Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

Essbare Kräuter und Microgreens

Landläufig gilt die Annahme: Alle Kräuter sind essbar. Doch dem ist nicht so. Viele Küchenkräuter haben giftige Doppelgänger. Und doch: Aus der Küche sind Kräuter und Microgreens nicht mehr wegzudenken, denn sie geben punkto Geschmack und Optik manchem Gericht den letzten Schliff. Ein Überblick, wie sich Kräuter und Microgreens einsetzen lassen und was es neu auf dem Markt gibt.

Kräuter haben in den Küchen versierter Köche einen grossen Auftritt. Bei Flavio Fermi, Küchenchef und Gastgeber im «Ackermannshof» in der Basler St. Johanns-Vorstadt, kommt eine Vielzahl zum Einsatz. «Ich brauche regelmässig Dill, Koriander, Estragon, Petersilie glatt, Schnittlauch, Thymian, Salbei, Rosmarin und Brunnenkresse», so der Koch, der mit einem Michelin-Stern und 16 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnet ist. Auch Dan Rodriguez Zaugg und Alejandro Perez Polo, die in der «Villa Sommerlust» in Schaffhausen einen Michelin-Stern und 15 Gault-Millau-Punkten erkocht haben, verwenden eine ganze Anzahl an Kräutern: Rosmarin, Salbei, Oregano, Thymian, Petersilie, Basilikum, Holunderblüte, Minze und im Frühling auch Bärlauch. Zudem ist für alle drei befragten Köche der schön garnierte Gästeteller wichtig. Während Flavio Fermi dafür Microgreens, Kräuter, Chips oder Staub benutzt, setzen Dan Rodriguez Zaugg und Alejandro Perez Polo vorzugsweise auf Kresse, die geschmacklich zum jeweiligen Gericht passt. Pionier in der Kressebranche ist die Firma Koppert Cress aus den Niederlanden, gegründet 2002 von Rob Baan, Theo Cuppen und Altai Lin. Im letzten Jahr wurde die Leitung an die zweite Generation übergeben.


«Sonnenlicht ist besser für das Wachstum von Kräutern als künstliches Licht.»

Martin Ohsawa, Koppert Cress


Das Unternehmen ist ständig auf der Suche nach natürlichen, innovativen Zutaten, mit denen Köche den Geschmack, den Duft und die optische Präsentation ihrer Gerichte aufwerten können. Martin Ohsawa, Account Manager Foodservice, sagt dazu: «Streift man durch unsere Gewächshäuser, findet man immer Bereiche, in denen wir mit neuen Pflanzen experimentieren. Wir wollen alle Aspekte des Anbaus verstehen und die Qualität sowie die Verfügbarkeit übers ganze Jahr gewährleisten.» Die neuesten Spezialitäten sind drei Kressen: Bicolor Mustard, Shiso Bicolor und Olympia Cress.

Multitalent Kresse

Kresse ist eine Pflanzenart innerhalb von Micro­greens. Damit gemeint sind die jungen Keimlinge verschiedener Gemüse- und Kräuterarten. Sie bieten eine breite Palette an Geschmacksrichtungen und Nährstoffen an.

Für deren Anbau setzen heute viele Produzenten auf Vertical Farming. «Technisch gesehen ist das durchaus machbar. Wir können das Aussenklima reproduzieren», so Martin Ohsawa von Koppert Cress. Doch: «Wir sagen nicht generell Nein zu Vertical Farming. Für uns ist es aber in Anbetracht unserer eigenen Nachhaltigkeitsziele und deren Erreichbarkeit aktuell nicht der richtige Weg», so Ohsawa. Die Anbaumethode Vertical Farming sei sehr energieintensiv. «Man verwendet bei dieser Methode viel künstliches Licht.» Koppert Cress hat sich deshalb für den traditionellen Landanbau entschieden: «Wir sind grosse Befürworter von Sonnenlicht. Daten belegen, dass dieses am besten ist», so Ohsawa. Seine Firma baut deshalb in einem Gewächshaus an.

Übrigens stammt der Trend Microgreens nicht aus den Niederlanden, sondern aus den USA. In den letzten Jahren sind auch in der Schweiz regionale Microgreenhersteller entstanden mit den Unternehmen Umami in Zürich und «2BFresh» in Füllinsdorf/BL.

Giftige Doppelgänger

Die Verwendung von Küchenkräutern reicht Jahrtausende zurück. Bereits in der Antike schätzten Kulturen wie die Ägypter, Griechen und Römer die würzenden Eigenschaften von Kräutern. In der mittelalterlichen Klostermedizin spielten Kräuter eine wichtige Rolle. Mönche und Nonnen kultivierten Kräutergärten, in denen Pflanzen wie Salbei, Rosmarin und Lavendel angebaut wurden. Viele dieser Pflanzen werden bis heute wegen ihrer heilenden Eigenschaften geschätzt, sind jedoch auch Bestandteil vieler Kochrezepte.

