Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

Bund will Lernenden ausschaffen

Ein Gastronom ist entsetzt. Sein guter Lernender soll ausgeschafft werden. Die Hintergründe.

(Unsplash)

«Nach meinem Pharmaziestudium kehrte ich in mein Heimatdorf ­zurück. An einem Nachmittag erschien der Taliban-Kommandant Shah Gha innerhalb weniger Stunden vier Mal und forderte mich wiederholt auf, mitzukommen, um einem verletzten Taliban zu helfen. Beim letzten Mal drohte der Kommandant mit der Waffe und sagte: Wenn du dieses Mal nicht mitkommst, spricht diese Waffe mit dir. Das war der Zeitpunkt, als ich beschloss zu flüchten», erzählt Omar Habibi*. Er stammt aus ­Afghanistan und ist seit über vier Jahren in der Schweiz. Im letzten Sommer begann er eine Kochlehre bei der KG Gastrokultur GmbH in Bern.

«Omar Habibi ist ein guter Lernender», sagt sein Ausbildner Michel Gygax. Seine Lehre läuft erfolgreich. In der Schule hat er gute Noten und im Betrieb setzt er sich überdurchschnittlich ein. Er ist gut integriert.» Gygax kann den Entscheid nicht verstehen, dass Habibi ausgeschafft werden soll. Zumal auch Amnesty International von Rückschaffungen nach Afghanistan abrät. «Nach ihrer Rückkehr waren viele der Ab­geschobenen erneut Bedrohungen und gewalttätigen Übergriffen durch bewaffnete Gruppen und örtliche Milizen ausgesetzt, denen sie zu entkommen ver­sucht hatten», steht in einem Bericht der NGO. Was Gygax auch nicht versteht, ist der Zeitpunkt. Der Nationalrat hat im Dezember mit deutlicher Mehrheit dafür gestimmt, dass asylsuchende Lehrlinge mit einem negativen Entscheid ihre Ausbildung zukünftig beenden dürfen. Voraussichtlich im März wird der Ständerat darüber entscheiden. Gygax findet, dass vorher nicht noch Lernende ausgeschafft werden sollten. Deshalb hat er ans Amt für Bevölkerungsdienste des Kantons Bern ein Gesuch gestellt, Habibi nicht vor Lehrende auszuschaffen. Das Gesuch wurde schon nach drei Tagen abgelehnt. Aber Michel Gygax will nicht aufgeben und hat im Netz eine Petition lanciert. Über 8000 Personen haben schon unterschrieben.

(Mario Gsell)

* Name von der Redaktion abgeändert


Kommentar

Michel Gygax, Geschäftsführer KG Gastrokultur, Bern


Liebe Politiker*innen, liebe Medienschaffende

Wir sind ein Berner Gastrounternehmen, das sechs Restaurants in Bern und Köniz in möglichst nachhaltiger Weise führt. Omar Habibi, Flüchtling aus Afghanistan, hat im Corona-Sommer bei uns seine Kochlehre begonnen. Wir sind der Meinung, dass Ausländer und Flüchtlinge in die Gesellschaft integriert werden müssen, um ein wertvolles Glied darin zu werden. Am einfachsten geht das über eine Arbeitsstelle oder eine Ausbildung. Dieser Bürger- und Unter- nehmerpflicht kommen wir regelmässig nach, indem wir Menschen in unseren Betrieben eine Chance geben, die in ihrem Leben nicht so viel Glück erfahren durften, wie wir uns das in der Schweiz gewohnt sind. Deshalb haben wir Omar die Kochlehrstelle gegeben. Er hat unser Vertrauen bereits im ersten halben Jahr mit tollem Einsatz, menschlicher Wärme und viel Lernwillen gerechtfertigt.

Mitte Dezember wurde leider, aus für uns nicht nachvollziehbaren Gründen, sein Asylrekurs abgelehnt. Ende Januar haben wir als Lehrbetrieb und Omar Habibi als Betroffener vom Amt für Bevölkerungsdienste (Migrationsdienst) des Kantons Bern die Vorladung zum Ausreisegespräch erhalten. Dazu das Verbot, ihn weiter zu beschäftigen. Trotz gültigem Lehrvertrag soll er baldmöglichst in seine für ihn äusserst gefähr­liche Heimat Afghanistan zurückgeschickt werden. Diese unmenschliche Vor­- gehensweise befremdet uns zutiefst. Die Schweiz mit ihrer humanitären Tradition und mit ihrem grossen Reichtum hat ein solch menschenverachtendes Vorgehen nicht nötig. Ich schäme mich dafür. Als Mensch und als Schweizer Bürger. Und als Gastrounternehmer in einer Branche, die unter grossem Fachkräftemangel und unter der Coronakrise leidet, kann ich eine solch kurzsichtige Politik nicht gutheissen.

Deshalb haben wir ein Gesuch zur Weiterführung des Lehrvertrages und eine Verwaltungsbeschwerde an das Amt für Bevölkerungsdienste eingereicht.

Ich bitte Sie alle, unseren Hilferuf nach Menschlichkeit zu erhören und uns und insbesondere Omar Habibi in seinen Möglichkeiten, hier seine Ausbildung zu beenden, zu unterstützen. Auf medialem und politischem Weg. Regula Keller (Geschäftsführerin und Lehrlingsbetreuerin) und ich sowie Marianne Windler (seine Gastmutter), Jürg Schneider (Mentor, Mitglied Aktionsgruppe Nothilfe, Petition «Eine Lehre, eine Zukunft») und Omar Habibi selbst sind gerne für ein persönliches Gespräch bereit.

Danke!

Mit herzlichen Grüssen

Michel Gygax


Petition unterschreiben unter:

https://www.change.org/p/bundesrat-aufruf-zur-menschlichkeit-amir-soll-bleiben