Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

«Wir kommunizieren offen und humorvoll»

Bei Domicil Bern arbeitet Lorenz Wegelin in einem super Team. Trotz Kostendruck und Fachkräftemangel empfindet er dies als sehr positiv.

Seit Januar 2024 ist Lorenz Wegelin stellvertretender Geschäftsleiter bei Domicil Lentulus und Gesamtleiter Hotellerie/FM von fünf Betrieben in Bern. (ZVG)

Lorenz Wegelin, im Fachjargon wird von der Spital-, Heim- und Gemeinschaftsgastronomie gesprochen. Wie bezeichnet Domicil Bern seine Betriebe? 

Unter dem Leitspruch «Domicil – gut begleitet im Alter» nennen wir unsere Betriebe Alterszentren. Wir bieten Wohnen in der Umfassenden Pflege, Wohnen mit Dienstleistung, Wohnen Plus mit unterschiedlichen altersgerechten Mietwohnungen, Tagesbetreuung und Übergangspflege an. Zudem führen wir spezialisierte Kompetenzzentren für Menschen mit Demenz.

Sprechen Sie von Gästen, Pensionären oder Patienten? 

Eigentlich reden wir von Bewohnenden und Mietern je nachdem, ob sie in der Umfassenden Pflege oder in einer Wohnung mit den diversen Dienstleistungspaketen sind. Im Restaurant sprechen wir von Gästen.

Viele ältere Menschen wollen möglichst lange in ihren eigenen vier Wänden leben.Wie hat sich die Situation Leben im «Heim» in den vergangenen Jahren verändert? 

Das Leben in einem Alterszentrum ist nicht mehr wie vor 20 Jahren. Die Bewohnenden haben zurecht höhere Ansprüche, sei es beispielsweise an die Infrastruktur und die Gastronomie sowie die Aktivierung und kulturelle Angebote. Gefragt sind mehr Individualisierung und Abwechslung. Viele Wohnungsmieter sind «guet zwäg» und suchen einfach ein sicheres Umfeld mit möglichen Spitin-Leistungen (hauseigene Spitex), mit einem garantierten Platz in der Umfassenden Pflege. Sie schätzen die Möglichkeit, gewisse Aufgaben wie Kochen oder Reinigen bei uns beziehen zu können. Auch Angebote, welche die Leute zusammenbringen, um neue Kontakte knüpfen zu können, weil sie zuhause oft alleine waren, werden rege genutzt. 

Wie sieht dies zukünftig aus?

Mit dem Zusammenschluss von Spitex Bern AG und Domicil Bern AG unter dem Dach von Concara passen wir uns genau dem an, indem wir in den Lebensräumen der Kundinnen eine Integrierte Versorgung aus einer Hand aufbauen: zuhause, ambulant und stationär. Ein Teil davon ist der eigene Mahlzeitendienst der Domicil Cuisine. 

Zu Domicil gehören in der Region Bern 22 Betriebe. Wie unterscheiden sich diese? 

Wir haben fünf Kompetenzzentren Demenz. In denen sind die Tagesstruktur, die Pflege, ihre Inneneinrichtungen und ihre Gartenanlagen gemäss aktuellen Erkenntnissen auf Menschen mit Demenz abgestimmt. Damit können die Bewohnenden in Würde, mit der nötigen Sicherheit aber auch mit viel Freiraum Leben. In den restlichen Häusern richtet sich die Umfassende Pflege an Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen auf Betreuung und Pflege angewiesen sind. In zehn dieser Häuser haben wir ein Wohnen Plus Angebot, welches die Miete und den Notrufknopf und kleine Aufmerksamkeiten wie ein Geburtstagsgeschenk enthalten. Weitere Dienstleistungen wie, Reinigung, Essen, Wäschereiservice, Coiffure oder Pedicure können auf Wunsch in Anspruch genommen werden. In sieben Häusern haben wir noch das Wohnen mit Dienstleistung Angebot, welches quasi ein Sorglospaket ist, wo man sich um deutlich weniger kümmern muss, weil das Mittagessen und die wöchentliche Reinigung enthalten sind. Natürlich hat jedes Haus einen eigenen Charakter der neben der unterschiedlichen Infrastruktur durch die Menschen, die dort arbeiten gestaltet wird.

Haben Sie Kontakt zu den Bewohnern oder sind Sie eher Manager hinter den Kulissen?

