In der Not muss man zusammenhalten. Um sich gegenseitig zu unterstützen und gemeinsam Wege aus der Krise zu finden, braucht es Flexibilität und Verständnis für die Bedürfnisse der Betriebe und Mitarbeitenden.
Die Corona-Krise ist für Arbeitnehmende und -gebende eine grosse wirtschaftliche und emotionale Belastung. Damit Gastgewerbe und Gastgewerbler diese Situation bloss zerzaust, aber nicht komplett gerupft überstehen, müssen alle zusammenhalten. Darin sind sich Andreas Züllig, Präsident Hotelleriesuisse, und Esther Lüscher, Präsidentin der Hotel & Gastro Union, einig. Im Doppelinterview sagen sie, was es jetzt braucht und wie die Verbände ihre Mitglieder unterstützen.
Was brauchen Arbeitgebende und Arbeitnehmende, um gemeinsam die Corona-Krise möglichst unbeschadet zu überstehen?
AndreasZüllig: Entscheidend ist, dass man sich in einer Krisensituation aufeinander verlassen kann. Dies erfordert von beiden Seiten Flexibilität und Verständnis. Wichtig ist zudem, dass die Situation im Betrieb gemeinsam besprochen wird und gemeinsam Lösungen gefunden werden. Sei es bei der Ausgestaltung von Kurzarbeit oder auch beim Einsatz der Mitarbeitenden in ungewohnten Tätigkeitsgebieten. Zum Beispiel bei Renovationsarbeiten oder temporären Einsätzen in anderen Bereichen oder Betrieben.
EstherLüscher: Die Arbeitnehmenden müssen auch in der Krise ihrem Arbeitgeber vertrauen können. Vertrauen ist die Basis für den Zusammenhalt, und der ist so wichtig, wenn wir die Krise meistern wollen. Deshalb ist es notwendig, dass Chefs offen und ehrlich kommunizieren. Selbst wenn sie Unangenehmes zu verkünden haben sollten. Informiert werden soll nicht nur über das aktuelle Vorgehen, sondern auch über zukünftig zu erwartende Entwicklungen und Massnahmen sowie deren Auswirkungen für Mitarbeitende und Betrieb. Dies im Sinn des Sprichworts: «Besser den Teufel, den du kennst, als den Teufel, den du nicht kennst.» Offenheit und Klarheit schaffen Vertrauen, weil man weiss, was auf einen zukommt und entsprechend handeln kann. Man fühlt sich dann nicht ganz so hilflos der Situation ausgeliefert.
Welches sind jetzt die Hauptprobleme der Arbeitgebenden?
AndreasZüllig: Das Hauptpro- blem von uns Hoteliers ist momentan die schlechte Auslastung. Wir haben leere Häuser und entsprechend fehlen die Umsätze. Das wird sich kurzfristig auch nicht ändern. Im Vergleich zu Coiffeurläden, die sofort nach dem Öffnen wieder Kundschaft haben werden, wird die Hotellerie ihre Betten nur langsam wieder füllen können. Es ist jetzt schon absehbar, dass die Sommersaison 2020 nicht im gewohnten Ausmass stattfinden wird. Das führt dazu, dass wir auch mittelfristig Mitarbeitende flexibel und variabel einsetzen können müssen.
Welches sind die Hauptprobleme der Arbeitnehmenden?
EstherLüscher: Viele Angestellte werden von Existenzängsten geplagt. Sie fürchten um ihre Jobs. Für viele Gastgewerbler ist das eine völlig neue Situation, denn normalerweise finden gut qualifizierte Berufsleute immer Arbeit in der Gastronomie. Sorgen machen sich auch etliche Lernende, die nicht wissen, wie es mit ihrer Grundbildung weitergehen wird. Sie fragen sich, ob sie das Lehrjahr allenfalls wiederholen müssen, wenn Berufsschulen und Ausbildungsbetriebe noch lange geschlossen bleiben. Drittlehrjahr-Lernende wissen noch nicht genau, wie das mit ihrer Lehrabschlussprüfung im Detail laufen soll. Ausbildner könnten ihre Lernenden jetzt unterstützen, indem sie – natürlich unter Einhaltung der Abstandsregeln – mit ihnen üben oder ihnen Praktika in noch offenen Betrieben verschaffen. Die Drittlehrjahr-Lernenden stehen zudem vor dem Problem, dass sie sich um ihre erste Anstellung nach der Grundbildung kümmern sollten. Bei so vielen geschlossenen Betrieben ist das eine denkbar ungünstige Konstellation für die Jobsuche und einen reibungslosen Start ins Berufsleben.
Viele Betriebe haben ein Gesuch für Kurzarbeit eingereicht. Was bedeutet diese Massnahme für den Betrieb und die Angestellten?
EstherLüscher: Kurzarbeit gibt etwas Sicherheit und Zuversicht, dass es zumindest für eine gewisse Zeit noch weitergeht. Abgesehen vom emotionalen Aspekt bedeutet Kurzarbeit, dass eine genaue Personalplanung nötig ist. Und es bedeutet, dass die Arbeitseinsätze von der üblichen Routine abweichen und auch ressortübergreifende ungewohnte Arbeiten ausgeführt werden müssen. Das erfordert von allen Beteiligten Flexibilität und Engagement.
AndreasZüllig: Für den Betrieb bietet Kurzarbeit die Möglichkeit, trotz massiv weniger Auslastung und prekärer finanzieller Situation Mitarbeitende halten und auf Entlassungen verzichten zu können. Gerade im Umgang mit jungen, motivierten sowie langjährigen und verdienten Mitarbeitenden ist dieses Instrument unglaublich wertvoll. Kurzarbeit erlaubt es zudem, ohne Druck gemeinsam Lösungen zur Überbrückung der Krise zu finden.
Sie präsidieren einen wichtigen Verband. Wie unterstützt dieser die Mitglieder in dieser schwierigen Zeit?
EstherLüscher: Der Rechtsdienst der Hotel & Gastro Union ist für unsere Mitglieder telefonisch erreichbar. Auf unserer Webseite beantworten wir die wichtigsten Fragen rund um das Coronavirus. Unsere Mitglieder sind gut vernetzt und helfen sich gegenseitig aus. Spezielle Notfälle unserer Mitglieder schauen wir im Einzelnen an und sichern ihnen Unterstützung im Rahmen unserer Möglichkeiten zu.
AndreasZüllig: Wir bieten auf verschiedenen Ebenen Unterstützung. Zum Beispiel platzieren wir die Forderungen unserer Mitglieder auf Bundesebene und versuchen, entsprechende Massnahmen zu erwirken. Im Weiteren arbeiten wir erfolgreich mit zehn anderen Tourismusverbänden zusammen, darunter GastroSuisse. Mit einer raschen und geschickten Informationspolitik möchten wir den Mitgliedern die Hilfestellungen des Bundes klar vermitteln und zugänglich machen. Um konkrete Anliegen rasch zu beantworten, haben wir eine Helpline für Mitglieder eingerichtet. Und unsere Rechtsberatung führt bis zu 200 Telefonberatungen täglich durch. Damit unsere Mitglieder und ihre Teams die frei ge- wordenen Kapazitäten möglichst sinnvoll nutzen können, versuchen wir, ein breites Angebot an Webinars oder E-Learning-Tutorials bereitzustellen.
(Interview Riccarda Frei)
Mehr Informationen unter:
www.hotelgastrounion.ch
www.hotelleriesuisse.ch