In den nächsten drei Jahren sollen laut einer Studie in Zürich Nord und Zürich City 2400 neue Hotelzimmer sowie 1000 Serviced Apartments dazukommen. Welche Auswirkungen hat dies?
Martin von Moos, der Zürcher Hotelier Verein (ZHV) hat eine Studie in Auftrag gegeben, um mehr Informationen darüber zu erhalten, wie sich die Zürcher Hotellerie in den nächsten Jahren entwickeln wird. Welche Aussage der Studie hat Sie am meisten überrascht?
Martin von Moos: Dass es einen möglichen Rückgang oder eine Stagnation an neuen Hotelprojekten in der Stadt gibt. Die neuen Hotels liegen zu 60 Prozent in Zürich Nord und der Flughafenregion.
Seit 2010 hat sich die Anzahl Hotelzimmer im Raum Zürich um einen Viertel auf 13 680 erhöht. Bis 2022 könnten zusätzlich 18 neue Hotels mit rund 2400 Zimmern entstehen. Zusätzlich sind rund 1000 Serviced Apartments geplant. Wie sollen diese neuen Zimmer besetzt werden?
Zürich muss attraktiv bleiben mit einer qualitativ hochstehenden Hotellerie. Der Mice-Bereich soll ausgebaut werden. Diesen Qualitätstourismus wollen wir fördern. Im Bereich der Infrastruktur für Kongresse besteht in Zürich noch Potenzial.
Ist Overtourism ein Thema?
Diese Gefahr sehe ich weniger. In Zürich sind die Touristen gut verteilt. Zudem sprechen wir unterschiedliche Zielgruppen an, welche die Gegend zu allen Jahreszeiten aus verschiedenen Gründen besuchen.
Die Studie besagt, dass in Zürich Nord bis 2022 pro Jahr zusätzlich 350 neue Zimmer dazukommen können, in der Stadt Zürich deren 200. Wird die Stadt Gäste verlieren?
Nein. Die Stadt wird attraktiv bleiben. Dass mehr Zimmer in Zürich Nord als in der Stadt entstehen, hat nichts mit der Nachfrage zu tun, sondern mit der Rentabilität. Der Hotelboom wird sich nicht primär in der Stadt abzeichnen, weil städtische Liegenschaften gewinnbringender betrieben werden können als mit Hotellerie.
Wird der Preisdruck hauptsächlich in der Agglomeration kommen?
Wenn es einen gibt, werden auch die Hotels in der Stadt davon betroffen sein.
Welche Segmente werden besonders davon betroffen sein?
Die Drei- und Viersternehotels. Davon sind in den nächsten Jahren am meisten geplant. Sie machen 69 Prozent aus.
Die durchschnittliche Auslastung dürfte laut der Studie auf 67 Prozent zurückgehen. Damit die Auslastung auf den aktuellen 72 Prozent bestehen bleibt, müsste es eine Verdoppelung der Wachstumsdynamik auf der Nachfrageseite geben. Ist dies realistisch?
Nein. Ich tendiere dazu, dass die Nachfrage nach Hotelzimmern stagniert oder weniger wächst, als dies in den vorhergehenden Jahren der Fall war.
Welchen Rat geben Sie bestehenden Häusern, um zu überleben?
Sie müssen sich diversifizieren und positionieren. Kosten müssen gesenkt werden. Kleine Häuser sollen Partnerschaften eingehen. So können sie Marketingkooperationen bilden, ein gemeinsames Reservierungssystem betreiben und günstigere Lieferkonditionen erhalten. Zudem sollen sie mit
den Trends gehen, zum Beispiel Coworking-Spaces oder ein Shop-in-Shop in der Lobby anbieten, wie es in der Studie vorgeschlagen wird.
Die Studie besagt, dass Hoteliers in den nächsten fünf Jahren rund 30 Prozent höhere Investitionen planen als in den letzten zehn Jahren. Das entspricht 860 Millionen Franken. Ist das realistisch?
Ja, wenn ich sehe, was im Moment investiert wird, dann stimmen diese Zahlen. Wir hatten einige gute Jahre und können nun in die Zukunft investieren.
Wer soll in all diesen neuen Hotels arbeiten? Immerhin ist Fachkräftemangel ein grosses Thema in der Branche.
Das ist ein grosses Thema, auch im Verein. Quereinsteiger sollen vermehrt Chancen erhalten, um in unserer Branche Fuss zu fassen. Der neue Beruf Hotelkommunikationsfachmann/-frau kommt den Bedürfnissen der modernen Hotellerie entgegen. Viele neue Hotelkonzepte bieten oft nur Zimmer/Frühstück an. Der Mangel wird sich auf Fachkräfte an der Réception und auf den Etagen konzentrieren.
Die Studie besagt, dass die Personalkosten steigen, weil höhere Löhne Fachkräfte anlocken. Sind Sie derselben Meinung?
Lohn ist nicht der erste Motivationsfaktor im Job. 100 bis 200 Franken mehr im Monat – was in unserer Branche realistisch wäre – reichen nicht, um gute Mitarbeiter anzulocken oder zu halten. Die Hoteliers sind als Arbeitgeber gefragt, die Arbeitsplätze attraktiv zu halten.
(Interview Sarah Sidler)
Der dipl. Hôtelier EHL ist Präsident der Zürcher Hoteliers und betreibt die Hotels Sedartis in Thalwil und Belvoir in Rüschlikon. Der 56-Jährige ist Vorstandsmitglied der IG Kongresszentrum Zürich sowie bei Zürich Tourismus und VR von Swiss Quality Hotels International.