Im Hotel Hirschen in Wildhaus/SG übernahmen Lernende für einige Wochen das Ruder. Das Experiment begeisterte Jugendliche und Geschäftsleitung gleichermassen.
«Innert fünf Tagen stand der Asian-Take-away. Das hat mich wirklich beeindruckt», sagt Simone Müller-Walt. Die leidenschaftliche Hotelière leitet gemeinsam mit ihrem Mann, Michael Müller-Walt, das Hotel Hirschen in Wildhaus/SG. Dass sich die beiden dazu entschlossen hatten, den Lernenden für die Monate Dezember und Januar das Zepter zu überlassen, ist der Corona-Pandemie geschuldet.
«Es ist sicher aus der Not heraus entstanden, aber es war ein tolles Projekt. Ich kann mir gut vorstellen, sowas oder etwas ähnliches in Zukunft zu wiederholen», sagt Simone Müller-Walt. Die Lernenden hätten ihre Verantwortung wahrgenommen und seien in dieser Zeit auch über sich hinaus gewachsen. Natürlich hätten sie, ihr Mann Michael Müller-Walt und die restliche Führungsetage die Lernenden die ganze Zeit über im Hintergrund unterstützt. Doch Simone Müller-Walt betont: «Für das operative Geschäft waren allein die Lernenden zuständig.»
Nebst dem zuvor genannten Take-away führten die Lernenden auch das Konzept «Dine Around» ein. «Wir wollten den Gästen trotz knapper Ressourcen ein breites, kulinarisches Angebot bieten», sagt Jannik Hasler (18), Koch im dritten Lehrjahr. Einmal sei das Restaurant geöffnet gewesen, ein anderes Mal das Chalet. «So konnten die Gäste auch in einer anderen Atmosphäre essen, was wiederum zu einem tollen Erlebnis beiträgt», sagt Jannik Hasler, der in der Zeit für die Abläufe in der Küche zuständig war.
Das meiste sei reibungslos verlaufen, «nur bei den Menüs für die Gäste der Halbpension mussten wir uns selbst an der Nase nehmen und wieder mehr auf die Abwechslung achten, statt nur darauf, was wir an Lebensmitteln noch an Lager hatten.» Darauf aufmerksam gemacht wurde das Küchenteam von Marc Müller (16), Hotelkommunikationsfachmann im zweiten Lehrjahr. Dieser war in der Zeit für den Service zuständig, merkte aber schnell, dass es damit nicht getan war.
«Ich habe zu Beginn unterschätzt, was es bedeutet, ein Hotel zu führen», sagt Marc Müller. Zum Beispiel sei ihm nie so richtig bewusst gewesen, dass bei der Planung auch andere Abteilungen berücksichtigt werden müssen. «Service, Réception und Housekeeping spielen bei uns ineinander. Das bedeutet etwa, dass jemand aus dem Service auch mal im Housekeeping aushilft, wenn es dort einen Engpass gibt», sagt er.
Durch das Projekt haben Marc Müller und Jannik Hasler gelernt, für sich einzustehen und einzufordern, wenn sie etwas brauchen. «Und ich würde sagen, dass durch diese Erfahrung der Blick für das Ganze geschärft wird. Man denkt stärker mit», sagt Jannik Hasler.
Marc Müller ergänzt: «Als Frau und Herr Müller-Walt uns sagten, dass wir für eine gewisse Zeit die Leitung übernehmen dürfen, dachte ich erst, es sei ein Witz. Dass wir Lernenden in diesen Wochen unsere Ideen quasi in Eigenregie umsetzen konnten, war eine tolle Erfahrung. Schade ist es schon vorbei.»
(Désirée Klarer)