Abgesagte Messen, verschobene Incentive-Reisen, annullierte Kongresse und Events – die MICE-Branche hat unter Corona besonders stark gelitten, aber nie aufgegeben.
Mit Meetings, Incentives, Kongressen und Events lässt sich viel Geld verdienen. Aber nur, wenn diese stattfinden und rege besucht werden. Beides war in den letzten zwei Jahren mit Lockdown und Besucherzahlbeschränkung nicht der Fall. Entsprechend gross ist nun in der MICE-Branche die Freude über die Aufhebung der Corona-Massnahmen. Dennoch warnt der Verband Expo Event in seinem aktuellen Newsletter: «Diese Euphorie darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es noch ein langer Weg ist, bis sich der Markt ganz erholt und sich das Besucherverhalten annähernd wieder auf Vor-Pandemie-Niveau eingependelt hat.»
Erschwerend kommt hinzu, dass die Krise den Fachkräftemangel in der Eventbranche massiv verschärft hat. Sie sei daher auf die Weiterführung von allen wirtschaftlichen und branchenspezifischen Unterstützungs- und Entschädigungsmassnahmen angewiesen, heisst es seitens Expo Event. Es brauche nun vor allem Vertrauen und gesunden Menschenverstand, um die zahlreich anstehenden neuen, aber auch nachzuholenden Veranstaltungen sicher durchzuführen.
Statt abzuwarten und Tee zu trinken, hat sich die MICE-Branche während der Pandemie auf die Zeit vorbereitet, in der Events wieder ungehindert stattfinden dürfen. Es wurde renoviert, um- oder sogar neu gebaut. Gerade in den letzten zwei Jahren sind einige grosse und wichtige Mit-bewerber im Schweizer MICE-Markt eröffnet worden. Allen voran das Kongresshaus Zürich mit der Tonhalle, das The Circle Convention Centre am Flughafen Zürich oder das Hotel Kempinski Palace in Engelberg/OW.
Ein Unternehmen, das als Durchführungsort und Attraktion im MICE-Bereich tätig ist und dem während der Pandemie zeitweise alle Standbeine eingeknickt sind, ist die Gebrüder Knie, Schweizer National-Circus AG. Trotzdem hat sie in einen Neubau investiert. Mitten in Knies Kinderzoo in Rapperswil/SG ist eine Eventarena entstanden. Knies Zauberhut, so der Name des multifunktionalen Gebäudes, bietet in seinem Innern Platz für 500 Gäste. Weitere 200 Plätze stehen auf der Flamingo-Terrasse zur Verfügung.
Optisch fällt die Eventarena schon von weitem durch ihre imposante Architektur auf. Die verspielt wirkende Holzkonstruktion ist dem in die Luft geworfenen Tuch eines Magiers nachempfunden. Der wahre Zauber liegt aber wie so oft im Innern verborgen. Und zwar in Form einer hydraulischen Bühne und einer sechsstufigen Manege-Tribüne. Diese können je nach Event ausgefahren und bespielt werden.
Tagsüber werden den Zoobesuchern im Zauberhut Attraktionen wie die Papageienshow geboten. Abends finden private Feiern oder auch mal öffentliche Events statt. So sind für November 2022 vier Dinner-Konzerte mit Schweizer Künstlern geplant. «Dank einer modernen Produktionsküche zeichnen wir auch für das ganze Catering verantwortlich», sagt Benjamin Sinniger, Direktor des Knies Kinderzoos.
Das Segment MICE sei für den Kinderzoo, das Restaurant Himmapan-Lodge und den Zauberhut ein wichtiges kommerzielles Standbein. Besonders, da die Indoor-Aktivitäten in diesen drei eigenständigen Profitzentren der Knie AG helfen, dem Markt ein ganzjähriges Angebot präsentieren zu können. Sinniger ist überzeugt: «Der Kinderzoo richtet sich mit dem Zauberhut völlig neu aus und präsentiert eine Event-Location, die ihresgleichen sucht.» Neben der Architektur und der exklusiven Lage mit direktem Blick auf den Elefantenpark und die Flamingoanlage tragen Zusatzangebote wie Abendführungen, exklusive Tierfütterungen und Showacts massgeblich zur Attraktivität des Zauberhuts bei.
