Albi und Silvana von Felten haben während 17 Jahren Ideen gesammelt und mit Behörden verhandelt. Plötzlich ging alles sehr schnell. Ende Mai konnten sie ihr Weinhaus am Bach eröffnen.
Geschafft! «Hirschens Weinhaus am Bach» in Erlinsbach hat am 20. Mai offiziell den Betrieb aufgenommen. «Jetzt sind wir auf den Felgen», sagt Albi von Felten von sich und seiner Frau Silvana. Das nach zwölf Monaten bauen und einrichten, nach der Eröffnungsfeier und dem Tag der offenen Tür. «250 Personen hatten wir erwartet, 500 sind gekommen», freut sich der Hotelier über das grosse Interesse am Weinhaus am Bach. Für diesen Erfolg haben Albi und Silvana von Felten einiges geleistet. Doch davon später. Lassen wir uns erst von Albi von Felten durch sein neues Hotel führen.
Die Reblein, die einst als Pergola den Weg zum Eingang beschatten sollen, sind noch winzig klein. «Wir haben eine Basis geschaffen, auf der wir aufbauen können», sagt Albi von Felten. «Gäste, die zu uns kommen, sollen immer wieder etwas Neues sehen und erleben.» Rechts, dort, wo es die Menschen naturgemäss hinzieht, wenn sie einen Raum betreten, befindet sich die Weinstube «für unbetreutes Trinken», wie Albi von Felten erklärt. «Mit der Winecard, einer Art Prepaid-Karte, kann Wein glasweise bezogen werden.» Vertreten sind Weine von Winzern, die ein Zimmer eingerichtet haben. Mit dem Glas Wein setzen sich die Gäste an einen der Tische in der Weinstube, in den Garten oder in die Kamin-Lounge.
Die Kamin-Lounge gleicht einem grosszügigen Wohnzimmer mit gemütlichen Sofas. In der Küchenecke, auch die sieht aus wie in einer privaten Wohnung, steht eine Kaffeemaschine von Amici. «Der Kombisteamer von Gaggenau ist ein Modell aus den USA. Wir haben uns dafür entschieden, weil da 1/1-GN-Schalen hineinpassen.» Zusammen mit dem freistehenden Induktionsherd dient dieser zum Regenerieren von Bankettmenüs. «Später einmal werden wir hier Kochkurse anbieten», sagt von Felten. Denn gleich um die Ecke bietet ein Seminar- und Bankettraum Platz für rund 40 Personen. In Anlehnung an die Regionalität, die im Weinhaus am Bach und auch im Landhotel Hirschen gelebt wird, nennt Albi von Felten diesen Raum «Denk Lokal» – im Lokal zum Denken an einheimische Produkte denken.
Die Innenausstattung haben Albi und Silvana von Felten in eigener Regie realisiert. Einige Möbel sind Einzelstücke, entworfen von lokalen Künstlern und Handwerkern. Zur Gestaltung der Zimmer haben sie Winzer eingeladen.
Zwischen der luftig hellen Champagne-Bollinger-Suite unter dem Dach und der Kellersuite im Untergeschoss haben 22 Schweizer Winzer ein Zimmer mit persönlichen Gegenständen ausstaffiert. Im Zimmer von Susi Steiger Wehrli aus Küttigen/AG beispielsweise sind die Wände Eisenerzrot. So wie der Boden des Rebbergs, den man von der Terrasse des Zimmers aus sehen kann. An einer Wand sind sechs Gipshände angeschraubt, jede mit einem anderen Gegenstand in den Fingern, einem Glas Wein, einem Kalkstein, einem Kugelschreiber. Jede dieser Hände ist ein originaler Abdruck eines Wehrlis. «Dieses Zimmer einzurichten, war eine Familiensache», sagte Susi Steiger-Wehrli bei der Eröffnung. Nächtelang hätten sie über Ideen und Entwürfe für das Zimmer gebrütet. «Das verbindet. Ich fühle mich für unser Zimmer verantwortlich», sagte Steiger-Wehrli. «Jetzt bin ich auch ein bisschen Hoteldirektorin und Zimmermädchen.» In jedem Zimmer schläft man zwischen Weinflaschen oder Fässern, Helgen von Rebbergen oder Zapfenzieher-Kollektionen. Oder auch zwischen Unihockey-Schlägern und roten Shorts, die an Nylonfäden neben dem Bett schweben. In den Badezimmern gibt es «Wein-Lein»-Kosmetik wie Body & Hair Shampoo mit Sauvignon Blanc und dessen Passionsfrucht- und Grapefruitduft. Noch hat jedes Zimmer Entwicklungspotenzial, wie Albi von Felten sagt: «Die Winzer sollen wiederkommen und an ihren Zimmern arbeiten, bis diese immer harmonischer wirken, immer abgerundeter. Wie ein guter Wein.» Er kann es kaum erwarten, dass Kratzer am Boden und Weinflecken auf der Wäsche dem Haus eine Patina geben.