15 000 essbare Wildpflanzen gibt es weltweit. Gemeinhin werden diese Pflanzen als Kräuter bezeichnet, die sich wiederum in Heil- und Küchenkräuter unterteilen lassen. 1500 Kräuter, die in Europa vorkommen, sind essbar. Die Rolle der Küchenkräuter variiert je nach Kultur und geografischer Region. In der mediterranen Küche spielen Basilikum, Thymian, Oregano und Rosmarin eine wichtige Rolle, während in der asiatischen Küche Koriander, Zitronengras und Minze häufig verwendet werden. In Mitteleuropa sind vor allem Petersilie, Schnittlauch, Dill und Majoran besonders beliebt.

(Ruth Marending)


Ampfer

Rund 130 Arten von Ampfer kommen in den gemässigten Regionen der Nordhalbkugel vor. Sie enthalten Vitamin A und C. Sauerampfer, Blutampfer oder Gemüseampfer sowie der Kleine Sauerampfer können problemlos verzehrt werden. Allerdings enthalten alle Ampfer-Arten Oxalsäure. Vorwiegend in älteren Blättern ist der Säuregehalt hoch, weshalb meist junge Blätter geerntet werden. Rodriguez Zaugg und Perez Polo verwenden Blutampfer als Micro­greens und verarbeiten ihn in Saucen und Fonds. Flavio Fermi ergänzt: «Ampfer oder Microblutampfer setze ich oft bei kalten Gerichten mit Fisch ein wie zum Beispiel Zandercarpaccio mit Salatgurke, Miso, Dill und Rettich.»


Koriander

Das vielseitige Kraut, dessen Blätter und Samen unterschiedliche Aromen haben, ist vor allem aus den Küchen Lateinamerikas und Asiens bekannt. Doch als ursprüngliches Herkunftsgebiet wird der Mittelmeerraum vermutet. Die frischen Blätter haben einen intensiven, leicht scharfen Geschmack. Die getrockneten Samen hingegen besitzen ein mildes, süssliches Aroma. Fermi setzt es in Pastagerichten oder Risotto ein wie zum Beispiel Paccheri mit Gamberi rossi, Tomatensauce, Koriander und roten Zwiebeln. «Peruanisch-Japanisch kennt mittlerweile jeder, ich setze deshalb voll auf Italienisch-Thailändisch, die Fusion ist super. Die Produkte stimmen hervorragend überein.»


Bärlauch

Bärlauch enthält mehr Vitamin C als eine Orange und wirkt somit antibakteriell, entzündungshemmend und immunstärkend. Zudem soll die Pflanze positive Wirkungen auf Verdauung, Atemwege, Leber, Galle, Darm und Magen haben. Seine Blätter sind glänzend grün und haben einen intensiven Knoblauchgeruch. Alle Pflanzenteile des Bärlauchs sind essbar. Noch bis Mai kann Bärlauch geerntet werden. Mit seinem knoblauchartigen Aroma passt er zu vielen Gerichten wie Nudeln oder Suppen. Als Pesto schmeckt er zudem gut zu Fleisch. Flavio Fermi verwendet Bärlauch gerne in seinem Risotto. Die Köche der «Sommerlust» stellen daraus Pestocreme her.


Estragon

Mit Estragon erhalten Essig, Senf und eingelegte Gurken ein besonderes Aroma. Auch zu Geflügel, Reis, gekochtem Fisch und zur Saucen- und Marinadenherstellung passt das Gewürz. Verwendet werden die jungen Triebe, die mehrmals im Jahr geerntet werden können. Die Blätter haben ein leichtes Anisaroma. Der Gehalt an würzenden ätherischen Ölen ist kurz vor der Blüte ab Juni am höchsten. Deshalb werden die Triebspitzen dann abgeschnitten. Fermi setzt das Gewürz bei Desserts mit heller und dunkler Schokolade und in Kombination mit Orange, Grapefruit oder Blutorange ein. Rodriguez Zaugg und Perez Polo stellen daraus texturiertes Öl her.


Kresse

Kresse hat nicht nur einen intensiven Geschmack, sondern auch einen hohen Vitamin- und Mineralstoffgehalt. Die Pflanze enthält Stoffe, welche eine leicht antibiotische Wirkung haben. Die meisten Arten haben einen mehr oder weniger scharfen Geschmack. Gartenkresse wird in grossem Stil in Gewächshäusern angebaut. Rodriguez Zaugg und Perez Polo mögen Kresse als Farbgeber. Ihre Teller garnieren sie gerne geschmacklich passend zum jeweiligen Gericht. Fermi verwendet Kresse selten: «Gartenkresse mag ich nur in einer Form und zwar an glasierten Spätzli. Zum Schluss einfach eine Handvoll Kresse dazu, nachschwenken, Schalotten und Pfeffer dran, Käse drüber.»


