Tobias Buholzer mag Foie gras. Tiere mag er noch mehr. So erfand er eine Vegi-Variante, die zum Markenzeichen und Verkaufs-Hit wurde.
Foie gras – eine der edelsten Delikatessen. Ein Klassiker der französischen Haute Cuisine. Cremig, zart, komplex im Aroma. Und übelste Tierquälerei. Viele Köche schreiben lieber Foie gras als Entenstopfleber auf die Karte. Auf Französisch klingt es luxuriös, auf Deutsch ziemlich brutal und ehrlich. Eine Foie gras vom glücklichen Tier gibt es nicht. Der Ente wird ein Schlauch in den Hals geschoben, sie wird künstlich mit Maisbrei gemästet, gestopft, sie leidet. Damit der Mensch geniessen kann.
Eigentlich liebt Tobias Buholzer Foie gras. «Sie ist sehr lecker. Sitze ich in einem Spitzenrestaurant, dann bestelle ich sie zwar nicht. Gehört sie aber zum Menü, dann esse ich sie.» Selbst serviert sie der Sternekoch jedoch längst nicht mehr. Entenstopfleber passt nicht zur Philosophie der Nachhaltigkeit, die Buholzer in der «Rose» in der Zürcher Seegemeinde Rüschlikon pflegt. «Mir ist wichtig, dass das Tier ein schönes Leben hatte und anständig geschlachtet wurde», erklärt der 39-Jährige, dessen Kochkünste mit einem Michelin-Stern und 16 GaultMillau-Punkten bewertet sind.
In seiner Küche ganz auf die Delikatesse verzichten mochte der Innerschweizer aber nicht. Und so machte er sich vor sechs Jahren die ersten Gedanken, um seinen Gästen dereinst eine fair produzierte Alternative zu präsentieren. «Was es schon lange gab, war die ungestopfte Leber. Doch bei vielen Produkten dieser Art kam irgendwann heraus, dass die eben doch gestopft waren. So entschied ich, die Finger von ihnen zu lassen.» Er begab sich auf die Suche nach einer vegetarischen Variante, fand aber keine.
So begann er, selbst zu tüfteln. Ein kompliziertes Unterfangen: Die Farbe, das Mundgefühl, das Aroma, die Haltbarkeit – alles musste passen, um das Produkt im Spitzenrestaurant servieren zu können. «Ich pröbelte ziemlich lange herum, bis ich dann endlich auf eine Version kam, bei der ich das Gefühl hatte, es gehe nun in die richtige Richtung. Ein, zwei Jahre lang tastete ich mich heran.» Bei der Suche nach den richtigen Zutaten probierte Buholzer Verschiedenes: Pilze, Auberginen, Baumnuss, Haselnuss. «Ich erhoffte mir, jeweils auf ein Resultat zu kommen, das einer Foie gras nahekommt. Aber die meisten Ergebnisse waren gar nicht gut, viel zu penetrant.»
Die Fokussierung auf das leicht nussige Aroma führte zur Lösung: ungeröstete Cashewnüsse. «Sie sind neutraler und nicht so aufdringlich wie die zuvor ge-
testeten Nüsse.» Hinzu kamen allmählich Butter und Kakaobutter für die fettige Textur und als Geschmacksträger, Pinienkerne, Schweizer Eier aus Freilandhaltung, Wasser, Weisswein, Zwiebel, Cognac, Marsala, Portwein, Salz, Gewürze, Knoblauch und Périgord-Trüffel. Nach Jahren der Tüftelei und des Herantastens war die vegetarische Foie gras fertig. Der Name: Noix gras. Klingt wie Foie gras, doch noix steht auf Französisch für Nuss. «Ich dachte bei der Namensgebung auch an ‹Faux gras›, das klingt auch ähnlich wie Foie gras. Aber faux heisst falsch, und das war mir zu negativ, zumal die fair produzierte Variante sicher nicht falsch ist.»
Das Resultat verblüfft: Hinsichtlich der Farbe, der Cremigkeit und des Mundgefühls steht die Noix gras dem Original in nichts nach. Und geschmacklich? «Wer Foie gras kennt und ganz pur Noix gras isst, merkt den Unterschied», gesteht Buholzer. «Beim Kombinieren der Noix gras mit Früchten oder einem Chutney und Toastbrot kommt sie der Foie gras aber sicher sehr nah.» So nah, dass mancher Konsument unwissentlich getäuscht wird. «Es gibt Leute, die Noix gras nicht kennen, einfach Foie gras lesen und bestellen. Die meisten merken dann gar nicht, dass sie nicht Foie gras essen.» Andere bestellen die Vegi-Variante sehr bewusst. Und wiederum andere bestellen sie ebenso bewusst nicht, da sie Fleischersatzprodukte sinnlos fänden.
Längst hat sich die Noix gras zu Buholzers Markenzeichen gemausert. Buholzer und seine Köche produzieren sie vormittags in der Küche der «Rose». «Zumal das Gourmetrestaurant nur am Abend geöffnet ist, sorgt die Produktion für eine optimierte Auslastung der Küche und schafft Arbeit.» Als Convenience-Produkt auf höchstem Niveau gibt es die Noix gras nicht nur in Delikatessen-Abteilungen zahlreicher Globus-Filialen und über diverse Internet-Kanäle zu kaufen, auch andere Gastronomie-Betriebe beziehen sie direkt oder über den Händler Bianchi und servieren sie ihren Gästen. Ein Abnehmer ist der Zürcher Gastronom Michel Péclard. Er erhielt einst ein böses Mail, es sei eine Schande, heutzutage noch Foie gras zu servieren.
«Auch ich hatte schon Gäste, die mir klarmachen wollten: ‹Nein, Foie gras essen wir nicht›», erzählt Buholzer. «Wenn man ihnen dann erklärt, dass es sich bei Noix gras um eine tierfreundliche Variante handelt, haben sie grosse Freude.» Die Noix gras ist ein fester Bestandteil im Menü der «Rose». Je nach Saison wird sie auf dem Teller anders kombiniert. Im Sommer gab es die Terrine mit Rhabarberkompott, kleinen Cannelloni aus Noix gras und Rhabarber, eine Blütenessenz verfeinert das Gericht. Dazu wird eine knusprig geröstete Brioche serviert. Viele Gäste kaufen beim Verlassen des Restaurants noch eine Terrine für zu Hause.
Im Detailhandel gibt es zur Noix gras gleich noch ein Aprikosen-Riesling-Chutney, ein Pflaumen-Lapsang-Chutney sowie die Brioche zu kaufen – im Glas. «Nur wenige Bäckereien führen wirklich gute Brioches im Sortiment», findet Buholzer. «Unsere Brioche aus dem Glas hat eine tolle Konsistenz und schmeckt sehr fein. Man muss sie nur in Scheiben schneiden und toasten.»
Hochsaison haben Buholzers Convenience-Produkte zur Festtagszeit zum Jahresende. Vergangenen Dezember gingen 1000 Gläser Noix gras à 150 Gramm über den Ladentisch, dazu je 500 Gläser Chutney und Brioche (das Trio kostet rund 64 Franken). Kein Grund für den Spitzenkoch, sich zurückzulehnen. Buholzer tüftelt weiter, diesmal an einer veganen Variante.
(Benny Epstein)
Noix gras GmbH
Tobias Buholzer
Dorfstrasse 42
8803 Rüschlikon
www.noix-gras.ch