Einen lang ersehnten Traum hat sich Weinliebhaber von Felten mit der Weinkeller-Suite erfüllt. «Bereits als ich den Keller im ‹Hirschen› baute, habe ich dort übernachtet. Jetzt steht in der Suite im Keller ein Bett zwischen zwei begehbaren Kühlschränken. Einer für Weissweine, einer für rote Gewächse. Es gibt doch nichts Schöneres, als zwischen Wein einzuschlafen und wieder aufzuwachen», erzählt Albi von Felten begeistert.
Vorausschauend erwarb Vater von Felten an das «Hirschen»-Grundstück angrenzende Parzellen. «Mein Vater kaufte das Land nicht zum Grasen», sagte Albi von Felten. «Wir wollten darauf ein Hotel bauen. Doch Einsprachen eines Nachbarn und träge Behörden in Solothurn verhinderten das Projekt.» Während all der Jahre blieb das Land aber nicht ungenutzt. Albi legte einen barocken Kräutergarten an und pflanzte Pro- Specie-Rara-Gemüse.
Vor 17 Jahren haben Albi und Silvana von Felten den «Hirschen» im solothurnischen Erlinsbach übernommen. Dieser war bereits unter Albis Eltern weitherum bekannt. Die jungen Gastgeber setzen konsequent auf heimische Produkte – und dies lange bevor die Regionalität zum Megatrend avancierte. Heute betreiben sie zudem eine Genusswerkstatt, wo sie unter anderem Seetaler Raps zu kaltgepresstem Öl verarbeiten. Und genauso lange sammeln sie Ideen für ihr Hotel. Auf der Suche nach Lösungen hielten sie sich an den Spruch von Werner Mitsch: Wer die Wahrheit im Wein finden will, darf die Suche nicht schon beim ersten Glas aufgeben!
Überglücklich waren Albi und Silvana, als sie das Haus gegenüber dem «Hirschen» auf der anderen Seite von Strasse und Bach, der die Grenze zwischen den Kantonen Solothurn und Aargau bildet, kaufen konnten. Hoch motiviert machten sie sich an die Arbeit. «Von der ersten Skizze bis zum Erhalten der Baubewilligung vergingen im Aargau nur 11 Monate.»
Zwischen Planung und Bau reichten sie ihr Weinhaus-Projekt für den Innovations Award 2016 von Gastrosuisse und der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit (SGH) ein und erreichten prompt den ersten Platz. Dieser ist mit 15 000 Franken dotiert. Das Geld wird Albi von Felten in Marketing und PR investieren.
Für Martin Abderhalden, Leiter Hotellerie und Tourismus bei Gastrosuisse, einem der Träger des Hotel Innovations Awards, ist klar: «Das Weinhaus am Bach hat eine Vorbildfunktion. 08/15-Betriebe werden es künftig schwer haben. Was zählt, ist das Erlebnis.» Michael Kauer, stellvertretender Direktor der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit, ebenfalls ein Träger des Awards, erklärte reimend, weshalb die von Feltens den Preis gewonnen haben: «S Konzept isch ganz us eim Guss / und passt zur Huus-Philosophie: em Gnuss / Bi höcher Chochkunscht cha me fein diniere / und nachher sanft gebettet au logiere / Und Jury het natürli au vorusgseh / dass es ufgaht, au fürs Portemonee.»
Andrea Portmann, Direktorin von Aargau Tourismus, liess sich von Geschichten und Albi von Feltens Augen inspirieren: «Ich hoffe, wenn die Leute über dieses Hotel berichten, genau das gleiche Glänzen in den Augen haben.» Und Daniel Fürst von «Fürstliche Weinkultur Hornussen» meinte: «Wir im Aargau machen Topweine. Wir wissen das, aber es wissen noch längst nicht alle. Albi ist der Ideen-König, der Vermittler. Was kann uns Besseres passieren als Gastronomen wie Albi und Silvana.»
«Mit dem Weinhaus am Bach werden wir vom Restaurant zum Hotel», erklärt Albi. «Das realisiere ich vor allem über meinen Aufgabenbereich. Ich bin jetzt mehr im Büro. Marketingaufgaben sind wichtiger geworden. Doch für den Kontakt zu den Gästen und für Weinempfehlungen werde ich immer Zeit haben.» Wein ist und bleibt seine Leidenschaft.
(Gabriel Tinguely)
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