Meine Rolle als stellvertretender Geschäftsführer und Leiter Hotellerie ist umfassend. Momentan habe ich als Gastgeber weniger Kontakt zu den Bewohnenden als mir lieb ist. Mein Alltag ist mit Besprechungen mit meinen Mitarbeitenden an den diversen Standorten oder in den Fachkreisen Gastronomie und Betriebsunterhalt, wo wir gruppenübergreifende Themen angehen, gefüllt. Oft wechsle ich nach dem Mittag den Standort. Alles mit dem Fahrrad, was mein Sportlerherz erfreut. Die Aufgaben sind sehr vielfältig und gehen von der Personalführung und Weiterentwicklung, dem Planen und Umsetzen von Projekten, über das Controlling von Budget und Qualität, die Organisation von Events, Besprechungen mit Kunden, Angehörigen, der Belegung der Wohnungen bis hin zur «Person für alles».

Sie haben die Hotellerie Leitung von vier Betrieben und im Winter kommt ein fünfter hinzu. Was steckt hinter dieser Bündelung? 

Wir bündeln unsere Kräfte, um unseren Kunden in ihrem gewohnten Lebensraum – in meinem Fall ist es Bern Zentrum – ein umfassendes Angebot aus einer Hand anbieten zu können. Es geht auch darum, Prozesse zu vereinheitlichen und digitalisieren, um unsere Mitarbeitenden zu entlasten, damit sie sich auf ihre Kernaufgabe konzentrieren können.

Was fasziniert Sie besonders an Ihrem Job? 

Es hat mir immer Spass gemacht anderen Leuten ein Lachen ins Gesicht zu zaubern und Freude zu bereiten. Da die Hotellerie so vielseitig ist, ist das in so vielen Bereichen möglich.

Hat jeder Betrieb eine eigene Küche? 

Ja momentan wir in jedem Haus selber gekocht. Künftig ist angedacht, grössere Produktionsküchen in den Lebensräumen zu etablieren, die Fertigung würde aber weiterhin vor Ort stattfinden. 

Wie hoch ist der Convenience-Grad? 

Die hohe Qualität der Ernährung, angepasst an die Bedürfnisse und Lebensumstände unserer Kunden, ist uns sehr wichtig. Wir versuchen frisch, mit unverarbeitetem Lebensmittel zu kochen und möglichst alles selber zu machen, können aber auch von der Gruppe profitieren. Beispielsweise stellt die Domicil Cuisine hochwertige Confiserie- und Dessertprodukte für zahlreiche Standorte her. Natürlich bedienen wir uns Kochtechniken wie «Cook and Chill» oder Pasteurisieren, um die Arbeiten besser auf den ganzen Tag verteilen zu können, so Stressspitzen zu brechen und flexibler auf einen krankheitsbedingten Personalausfall reagieren zu können. Aus dem gleichen Grund kaufen wir punktuell auch Fertigprodukte oder vorverarbeitete Produkte ein. Aber das Ziel ist und bleibt nach Möglichkeit den bereits hohen Eigenproduktionsgrad noch zu steigern.

Wie steht es um die Bedürfnisse der Bewohnenden in Bezug auf die Verpflegung?

Wir bringen mit einem Acht-Wochen-Menüplan mit Saisonfenster und wechselnden Alternativgerichte schon eine gute Abwechslung rein. Im «Lentulus» zum Beispiel darf der Karottensalat im Büffet an keinem Tag fehlen, sonst höre ich was. Am Mittag können die Leute zwischen 11.30 Uhr und 12.45 Uhr essen und müssen nicht Punkt 11.30 Uhr am Platz sein. Das Frühstücksbüffet steht während zwei Stunden bereit. Auch gibt es für die Bewohner der Umfassenden Pflege ein Zvieri. Natürlich schauen wir auf die individuellen Bedürfnisse und bieten diverse Kostformen an, um den Leuten das Einnehmen der Mahlzeiten zu erleichtern. Mit Unterstützung der Gourmetbox GmbH haben wir bei Domicil kürzlich ein eigenes Smooth-Food-Konzept entwickelt, das Menschen mit Schluckbeschwerden entgegenkommt. Es ist ernährungsphysiologisch hochwertig, stimuliert Menschen mit Demenz auch basal und wirkt so Mangelernährung entgegen.

Wie gross ist die Auswahl? Gibt es à la carte? 