Holunderblüte

Am besten erntet man den Holunder per Schnitt an einem trockenen, sonnigen Tag. Dann hat er das meiste Aroma. Auf keinen Fall waschen, denn in den Pollen befindet sich der Geschmack. Botanisch gesehen handelt es sich bei den Früchten nicht um Beeren, sondern um Steinfrüchte. Seine hübschen und duftenden Blüten zeigt der Holunder etwa zwischen Mai und Juli. Aus ihnen lässt sich Holunderblüten-sirup herstellen, was Rodriguez Zaugg und Perez Polo auch machen. «Zudem stelle ich daraus Essig her.» Flavio Fermi benutzt Holunderblüten gerne im Barbereich. «Gut einsetzbar sind sie aber auch als Begleitung von Saiblingtatar und Meerrettich-Glacé.»


Perilla/Shiso

Das Aroma von Perilla oder Shiso, wie es in Japan genannt wird, ist leicht minzig. Frische und eingelegte Blätter und Samen würzen japanische Gerichte wie Sushi und Tempura. In Korea werden die Blätter frisch als Salat gegessen. Das aus den Samen gepresste Öl wird in Ostasien als Speiseöl oder Gewürz verwendet. Flavio Fermi sowie das Duo Rodriguez Zaugg und Perez Polo verwenden das Gewürzkraut als Geschmacksgeber und zur Abrundung eines Gerichts. In der «Sommerlust» wird Perilla/Shiso zudem zum Garnieren der Teller verwendet. Flavio Fermi fügt an: «Weil das Kraut heute in vielen Küchen zum Zug kommt, trifft man es bei mir nur an, wenn es keine Alternative gibt.»


Knoblauchblüte

Knoblauch ist reich an Vitamin C, Kalzium und Eisen sowie an Antioxidantien. Ungefähr ab Juni treibt er aus. Diese Knoblauchblüte verleiht vielen Gerichten einen speziellen Geschmack und eine besondere Textur. Jedes Gericht erhält dadurch ein frisches, knoblauchartiges Aroma. Die gekräuselte Form der Blüte macht sie zudem zu einer optisch ansprechenden Beilage. Dan Rodriguez Zaugg und Alejandro Perez Polo verwenden sie als Geschmacksgeber und dekorieren damit ihre Teller. Bei Flavio Fermi dienen die unbearbeiteten Blüten ebenfalls als Dekoration und zwar auf dem gemischten, sauer marinierten Spargelsalat mit frittierten Kalbsmilken.

Illustration Sonja Demarmels


Vorsicht, wer selber sammelt: Es gibt giftige Doppelgänger!

Bärlauch

Vor allem vor der Blüte kann Bärlauch schnell mit dem stark giftigen Maiglöckchen verwechselt werden. Unterscheiden kann man die beiden Pflanzen durch ihre Blattunterseite. Beim Maiglöckchen glänzt diese Unterseite, jene des Bärlauchs ist jedoch matt. Bärlauchblätter haben einen klar erkennbaren Stiel, mit dem jedes Blatt einzeln aus dem Boden wächst. Auch Maiglöckchen wachsen an einem Stiel aus dem Boden, haben aber meistens zwei Blätter an einem Stängel. Zudem verströmt das Maiglöckchen keinen Knoblauchgeruch.


Giersch

Geschmacklich erinnert die anspruchslose Pflanze an Karotte und Petersilie. Zu erkennen ist sie am dreikantigen Stängel, von dem drei Blattgruppen abgehen, die wiederum drei Blätter besitzen. Diese Stängelmerkmale ­unterscheiden Giersch vom giftigen Doppelgänger Schierling. Dessen Blätter sind feingliedriger, und er hat einen runden Stiel.


Kerbel

Das Küchenkraut ähnelt mit seiner gefiederten Blattstruktur derjenigen von Petersilie, ist aber wesentlich ­feiner. Im Geruch erinnert es an Anis, mit einem leichten Karottenaroma. Sein giftiger Doppelgänger ist der Gefleckte Schierling. Im Gegensatz zum fleckenlosen Wiesenkerbel sind seine Stiele jedoch bräunlich gefleckt.


Sauerampfer

Der Sauerampfer kann vor der Blütezeit mit dem giftigen Gefleckten Aronstab verwechselt werden. Charakteristisch sind bei diesem Frühlingskraut die langen Stiele und die länglichen Blätter. Die rispenartigen Blüten sind rot. Während der Blüte lassen sich die Pflanzen leichter unterscheiden: Der Aronstab bildet eine kolbenförmige Blüte, die aus einem Hochblatt herauswächst.


Ackerminze

Der giftige Doppelgänger der Ackerminze ist die Poleiminze. Sie ist un­gefähr gleich gross und duftet ebenfalls angenehm, wenn auch stärker. Ihre Blüten sind ebenfalls violett und in den Blattachseln verteilt. Durch die Blattoberseiten, die bei der Poleiminze unbehaart sind, lassen sich die beiden unterscheiden.


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sommerlust.ch

koppertcress.com