthelf (1797–1854) üblich war. Nämlich ohne Strom und Wasser. Wie nachhaltig die Serie bis heute ist, spürt der «Hirschen» noch immer. «Seit jenem Drehjahr pachten wir für zwei Monate im Winter das Haus und betreiben dort ein Beizli», erzählt Alexander Liechti, der zusammen mit seinen Eltern Urs und Doro Liechti sowie seiner Ehefrau Yomari den «Hirschen» in dritter und vierter Generation betreibt. Zudem bietet das Hotel Seminargästen die Möglichkeit, das Abendessen im historischen Bauernhaus zu geniessen. «Da wir dort aus feuertechnischen Gründen und wegen der Hygieneanforderungen nicht kochen dürfen, produzieren wir alles in unserer Küche vor, packen sous-vide ab und regenerieren vor Ort.»

Jüngst ist mit «Übernachten wie zu Gotthelfs Zeiten im Sahlenweidli» ein weiteres Angebot hinzugekommen. Für die erste Nacht im Sahlenweidli erhalten die Gäste einen gut gefüllten Warenkorb, um sich damit das Abendessen und Frühstück selber zuzubereiten. Tags darauf geht es zurück ins 21. Jahrhundert, wo im «Hirschen» das komfortable Zimmer, die Gaststube mit typischen Berner Spezialitäten und ein Wellnessangebot warten.

Lange Tradition

Die Geschichte des «Hirschen» beginnt 1815 als Bauernhof mit Krämerladen. 1868 machten die damaligen Besitzer daraus eine Gastwirtschaft, und 1919 übernahm die Familie Liechti den Betrieb. Zum ursprünglichen Haupthaus mit den Gastronomie- und Seminarräumlichkeiten gehören die verpachtete Heidbühl Metzg sowie das Gästehaus, wo die meisten der 33 Hotelzimmer untergebracht sind. 2022 ist der Wellnessbereich mit Sauna, Whirlpool und Ruheraum hinzugekommen. 

Im Laufe der über 100 Jahre, während denen die Familie Liechti den «Hirschen Eggiwil» führt, hat sie zahlreiche Umbauten und Renovationen realisiert. «Wir haben vor zwei Jahren alleine in die Renovation der Zimmer, den Wellnessbereich und eine Fotovoltaik-Anlage rund 700 000 Franken investiert», verrät Liechti. Besonders letztere Investition lohnt sich, liefert die Anlage auf dem Dach doch zwei Drittel des gesamten Energiebedarfs. Geheizt wird mit Fernwärme, die mit Holzschnitzeln aus der Umgebung entsteht.

Bern gibt den Ton in der Küche an

Das Erfolgsrezept des «Hirschen» führt Alexander Liechti auf den Fokus der lokalen Küche zurück. «Wir bieten oft Null-Kilometer-Menüs an.» Beispielsweise kommen der Käse und das Fleisch von den Fachgeschäften auf der anderen Strassenseite. Liechti bezeichnet deshalb sein Lokal als Regionalspezialitäten-Restaurant. Das regionale Ansinnen setzt sich im Hotelbereich fort: Shampoo und Handseife sind Eigenkreationen der Dorfdrogerie.

(Ruth Marending)


Fakten und Zahlen

Hotel

Drei-Sterne-Hotel mit 33 Zimmern in drei Kategorien: Klassik, Superior und Familie mit einer Auslastung von bis zu 75 Prozent im Sommer.

Seminare

Drei Veranstaltungsräume für Seminare, Meetings und Familienfeiern bis zu 200 Personen.

Sitzplätze im Restaurant

50 innen, 60 aussen.

Foodrenner

Markbein mit hausgemachtem Zopftoast; Filet Médaillon vom Emmentaler Dry Aged Beef; hausgemachte Eiscremes mit Eggiwiler Meringues 

In der «Hirschen»-Küche spielt die Regionalität eine grosse Rolle.  


«Wertschätzung der Mitarbeiter ist mir wichtig.»

Alexander Liechti, Sie bieten im «Hirschen» 16 Vollzeitstellen an. Eggiwil und Ihr Betrieb sind im hintersten Winkel des Emmentals. Wie rekrutieren Sie die Mitarbeitenden?
Wir haben sehr viele langjährige Mitarbeitende. Viele von ihnen waren auch mal für ein paar Jahre weg und sind später wieder zu uns zurückgekommen. Das freut uns sehr.

Das spricht für Sie als Arbeitgeber.
Ja, das denke ich auch. Uns liegt das Wohl der Mitarbeitenden sehr am Herzen. Wo immer möglich gehen wir auf deren Wünsche ein.

Was wäre ein solcher Wunsch?
Ein Beispiel ist einer unserer Küchenmitarbeiter. Er kam aus Afghanistan als Flüchtling in die Schweiz. Bei uns hat er in der Küche erst einfache Arbeiten verrichtet. Nach und nach arbeitete er sich hoch und hat nun den Fachausweis Koch EFZ.

Und Sie haben ihn auf diesem Weg unterstützt?
Absolut. Wir unterstützen alle unsere Mitarbeitenden bei einem Weiterbildungswunsch, dies auch finanziell. 

Gibt es noch andere Gründe, warum Ihre Mitarbeitenden so lange bei Ihnen bleiben?
Wir sind nicht nur ein Familienunternehmen, sondern integrieren unsere Mitarbeitenden. Sie fühlen sich als Teil der Familie. Zudem bieten wir allen sechs Wochen Ferien und eine faire Entlöhnung. Das zahlt sich aus.

Der Landgasthof Hirschen bietet neu ein Arrangement an, bei dem die Gäste eine Nacht im historischen Bauernhaus ohne Strom und Wasser schlafen. Am nächsten Tag geht es für eine Nacht weiter ins Dreisternehaus in Eggiwil, wo sie sich verwöhnen lassen können. (Bilder zvg)­


Zur Person

Alexander Liechti, Jahrgang 1985, lernte Koch. Anschliessend ging er für ein paar Jahre auf Lehr-und Wanderzeit. Er arbeitete unter anderem im Hotel Giessbach am Brienzersee. In der Dominikanischen Republik eröffnete er ein Restaurant im Auftrag von Schweizer Besitzern. Dort lernte er seine Frau Yomari kennen, die heute im Betrieb das Housekeeping betreut. Liechti absolvierte die Hotelfachschule Thun, bevor er in den elterlichen Betrieb eintrat.


Mehr Informationen unter:

hirschen-eggiwil.ch