Die Kombination Zoo, Show und Eventarena scheint aufzugehen. Obschon der Zauberhut coronabedingt offiziell noch gar nicht eröffnet werden konnte, ist die Nachfrage erfreulich gross. Benjamin Sinniger drückt es so aus: «Dank der Lockerungen der Corona-Massnahmen sehen wir einen ganz dicken Silberstreifen am Horizont.»
Auch in vielen bestehenden Kongresshotels und Tagungshäusern wurde investiert. Hauptsächlich in Digitalisierung und neue Technik. Das Hotel Seepark in Thun beispielsweise hat sich hochauflösende Bildschirme und sehr leistungsstarke Mikrofone angeschafft. Das Kongresshaus Zürich wartet sogar mit einem kleinen, fix installierten TV-Studio auf. Andere Häuser und Organisationen wie beispielsweise das Switzerland Convention & Incentive Bureau (SCIB) haben ihren digitalen Auftritt optimiert. Sie ermöglichen mit professionellen Videos oder virtuellen Führungen und 360-Grad-Ansichten interessierten Eventplanern einen Einblick in ihre Räume, ohne dass diese die Lokalität aufsuchen müssen.
Zwar geht nichts über einen Augenschein vor Ort, aber um einen ersten Eindruck zu gewinnen, sind Filme und virtuelle Touren ein valabler Weg. Ebenso wie Video-Konferenzen. Schweiz Tourismus macht es vor. Die Medienkonferenzen unserer Landesmarketingorganisation finden hybrid statt.
Das Publikum kann vor Ort sein oder von irgendwo auf der Welt per Livestream teilnehmen. Individuelle Journalistenfragen aus den Reihen der Anwesenden oder dem Online-Chat werden während der Medienkonferenz umgehend beantwortet.
Mussten touristische Partner wie Norbert Patt, Geschäftsführer der Titlis Bergbahnen, oder Vertreter der Schweiz-Tourismus-Büros im Ausland früher extra anreisen, um über die Entwicklung und Aktivitäten in ihren Gebieten oder Märkten zu berichten, werden sie heute einfach zugeschaltet. Von der Expo in Dubai vor dem Schweizer Pavillon genauso wie von der Skipiste des Titlis. Das spart Zeit und Reisekosten.
Das sind die zwei Hauptgründe, warum hybride Events auch nach der Pandemie existieren werden. Aus der Not geboren, entwickelt sich diese Eventform vom Trend langsam aber sicher hin zu einem Standard, den zeitgemässe MICE-Lokalitäten einfach bieten müssen. Genauso wie ein leistungsfähiges WLAN oder vitalitätsfördernde Pausensnacks.
Dass die Seminarhotels, Konferenzzentren und Event-Locations sich fit für die Zukunft gemacht haben, ist gut, denn seitens der Veranstalter herrscht gros-ser Nachholbedarf. Die Menschen wollen sich endlich wieder physisch begegnen, allerdings unter etwas veränderten Bedingungen (siehe Interview).
«Im Vergleich zu Anfang 2021 verzeichnen wir jetzt eine deutliche Zunahme der Anfragen für kleine und mittlere Meetings und Seminare», sagt Barbra Albrecht, Leiterin des SCIB. Das SCIB berät und unterstützt nationale und internationale Organisatoren bei der Planung und Durchführung ihrer Veranstaltungen in der Schweiz. Allein 2019 wurden fast 900 Events mit der Hilfe von SCIB organisiert.
