Trotz Terrorismus – der weltweite Reise-Boom hält an und nimmt sogar zu

Der Tourismus ist seit sechs Jahren weltweit eine der führenden Wachstumsbranchen. Gemäss des World Travel Trends Reports geht das so weiter. Aber nicht für alle.

Mit Einheimischen zusammen ihr Land erleben, wird trendy. (Schweiz Tourismus)

Dieses Jahr setzt Schweiz Tourismus bei ihrer Sommerwerbung noch stärker auf die Werte Natur und Authentizität. Den Gästen werden echte Erlebnisse und individuelle Abenteuer geboten. Wie Übernachtungen in einfachen Berghütten, wo das Holz zum Einheizen selber gehackt werden muss. Oder Begegnungen mit Einheimischen, die einen an ihrem Alltag teilhaben lassen.

Der Wunsch nach vertieften Einblicken wächst

Wie der World Travel Trends Report 2016/2017 zeigt, deckt Schweiz Tourismus mit diesen Angeboten ein weltweit aufkeimendes Bedürfnis. Der Wunsch der Menschen nach authentischen, tieferen Reiseerlebnissen wächst. Das gilt auch für die neu entdeckte Lust an Einfachheit. Es muss nicht mehr die grosse Inszenierung und der Adrenalin-Kick sein. Kleine, dafür sehr persönliche Erlebnisse sind gefragt. Bei einer Bauernfamilie am Mittagstisch sitzen oder mit einem Förster durch den Wald streifen – das ist es, was Gäste vermehrt suchen.

Dieses Bedürfnis ist auch bei der Generation der Millennials zu beobachten. Die zwischen 1980 und 2000 Geborenen möchten authentischen Kontakt zu fremden Kulturen sowie abwechslungsreiche Reiseerlebnisse. Sarah Catlett, Senior Vice President bei der international tätigen Beratungsfirma Kantar Futures, sagte an einem Forum anlässlich der ITB in Berlin: «Millennials geben gerne ihre persönlichen Daten preis, um dafür individualisierte Reiseerlebnisse zu erhalten. Zum Beispiel durch Apps, die ihnen aktuelle, speziell auf sie zugeschnittene Angebote unterbreiten.»

Städtereisen boomen weiter

Egal welcher Generation sie angehören, Reisende interessieren sich auch 2017 und 2018 weiterhin für Städtetrips. Gemäss World Travel Monitor erlebte das Tourismussegment Städtereisen in Europa im Jahr 2016 ein Wachstum von 16 Prozent. Dieser Boom soll gemäss Prognosen anhalten.

So paradox es klingt, ein Grund dafür sind die Terroranschläge in Frankreich, Deutschland, Belgien und anderen europäischen Ländern. Seit den Angriffen bleiben die Europäer lieber in der Nähe ihres Wohnortes. Von den Terroristen einschüchtern lassen, wollen sie sich aber nicht und buchen daher weiterhin Kurztrips und Städtereisen.

Wie die Tourismuszahlen aus 2016 belegen, haben Reisen innerhalb Europas um drei Prozent zugelegt. Reisen nach Asien um zwei Prozent, während der Reisemarkt Nord- und Südamerika sogar einen kleinen Rückgang (–1 Prozent) hinnehmen musste.

Politische Instabilität, Terror und Sicherheitsbedürfnis

Ganz spurlos gehen die aktuellen politischen Entwicklungen und die Angst vor Terroranschlägen an der europäischen Reisebranche aber nicht vorüber. Wie immer gibt es Gewinner und Verlierer. Zu den grössten Verlierern zählte 2016 die Türkei. Die Buchungszahlen von Städtereisen und Badeferien sind hier stark eingebrochen. Und das wird wohl auch 2017 so bleiben.

Frankreich musste letztes Jahr, nach den Anschlägen in Nizza, Saint-Etienne-du-Rouvray und Paris, ebenfalls Einbussen in Kauf nehmen. Für 2017 sollte sich der Reisemarkt dort aber wieder etwas erholen, so die Prognosen.

Länder, die von den Reisenden als sicher empfunden werden, konnten hingegen bereits 2016 Zuwachs verzeichnen und dürfen diesen weiterhin erwarten. Gemäss dem World Travel Monitor zählen Spanien und Portugal zu den grossen Gewinnern. Aber auch nordeuropäischen Ländern wie Irland (+8 Prozent), Grossbritannien und Dänemark (beide +7 Prozent) wird ein weiteres Tourismuswachstum vorausgesagt. Ein überdurchschnittliches Wachstum stehe auch Finnland, Belgien und der Schweiz bevor.

Weniger Shopping, mehr Erlebnis

Während der europäische Reisemarkt auf die aktuelle Lage reagiert, haben die politischen Unsicherheiten und der Terrorismus auf das weltweite Reiseverhalten kaum Einfluss. So darf wieder mit mehr Gästen aus Asien, allen voran China und Korea, gerechnet werden. Wobei sich eine Veränderung im Reiseverhalten dieser Gäste abzuzeichnen beginnt. Statt exzessivem Shopping werden auch die Touristen aus Fernost langfristig immer öfter nach authentischen, individuellen Reiseerlebnisse fragen.

(Riccarda Frei)