Trotz Shutdown – die Ausbildung geht weiter

Damit Lernende und ihre Ausbildung wegen geschlossener Betriebe nicht zu Pandemie­opfern werden, lassen sich Lehrmeister einiges einfallen.

Um für die praktischen Aufgaben des QVs vorbereitet zu sein, reicht es nicht, Lernvideos anzuschauen. (Unsplash)

Tim Theus (17) ist angehender Hotelkommunikationsfachmann im ersten Lehrjahr. Sein Ausbildungsbetrieb ist das Art Deco Hotel Montana in Luzern. Wie viele andere Stadthotels befindet sich auch das «Montana» im coronabedingten Winterschlaf.

Damit die Lernenden dennoch praktische Erfahrungen vor dem Gast sammeln können, hat Hoteldirektorin Miriam Böger drei Auszubildende für sechs Wo­chen nach Lenk/BE ins Hotel Lenkerhof geschickt. Die Lernenden aus dem «Montana» sind nicht die ersten Städter, die wegen des Shutdowns in den «Lenkerhof» ausweichen.

«Der Ausbildungsvertrag muss auch während des Shutdowns eingehalten werden.»


Über die Feiertage arbeiteten hier vier Lernende aus dem Park Hotel Winterthur. Unter ihnen Selina Marty (16), angehende Restaurantfachfrau im zweiten Lehrjahr. «Ich habe die Chance, in einem Luxushotel arbeiten zu dürfen, spontan ergriffen. So eine Gelegenheit kommt nicht alle Tage.»

Auch die Lernenden im Hotel Hirschen in Wildhaus/SG haben eine Gelegenheit genutzt. Begleitet durch die Hoteldirektion führen sie seit Anfang Januar bis auf Weiteres den «Hirschen» in eigener Regie. Als erste Reaktion auf den Shutdown haben die Lernenden gleich ein asiatisches Take-away eingerichtet.

Ehrensache und Pflicht

Für viele Chefs und Ausbildner ist es eine Herzensangelegenheit, auch während der Corona-Pandemie gute Ausbildungen zu ermöglichen. Dies zu tun, ist aber nicht bloss eine Ehrensache, sondern auch eine Pflicht. «Die juristische Lage ist klar: Der Ausbildungsvertrag bleibt auch während eines Shutdowns bestehen», sagt Roger Lang, Beauftragter für Lernende bei der Hotel & Gastro Union. Im Klartext: Auch wenn der Lehrbetrieb vorübergehend geschlossen ist, müssen die Lernenden weiter ausgebildet werden. Und zwar in Theorie und Praxis!

Selbst ist der Gast

Natürlich ist es spannender und schöner, den Lernenden im gut laufenden Betrieb das Gastgeber­metier beizubringen. Zur Not kann man aber auch ohne Gäste ausbilden. Zum Beispiel, indem man praxisnahe Rollenspiele organisiert oder zusammen die Lern- und Leistungsziele konsequent abarbeitet. Auch lässt sich die Zeit, die plötzlich verfügbar ist, fürs Feintuning von heiklen Arbeitsschritten nutzen.

Ein Betrieb, der seine Lernenden ohne Gäste gut zu beschäftigen weiss, ist das Hotel Wilden Mann in Luzern. Obwohl das Haus bis voraussichtlich 28. Februar geschlossen bleibt, stehen die fünf Kochlernenden vier Tage pro Woche am Herd. Sie kochen für sich, die Ausbildner, Lernende aus anderen Abteilungen und den Hoteldirektor Arno Affolter. Neben dem praktischen Arbeiten üben sich die jungen Köche dabei gleich noch in Menüplanung, Kalkulation und Wareneinkauf.

«Wilden Mann» öffnet sich für Lernende anderer Betriebe

Arno Affolter ist im Stiftungsrat der Stiftung für gastgewerbliche Berufsbildung. Diese betreibt das Aus- und Weiterbildungszentrum G’ART in Luzern. Zusammen mit dessen Betriebsleiter Thomas Tellenbach hat er sich überlegt, wie man Lernende unterstützen kann, die derzeit nicht in ihrem Lehrbetrieb ausgebildet werden können. Dass eine Unterstützung dringend nötig ist, habe man während der überbetrieblichen Kurse festgestellt. Viele Lernende seien unsicher, untrainiert und es fehle ihnen an Tagesstruktur und sozialen Kontakten.

«Wir möchten für diese Lernenden im ‹Wilden Mann› Praxis-Workshops durchführen», bringt Arno Affolter das geplante Projekt Lernendenhotel auf den Punkt. Thomas Tellenbach erklärt, wie das im Detail aussehen soll: «Lernende der verschiedenen gastgewerblichen Berufe werden in kleinen Gruppen jede zweite Woche während drei Tagen trainiert.» Mit diesem Turnusverfahren könnten so im Lernendenhotel insgesamt 50 Lernende unterrichtet werden.

Das Konzept steht, die Finanzierung noch nicht ganz

Für Lehrbetriebe und Lernende sollen keine Kosten entstehen. Deshalb werden Bund, Kantone und Verbände das Lernendenhotel mitfinanzieren. Als Sponsor unterstützt die Migros Luzern dieses Projekt. Zusätzlich ist auch ein Crowd­funding gestartet worden. Sobald die Finanzierung gesichert ist, wird die erste Gruppe Lernender mit dem Workshop starten. Läuft alles planmässig, sollte das Anfang Februar der Fall sein.

(Riccarda Frei)


Corona-Support für Lernende

Die Hotel & Gastro Union verfügt über ein grosses Netzwerk. Deshalb bietet sie den Kantonen und Berufsbildungszentren ihre Unterstützung an, um Lösungen für Lernende zu finden, deren Ausbildungs­betriebe vorübergehend geschlossen oder in Konkurs gegangen sind. Zudem stellt die Hotel & Gastro Union ihren Rechtsdienst für arbeitsrechtliche Beratungen zur Verfügung.

E-Mail: coronasupport(at)hotelgastrounion.ch

Roger Lang ist Stellvertretender Leiter Rechtsdienst und  Beauftrager für Lernende bei der Hotel & Gastro Union.


Mehr Informationen zum Crowdfunding für das Lernendenhotel unter:

www.funders.ch/lernendenhotel