Wir haben am Mittag und am Abend eine kleine Auswahl an Alternativen zum Fleisch- und vegetarischen Menü. So finden alle etwas, das ihnen schmeckt. Zum Frühstück gibt’s ein reichhaltiges Büffet und mittags haben wir ein Salatbüffet mit Grünem Salat und diversen rohen oder gekochten Salaten. Überall bauen wir Proteine ein, damit die betagten Leute ihren erhöhten Bedarf decken können.

Bringen die Bewohner Wünsche an? 

Klar, da kommt viel und wir versuchen möglichst alles irgendwie zu erfüllen. Zum Beispiel haben wir eine Wunschbox, wer dort etwas einwirft kann sicher sein, dass das Gericht, wenn nicht zu fancy ist, rasch auf den Menüplan kommen wird.

Sprechen wir über Geld: Wie teilt sicher der Umsatz zwischen Pflege und Hotellerie auf?

Die Haupteinahmen werden durch die Pflegeleistungen generiert, der Beitrag von Bewohnenden für die Hotellerie-Leistungen ist klein. Aber die Wichtigkeit der Hotellerie ist für die Kunden immens, dies wird von der Domicil Geschäftsleitung auch anerkannt. Der Warenaufwand liegt in einem vertretbaren Rahmen. Allerdings wegen der Teuerung mit steigender Tendenz.  

Habt ihr alle Stellen besetzt? Ist der Fachkräftemangel oder gar der Personalmangel spürbar? 

Vor allem in der Hauswirtschaft ist es nicht einfach, Stellen fristgerecht zu besetzen. Momentan habe ich eine Stelle als Koch, Köchin EFZ und eine als Fachfrau/mann Hauswirtschaft EFZ ausgeschrieben. Trotz der guten Arbeitszeiten und anderen attraktiven Arbeitgeberleistungen hält sich der Andrang in Grenzen. 

Sind die Arbeitszeiten wirklich so geregelt, wie es immer heisst? 

Ja, im «Lentulus» zum Beispiel wird, mit wenigen Ausnahmen von Anlässen, welche meistens schon fürs ganze Jahr bekannt sind, abends nur bis spätestens am 18.00 Uhr gearbeitet. Hinzu kommen ein bis zwei Wochenendeinsätze pro Monat. Der Arbeitsplan ist meistens zwei Monate im Voraus bekannt.  Dies erachte ich schon als sehr geregelt. 

Welches sind die drängendsten Fragen in Eurer Branche? 

Kostendruck und Fachkräftemangel, vor allem in der Pflege. Beides wurde durch die Temporärarbeit noch verstärkt. Hinzu kommen die Teuerung bei den Lebensmitteln und die steigenden Erwartungen der Kunden. Also lautet die Frage bei der demographischen Entwicklung und den sinkenden Ausbildungszahlen in Küche, Hauswirtschaft und Pflege, wie in Zukunft mit begrenzten Ressourcen mehr Leute mit höheren Erwartungen betreut werden können.  

Gibt es positive Anekdoten aus deinem Alltag? 

Positiv ist das super Team, natürlich vor allem mein Team, mit dem ich arbeiten darf. Wir haben eine offene und humorvolle Kommunikation, vom Geschäftsleiter bis zum Mitarbeitenden Werterhaltung. «So fägts!» Und natürlich die guten Gespräche mit den Bewohnenden, wo ich für mich Mitgefühl abholen konnte, als mir mein Fahrrad gestohlen wurde oder mir eine ältere Dame immer wieder Komplimente macht. Das tut schon gut. Wenn die Bewohnenden, Mietenden und deren Angehörige sehen, dass wir uns sehr bemühen und dies dann auch wertschätzen. Da gab es zum Beispiel eine sehr kritische Mieterin, die eigentlich mit der Küche und mir nur sehr, sehr selten zufrieden war, sich aber kurz vor ihrem Tod bei der Küchenchefin und mir für unsere Bemühungen bedankt und das Essen gelobt hat. Das tut schon gut.

(Gabriel Tinguely)


Mehr Informationen unter:

domicilbern.ch


Zur Person

Nach zweieinhalb Jahren Leiter Ausbildung und Hygiene Küchen der Berner Insel-Gruppe übernahm Lorenz Wegelin die Leitung Hotellerie der Diaconis-Stiftung. Er engagiert sich als Produktmanager Content bei WIGL, ist Vorstandsmitglied beim SVG – Schweizer Verband für Spital-, Heimund Gemeinschaftsgastronomie sowie als Juror bei nationalen und internationalen Kochwettbewerben.