Barbra Albrecht weiss daher sehr genau, was die Organisatoren wollen und wie sich der Markt durch Corona verändert hat. Unter anderem ist das Nachhaltigkeitsbewusstsein gestiegen. Betriebe, die sich durch ökologisches Handeln auszeichnen, werden in Zukunft bei den Organisatoren besonders punkten. Die bereits erwähnte positive Nachfrage-Dynamik sei vor allem in Europa, Nordamerika und Asien – ohne China – zu spüren, sagt Barbra Albrecht. Wobei die aktuellen Geschehnisse in der Ukraine diese Dynamik gerade wieder dämpfen.
(Riccarda Frei)
20 Prozent
der Logiernächte in der Schweiz wurden vor der Pandemie in einem durchschnittlichen Jahr mit Business Events generiert.
Der Heimmarkt Schweiz ist der grösste und wichtigste Markt für das MICE-Gewerbe.
89 Prozent
Bei fast neun von zehn aller durch das Switzerland Convention and Incentive Bureau (SCIB) bearbeiteten Business Events, die in der Schweiz durchgeführt wurden, reisten die Teilnehmenden aus dem Ausland an.
2020
mussten fast alle Events wegen der Covid-19-Pandemie und der indiesem Zusammenhang verhängten Schutzmassnahmen und Reisebeschränkungen abgesagt werden.
Die Werte Sicherheit, Zuverlässigkeit, Sauberkeit und Nachhaltigkeit sind zu Entscheidungskriterien bei der Wahl eines Veranstaltungslandes geworden.
3 bis 18
Monate lang ist die übliche Vorlaufzeit für Business Events wie Meetings und Incentive-Reisen. Die Planungsphase für Kongresse beträgt sogar zwischen zwei und fünf Jahren.
HGZ: Wie hat Corona das MICE-Geschäft verändert?
Barbra Albrecht: Sicherheit, Zuverlässigkeit, Sauberkeit und Nachhaltigkeit sind für Organisatoren entscheidende Kriterien bei der Wahl eines Veranstaltungsortes geworden. Hier kann die Schweiz punkten. Darüber hinaus hat die Digitalisierung in allen Planungsphasen an Bedeutung gewonnen. Speziell zu erwähnen ist hier der Ausbau virtueller Besichtigungen von Hotels und Kongresszentren auf myswitzerland.com/meetings.
Und wie haben sich die Events selbst verändert?
Es besteht kein Zweifel daran, dass Geschäftstreffen von nun an vermehrt virtuell oder mit einer virtuellen Komponente stattfinden. Jedoch werden nicht alle Veranstaltungen digital oder hybrid. Das Bedürfnis, sich persönlich zu treffen, sich kennenzulernen, Vertrauen aufzubauen, Teams zusammenzubringen, sich gemeinsam weiterzubilden oder direkt Geschäfte zu machen, ist enorm. Diese Aspekte werden die Hauptgründe für die Teilnahme an einer Präsenzveranstaltung sein. Die Business Events werden zwar kleiner, aber dafür exklusiver werden. Das stellt eine weitere Chance für die Schweiz mit ihren «Boutique-Städten» dar.
Wie hat das SCIB die Corona-Zeit überbrückt?
Wir haben unsere Aktivitäten auf virtuelle Plattformen verlagert und uns auf die Digitalisierung interner Prozesse und für die Branche relevante Daten konzentriert. Zudem arbeiten wir an einem nationalen Content-Hub für nachhaltige Veranstaltungen.
Barbra Albrecht ist seit 1999 Leiterin des Switzerland Convention & Incentive Bureau (SCIB) und seit 2016 Mitglied der Geschäftsleitung von Schweiz Tourismus. Davor leitete sie das Sekretariat der Vereinigung Swiss Congress & Incentive Destinations, arbeitete als Sales Managerin beim Montreux Tourist and Convention Bureau und war in der nationalen und internationalen Luxushotellerie tätig.